Ein Leiterwagen voller Abschiedsgeschenke
08.09.2020 SteinEin Weg von Station zu Station, begleitet von wertschätzenden Worten der Stiftungsratsmitglieder wie auch von Regierungsrat Alex Hürzeler erwartete Ursula Brun Klemm zum Abschied von ihrer 21-jährigen Tätigkeit als Präsidentin der Stiftung Menschen mit einer Behinderung im Fricktal (MBF).
Susanne Hörth
Ursula Brun Klemm gehört nicht zu den Menschen, die einen grossen Wirbel um die eigene Person schätzen. Wie aber soll dieser Wunsch respektiert und eine Frau, die sich 21 Jahre intensiv um die Entwicklung und die Zukunft der Stiftung MBF eingesetzt hatte, trotzdem mit einem gebührenden Anlass verabschiedet werden? Eine Frage, die dem Stiftungsrat einiges an Kopfzerbrechen bereitet hatte. Wie ihre Verabschiedung dann tatsächlich gestaltet wurde, liess Ursula Brun am späten Freitagnachmittag voller Rührung und sichtlicher Freude sagen: «Ich hätte es mir nie so wunderschön und passend vorstellen können.». Es war ein Fest mit wenig Geladenen, dafür umso mehr mit jenen Menschen, für welche sich Ursula Brun in all den Jahren engagiert hatte. Der Stiftungsrat hatte einen Stationen-Weg durch die verschiedenen Gebäude am MBF-Standort in Stein vorbereitet. An jeder dieser Stationen wurde die scheidende Stiftungsratspräsidentin von Frauen und Männern mit einer Beeinträchtigung erwartet. Überall hatten sie etwas für «ihre Ursula Brun» vorbereitet. Und an jeden Ort sprach auch ein Stiftungsratsmitglied.
So manch Feuer gelöscht
Der Nachmittag begann für Ursula Brun bereits mit einer ersten Überraschung als sie und ihr Mann Markus Klemm daheim von einem Oldtimer-Feuerwehrauto abgeholt und nach Stein zur Stiftung MBF gebracht wurden. Den Grund für diese Fahrzeugwahl erklärte René Berger, Vizepräsident des Stiftungsrates mit: «Oft bist Du, Ursula, von Rheinfelden nach Stein gefahren, um kleine oder grosse Feuer zu löschen.»
Im Gemeinschaftsgebäude, in dem die Begrüssung stattfand, haben laut René Berger in den vergangenen 21 Jahren 168 Ratssitzungen sowie zusätzliche Baukommissionssitzungen, Besprechungen, Pressetermine und vieles mehr stattgefunden. Der Vizepräsident erinnerte an die Anfänge, als 1999 aus dem Zusammenschluss der Stiftungen WBF und FBR die Stiftung MBF entstand. «Zu Beginn Deiner Präsidialzeit stand zunächst das Zusammenwachsen der beiden Stiftungen an erster Stelle.» Nach und nach sei ein starkes, gemeinsames Unternehmen entstanden. Berger vergleicht es mit der heutigen Situation bei der Heilpädagogischen Schule Fricktal. Mit der Übernahme der Trägerschaft durch die Stiftung MBF muss auch diesem Zusammenwachsen Zeit gegeben werden. Etwas, was im Laufe der Abschiedsfeier von verschiedenen Seiten noch mehrfach angemerkt wurde.
Der Weg der Verabschiedung führte vom Gemeinschaftsgebäude zum Buchenweg, dem ältesten Gebäude der Stiftung. Von den Frauen und Männern mit einer Behinderung wurden die Ankommenden mit lautem Klatschen begrüsst. Sie hatten für Ursula Brun ein Lied und viele Geschenke vorbereitet. Stiftungsratsmitglied Hansueli Bühler präsentierte zudem eine eindrückliche Liste der Bauten, welche im Bereich Wohnen und Ateliers während Bruns Amtszeit entstanden und bezogen worden waren. Das Grösste und Herausforderndste davon sei sicher die Wohn- und Atelier-Überbauung Widacher gewesen. Anhand einiger Zahlen verdeutlichte Bühler, wie sehr sich die Stiftung MBF im Laufe der Zeit gewandelt hatte: «Im Jahre 2000 verfügte die MBF über 74 Wohn- und 117 Tagesstrukturplätze. Heute sind es 109 Wohn- und 222 Tagesstrukturplätze.»
