Über Ernsthaftigkeit hin zum Witz
10.05.2020 Persönlich, RheinfeldenMichael Mittag hat als Cartoonzeichner eine Message
Michael Mittag liebt es, sich mit gesellschaftlichen Themen vertieft auseinanderzusetzen und seine Überlegungen dann anderen zu kommunizieren. Als Cartoonzeichner hat er dabei einen ungewöhnlichen Weg gefunden, die Menschen zum Nachdenken anzuregen.
Birke Luu
Das Fazit gleich mal vorneweg: Cartoons zu entwickeln ist gar nicht so einfach wie man ganz unbedarft meinen könnte. Im Unterschied zum Comic, wo immer eine ganze Geschichte erzählt werde, sei der Cartoon nämlich nur ein einziges Bild, also genau die Pointe, auf den der Witz hinauslaufe, erklärt einer, der es wissen muss. Michael Mittag ist von Beruf aus Cartoonzeichner, aber da dies kein Job mit Festanstellung ist, arbeitet der Rheinfelder zudem als Dozent für Pädagogik und Informatische Bildung an der FHNW. Das sei eine coole Kombination, meint der 48-Jährige, da er so durch selbstgemachte Cartoon-Erklärvideos sein besonderes Können in die Lehre einfliessen lassen könne. Damit erreiche er auch mal andere Personenkreise, könne die Studierenden unkonventionell ansprechen und ihnen das Wissen auf moderne, lustige Art vermitteln. «Etwas Kompliziertes per Video innerhalb von drei Minuten lustig erklärt zu bekommen», dies käme sehr gut an, lacht der aussergewöhnliche Dozent.
Breitgefächerte Expertise
Wohl so an die 130 Cartoon-Erklärvideos hat Michael Mittag bis heute produziert. «Es gibt nur wenige Leute, die das machen, daher habe ich darin inzwischen auch eine gewisse Expertise», meint der Technikaffine. Er nutze gerne die digitalen Möglichkeiten für die Umsetzung seiner Inhalte. Um dann in nur wenigen Minuten ein komplexes Thema auf den Punkt bringen zu können, dafür nutzt Michael Mittag seine vielfältigen Talente. Er zeichnet, spricht die Texte selbst und schreibt die Erklärungen, wobei ihm seine breitgefächerten wissenschaftlichen Kenntnisse sehr hilfreich sind. Doch um ein Projekt fokussiert und erfolgreich voranzubringen, dazu stehen dem Allrounder – wie er sich selbst bezeichnet – noch weitere Fähigkeiten zur Verfügung. Er kann programmieren und auch «schnell mal zu Demonstrationszwecken den verärgerten Vater geben», schliesslich spiele er seit vielen Jahren Theater. Auch sonst hat er privat viele Interessen, nebst der Schauspielerei tanzt er Hip Hop und Lindy Hop, spielt Badminton und macht Zumba.
Reduktion auf das Wesentliche
Doch nun zum schwierigen Teil, der Cartoonherstellung an sich. Diese gliedert sich in mehrere Arbeitsschritte. «Am Anfang habe ich 20 Minuten nur für die Idee gebraucht, dann versucht, diese zeichnerisch umzusetzen, und musste am Ende feststellen, dass viele Cartoons für andere gar nicht nachvollziehbar waren», beschreibt Michael Mittag seine Anfänge. Inzwischen gehe ihm alles viel beiläufiger von der Hand. Ideen kämen ihm während des Aufgusses in der Sauna oder in Gesprächen mit besonderen Personengruppen wie beispielsweise Menschen mit Beeinträchtigungen. Manchmal surft er auch im Internet und informiert sich, schliesslich ist es nicht einfach, einen komplexen Sachverhalt so zu reduzieren bis nur noch der «innere Widerspruch» übrigbleibt. «Diese wissenschaftlich-analytische Arbeit ist interessant und sehr herausfordernd», erklärt der Cartoon-Künstler. Er möchte die Menschen zum Nachdenken anregen, ihnen Einblicke in eine für sie bislang unbekannte Realität geben – wie beispielsweise das Leben eines Menschen mit Behinderung – und damit Brücken bauen, die eben auch lustig sind. Hört sich eher nach schwerer Kost als nach Spass an. Aber Michael Mittag betont, dass es zuallererst Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit brauche, um einen Cartoon zu entwickeln – das Lustige komme dann erst zum Schluss. «Ich möchte in meinen Cartoons nicht einfach bekannte Vorurteile bestätigen, sondern informierte und gut recherchierte Cartoons machen, die den Blick der Menschen über komplexe gesellschaftliche Probleme weiten.» Das alles genau zu erklären, ist schwierig, vielleicht bedürfte es hierzu ja eines Cartoon-Erklärvideos?
Seriöse schöpferische Arbeit
Um die 750 Cartoons hat Michael Mittag schon produziert, wahrscheinlich etwa 200 beim Nebelspalter und anderen Zeitschriften eingereicht, etwa 50 wurden veröffentlicht. «Durch diese Überproduktion wird man besser», lacht er unverzagt und bietet all seine Cartoons, Illustrationen und Erklärvideos auf seiner Homepage, www.michael mittag.ch, zur nichtkommerziellen Nutzung gratis an.
Seit rund 15 Jahren entwirft er als «seriöser schöpferischer Arbeiter» für andere Leute Cartoons, dennoch ist er immer wieder überrascht, welche seiner Pointen funktioniert, welcher Cartoon gut ankommt. Seine Lebenspartnerin, ebenfalls Pädagogin, müsse jedenfalls alle neuen Cartoons erst einmal anschauen – und wenn sie sie nicht verstehe, seien sie durchgefallen. Dies entspricht auch Michael Mittags Devise: «Mein Job ist es nicht, tolle Cartoons zu machen, sondern Rohmaterial zu sammeln, Dinge auszuprobieren – ob dann etwas Tolles dabei herauskommt, das beurteilen andere.»
Corona-Input
Momentan ist ein naheliegendes Thema, das zur Verarbeitung geradezu einlädt, die Corona-Pandemie. Ob er dazu wohl schon Cartoons gemacht hat? Aber natürlich! «Sehr speziell daran ist, dass wir Künstler diesmal auf Seite des Bundesrats stehen, obwohl wir sonst oft gegen die Politiker sind.» Dementsprechend würden auch seine Cartoons darauf hinauslaufen, dass es dem Virus egal sei, dass wir jetzt von den Einschränkungen genug hätten. Das Virus sei nach wie vor immer noch gleich gefährlich. In diesem Sinne raten Michael Mittag und seine Cartoons allen Fricktalern: «Bleibt locker und bleibt zu Hause!»