15 000 Kilometer mit dem E-Bike zurückgelegt
11.08.2019 ZeiningenAndrea Freiermuth und ihre Reise in den Osten
Anfang Juli 2018 ist Andrea Freiermuth zu ihrer grossen Reise nach China aufgebrochen. Vor wenigen Wochen ist sie mit ihrem E-Bike nach 15 000 zurückgelegten Kilometern in Zürich gelandet. Die Zeiningerin hat sich einen Traum erfüllt.
Janine Tschopp
«Ich bin eigentlich ein Angsthase», titelte die NFZ am 26. Juni 2018 das Portrait der Zeiningerin Andrea Freiermuth, welche plante, mit ihrem E-Bike nach Peking zu radeln. Es waren Ängste da. Heute, ein Jahr später, weiss sie, dass sie es geschafft hat. Am 24. Juni 2019 beendete sie ihre grosse Tour nach 15 000 zurückgelegten Kilometern in Dushanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, und flog zurück in die Schweiz.
«Die Begegnungen waren wunderschön»
«Nach diesem Jahr weiss ich, dass der Mensch grundsätzlich gut ist. Ich traf viele Menschen, die nie eine Chance haben werden, ihr Dorf zu verlassen. Meine Begegnungen mit ihnen waren wunderschön», sagt Andrea Freiermuth. Die Fricktalerin schwärmt von der Gastfreundschaft, welche sie auf ihrer Reise fast täglich zu spüren kriegte. Immer wieder wurde sie zum Übernachten eingeladen oder mit Lebensmitteln beschenkt. «Im Kosovo wurden mein Reisepartner und ich einmal von Kosovoalbanern, die im Kanton Freiburg wohnen, spontan zu einer Hochzeit eingeladen. Wir im verschwitzten Trikot inmitten der Festgesellschaft. Und dann bedenkt man, mit welchen Vorurteilen die Schweizer dieser Volksgruppe zuweilen begegnen.»
Negative Erfahrungen machte sie kaum. Ein unangenehmes Erlebnis hatte sie im Oktober 2018 an ihrem zweiten Tag im Iran. Ein Hirte wollte sie vom E-Bike holen, indem er seinen Stock in die Velospeichen hielt und sie anschliessend damit schlug. «Mit einem irren Blick in den Augen», schrieb Andrea Freiermuth in ihrem Blogbeitrag. «Ich dachte im ersten Moment, dass sei nun einer dieser Fundamentalisten, die den Frauen im Iran das Velofahren verbieten wollen.» Ihr iranischer Reisepartner fuhr zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Meter vor ihr und war sofort zur Stelle. Dank seinen Sprachkenntnissen stellte sich heraus, dass der Angreifer geistig zurückgeblieben war und dass er einfach nicht wusste, was er da eigentlich tat.
Richtungswechsel
Im Winter kam es für Andrea Freiermuth zu einem unerwarteten Richtungswechsel. Sie plante, vor Weihnachten in Dushanbe eine Winterpause einzulegen, um ab Januar in Shanghai einen zehnwöchigen Chinesisch-Sprachkurs zu absolvieren. Anschliessend wollte sie ihre Reise in Dushanbe fortsetzen, rund 4000 Kilometer durch China fahren, um schliesslich zu ihrem Reiseziel Peking zu gelangen. Für ihre Pläne brauchte sie ein spezielles Visum von China, das sie berechtigte, dort zweimal einzureisen. Kurzfristig teilte ihr das Reisebüro mit, dass sie dieses doppelte Visum nicht erhalten werde. So musste sie sich entscheiden, den Chinesisch-Sprachkurs sausen zu lassen oder ihre Reisepläne zu ändern. Sie entschloss sich für die zweite Variante und radelte dann das letzte Stück ihrer Reise nicht wie geplant von Dushanbe (Tadschikistan) Richtung Osten nach Peking, sondern von Shanghai Richtung Westen nach Tadschikistan.
Diese Visa-Geschichte hat die erfahrene Globetrotterin aus dem Konzept gebracht. «Das ist wie wenn du einen Marathon läufst, und bei Kilometer 35 sagt dir jemand, dass du in die falsche Richtung gerannt bist», erklärt Andrea Freiermuth ihr Gefühl, welches der Richtungswechsel bei ihr auslöste.
Immer Strom und sieben Mal Platten
«Ich war überrascht, wie problemlos ich während meiner Reise immer zu Strom kam», erklärt Andrea Freiermuth. Spannend sei gewesen, wie sich die Reaktionen auf ihr E-Bike während ihrer Reise verändert hätten. «In der Schweiz und im angrenzenden Ausland wurde ich als E-Bikerin belächelt. Im Balkan haben die Leute mein Velo bewundert und wollten genau wissen, wie es funktioniert.» Während ihrer ganzen Reise kam es nie zu einem technischen Defekt, mit Ausnahme von sieben platten Reifen. «Fünfmal musste ich die Bremsbeläge wechseln.»
Und jetzt?
«Das Zurückkommen ist Teil der Reise, ich bin gespannt wie es wird», sagt die 46-Jährige. Wie ihre Zukunft aussieht, weiss die Journalistin, die für ihre Reise eine sichere Stelle beim Migros-Magazin aufgab, im Moment nicht. Gerne würde sie wieder in der Kommunikationsbranche arbeiten. Oder hat sie schon bald ihr nächstes Reise-Abenteuer geplant? «Ich habe meinem Freund und meiner Familie versprochen, in nächster Zeit ein bisschen ruhiger zu sein. Eine Herausforderung auf meiner Reise war, die Angst der Daheimgebliebenen zu managen. Insbesondere, als ich entlang der afghanischen Grenze fuhr.»
Rückblickend sagt Andrea Freiermuth: «Ich bereue nichts und bin unglaublich dankbar, dass alles so gut gegangen ist und ich in dieser ganzen Zeit nie wirklich krank wurde oder einen Unfall hatte. Hoffentlich konnte ich anderen Menschen Mut machen, ebenfalls eines Tages aufzubrechen. Die Welt da draussen ist einfach wunderschön – und ihre Bewohner sind herzensgut.»
Andrea Freiermuths Reiseberichte und weitere Informationen sind auf ihrer Homepage shebikerider.ch nachzulesen. Am 7. September, um 16 Uhr wird sie an der «Eurobike»-Messe in Friedrichshafen Bilder ihrer interessanten Reise zeigen.