Die nächste Station war das Rüchlig-Gebäude. Von Stiftungsratsmitglied Thomas Schönenberger als das Herz der Stiftung bezeichnet. Die Werkstätten, der Empfang, die Verwaltung und die Kantine sind hier angesiedelt. «Hier trifft sich die ganze Stiftung.» Aktuell würden 165 Mitarbeitende verteilt auf 120 Vollzeitstellen beschäftigt. «Die tägliche Arbeit ist sehr wertvoll für die Steigerung des Selbstwertgefühls unserer Mitarbeitenden», so Schönenberger. Stolz verwies er auf einen Blockbuster der Produktion. «110 000 Packungen Feuerteufel verlassen pro Jahr unser Unternehmen.» Dass aber noch viel mehr hier produziert wird, zeigten die Mitarbeitenden mit ihren Präsenten für Ursula Brun gleich selbst. Neben einer Packung Feuerteufel erhielt sie auch aus jedem Werkstätte-Bereich etwas.
Angeführt vom Laufenburger Musikduo Wunderkram ging es dann zum Widacher. Hier gaben Geschäftsleitungsmitglied Christoph Egloff und Stiftungsrätin Bernadette Kern ihrer grossen Wertschätzung für Ursula Bruns Schaffen Ausdruck. Beide betonten, dass es oft auch schwierige Situationen gegeben habe, manche Hürden gemeistert werden mussten.
Grussbotschaft der Aargauer Regierung
«1999», so Regierungsrat Alex Hürzeler zurückblickend auf den Beginn von Ursula Bruns Präsidialzeit, «wurde die allererste Sendung von ‹Wer wird Millionär› ausgestrahlt oder das Nokia 3210 kam auf den Markt.» Er zog sein «Nokia» aus der Jackentasche. Mit einem Grinsen und der Bemerkung, er habe auch noch ein anderes, ein Smartphon, steckte er es wieder ein. Wie sich die Welt, die Wirtschaft und vieles mehr verändert habe, so habe sich auch die Stiftung MBF extrem gewandelt. Hürzeler erwähnte unter anderem die verschiedenen grossen Bauvorhaben, die Ursula Brun mit ihrem Wissen, ihren Kontakten im Kanton und ihrer Weitsicht von den ersten Plänen bis zur Fertigstellung begleitet habe. Die Stiftung MBF sei für den Kanton und das Departement BKS einer der ganz wichtigen Partner im Betreuungsbereich im Erwachsenenbereich. «Mit der Übernahme der Trägerschaft für die HPS Fricktal wird die Stiftung auch ein wichtiger Partner für Angebote im Kinder- und Jugendbereich.» Hürzeler lobte und dankte Ursula Brun für ihre vorbildliche Arbeit «Sie haben Aufgaben übernommen und Entscheidungen getroffen, die jenen Menschen zugutekommen, um die wir uns als Gesellschaft in besonderem Masse zu kümmern haben.»
Die vielen Geschenke, die Ursula Brun auf dem Weg von Station zu Station in den Leiterwagen packen durfte, wurden am Schluss auf der Cafeteria-Terrasse noch mit persönlichen Briefen und einem Präsent vom Stiftungsrat ergänzt. In ihren Dankesworten versprach Ursula Brun, dass sie sicher immer wieder mal der Stiftung MBF einen Besuch abstatten wird. Die Präsidiumsaufgaben hat sie bereits am 1. September an ihren Nachfolger Hans A. Wüthrich übergeben.