Optisch erinnert nichts mehr an die «Todesfalle»
19.03.2021 Kaisten1981 wurde das mit einer Familie besetzte Auto vom Zug mitgerissen
Vor 40 Jahren hat ein schwerer Unfall auf dem unbewachten Bahnübergang Obert in Kaisten vier Menschen das Leben gekostet. Ihr Auto wurde vom Zug mitgerissen. Die vielen Unfälle zuvor und dann diese Tragödie sorgten für die Schliessung des Überganges und den Bau einer grosszügigen Unterführung.
Susanne Hörth
«Es war ein grauenhafter Unfall. Die Betroffenheit bei der Bevölkerung war sehr gross», erinnert sich Rudolf Lüscher an den 14. November 1981. An jenem Tag starben vier italienische Staatsangehörige in ihrem Auto auf dem unbewachten Bahnübergang Obert in Kaisten. Rudolf Lüscher, ehemaliger Stadtammann von Laufenburg, war damals als Bahnhofsvorstand-Stellvertreter in Laufenburg tätig und hatte an jenem Tag Dienst. Im Kaister «Rückspiegel 1981» wurde das Unglück mit folgenden Worten festgehalten: «Auf dem unbewachten Bahnübergang Obert ereignet sich ein weiterer, schrecklicher Unfall. Am frühen Nachmittag fährt ein mit vier Personen besetztes Auto aus Richtung EGL-Gebäude auf den Bahnübergang zu, direkt vor den Eilzug Laufenburg-Stein. Der Personenwagen wird bis zum Industriegelände Ciba-Geigy mitgeschleppt. Alle vier Insassen finden den Tod. Für die Streckensicherung und den Löschdienst muss unsere Feuerwehr aufgeboten werden.» Über den Unfall berichtete damals nicht nur die Printpresse. Auch im Radio und Fernsehen wurde das tragische Geschehen aufgegriffen. Insbesondere auch deshalb, weil es auf dem Bahnübergang Obert schon wiederholte Male zu tödlichen Unfällen gekommen war. «Es gab keine Barrieren. Auf durchfahrende Züge wurde mit Blinklichtanlage und akustisch mit Läuten aufmerksam gemacht», sagt Rudolf Lüscher, der sich auch an einige der schlimmen Unfälle vor dem besagten 14. November 1981 erinnern kann. Gerade im Sommer seien bei tief stehender Sonne gegen Abend die Sichtverhältnisse bei diesem Bahnübergang sehr schlecht gewesen. «Noch heute, wenn ich an der Stelle des ehemaligen Übergangs vorbeigehe, kommen Erinnerungen an diesen tragischen Unfall und vorangehende Ereignisse auf».
Ganz schlimm seien solche Unfallereignisse stets für die Lokführer. Das Unglück beim Bahnübergang Obert haben an jenem Samstagnachmittag vor 40 Jahren auch die Zugpassagiere miterleben müssen. Als der Zug nach einer gefühlten Ewigkeit zum Stillstand kam, war von dem Unfallauto nur noch ein zusammengeknülltes Blechwrack vorhanden. Die Insassen hatten keine Chance.
Handeln wird gefordert
Mit dieser Tragödie wurde der schon länger vorhandene Unmut der Bevölkerung über den ungesicherten Bahnübergang Obert als eine grosse Gefahrenquelle wieder lauter. Schon 1974, auch hier ging ein tödlicher Unfall voraus, wurde die Liquidation des gefährlichen Übergangs gefordert. Der «Fricktaler Bote» schrieb damals: «Es genügt einfach nicht, dass man dieses Problem damit abtut, dass man halt ganz besonders gut aufpassen müsse. Tatsache ist, dass diese Einmündung, verbunden mit dem Niveauübergang, eine nicht vertretbare Gefahrenquelle darstellt, und der Kanton mit jahrelangen Verzögerungen einer Sanierung moralisch die Hauptverantwortung für diese Situation trägt.»
Der Bahnübergang Obert wurde nach der Tragödie nur noch für eine Fahrtrichtung geöffnet. Am 7. Februar 1982 wurde er definitiv geschlossen und entfernt. Zwischenzeitlich war schon mit dem Bau der neuen Strasse mit einer Unterführung unter der SBB-Linie und der Rheintalstrasse begonnen worden. Die Einweihung fand im Oktober 1983 statt.
Der Auslöser
Vor 50 Jahren, im Jahre 1971, wird mit 220 Mitarbeitenden das neue Ciba-Geigy-Werk Kaisten AG in Betrieb genommen. Der Bahnanschluss ab Laufenburg erfolgt über ein Anschlussgleis, das von der SBB-Linie abzweigt und über eine Rampe und eine 154 Meter lange Spannbetonbrücke über den Kaisterbach ins Werk führt, zitiert Rudolf Lüscher aus seinen reichhaltigen Unterlagen. Die Zufahrt zum Bahnübergang Obert wird mit einer Unterquerung des Anschlussgleises und dem Abbruch des Bahnwärterhauses neugestaltet, «Aus heutiger Sicht unverständlich ist, dass der ehemals mit Barrieren gesicherte Bahnübergang durch eine Blinklichtanlage ersetzt wurde.» Der Kanton gab dem Druck der Bevölkerung und mehreren parlamentarischen Vorstössen nach und genehmigte eine neue Strassenführung. Lüscher fügt hier an: «Was sich auch einmal mehr bewahrheitet, es muss leider immer zuerst etwas passieren bis gehandelt wird.» (sh)