Das grosse Krabbeln im Wald

  22.07.2019 Nordwestschweiz

Das erste kantonale, flächendeckende Waldameiseninventar der Schweiz

Waldameisen sind bedeutend für die Ökologie der Wälder. Das Wissen über die Ameisen-Situation in der Schweiz ist hingegen eher bescheiden. Mit Hilfe von über 50 freiwilligen Helfern sowie zahlreichen Förstern wurden darum in den beiden Basel knapp 1800 Waldameisennester kartiert. Das dürfte etwa zwei Dritteln der tatsächlichen Nesterzahl entsprechen.

Die Waldameisen stehen in der Schweiz seit 1966 unter Schutz und erfüllen wichtige Funktionen im Naturhaushalt der Wälder. Durch den Verzehr einer grossen Insektenbiomasse tragen sie zur Regulierung von Schädlingen bei. Mit ihrer Lebensweise belüften und lockern sie den Boden, verbreiten die Samen von rund 150 Pflanzenarten und sind selber eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere. Zudem halten sich Waldameisen verschiedene Läusearten als Honigtauproduzenten. Diese Läuse haben eine grosse Bedeutung für Zucht- und Wildbienen.

Kartierung von Ameisennestern
Das Amt für Wald beider Basel und die Naturschutzfachstelle des Kantons Basel-Landschaft haben in den Jahren 2015 bis 2018 die Verbreitung der Waldameisen mit einer systematischen Kartierung der Nester erfasst. Die Kartierung vermittelt einen präzisen Eindruck über die Verteilung und Diversität der Waldameisen in den beiden Kantonen. Gemäss Spezialistinnen wie Dr. Anne Freitag vom Zoologischen Museum in Lausanne, ist die Kartierung der Kantone beider Basel eine Seltenheit und von höchster Bedeutung in der Ökologie und für den Naturschutz: «Die Verbreitungskarten dienen als Referenz und ermöglichen eine Vorstellung des potenziellen Verbreitungsgebietes der verschiedenen Waldameisenarten. Während einige Gruppen von Wirbellosen in der Schweiz gut erforscht und bekannt sind und dadurch genaue und aktuelle Verbreitungskarten möglich sind, sind die Ameisen in der Schweiz leider noch wenig dokumentiert.»

Ameisenzeit
Die Finanzierung des Vorhabens durch die Kantone war wichtig. Möglich wurde die Kartierung durch den Einbezug des Projektes «Ameisenzeit» und der Forstleute. «Ameisenzeit» ist ein zehnjähriges Projekt von «Wald-BeiderBasel» und dem Basellandschaftlichen Natur- und Vogelschutzverband. Über 50 Freiwillige aus dem Projekt Ameisenzeit und zahlreiche Förster haben mitgewirkt und die rund 21 000 Hektar grosse Waldfläche nach Ameisennestern abgesucht. Die Kartierung ist ein schönes Beispiel für ein erfolgreiches Citizen Science Projekt, in dem sich Freiwillige bei der Sammlung von Daten engagieren. Mit ihrer Unterstützung wurde die schweizweit erste, annähernd flächendeckende Kartierung der Waldameisenvorkommen realisiert.

Wichtige Grundlage für den Schutz
Die Kartierung ist aus verschiedenen Gründen von grosser Bedeutung:

• Das Wissen um die Neststandorte erleichtert ihren Schutz. Förster können Ameisenstandorte frühzeitig in der Planung und bei der Durchführung von Waldarbeiten berücksichtigen. Das ist vor allem im Winter von Bedeutung, wenn Holzereiarbeiten stattfinden und die Nester unter dem Schnee liegen.
• Zur Untersuchung der Nestdichte wurden artspezifische Hotspotanalysen durchgeführt. Diese zeigen auf, ob und wo die Nester einer bestimmten Art gehäuft vorkommen.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen können Massnahmen zum
Schutz von grösseren Kolonien und ganzen Waldgebieten getroffen werden.
• Die Kartierung bildet die Referenz für eine Folgeinventur, mit welcher in ein paar Jahren Aussagen zur Bestandsentwicklung der Waldameisenvorkommen möglich sind.

Modellierung Ameisen-Lebensraum
Das Inventar ermöglicht den Nachweis, dass alle fünf potentiell in der Region vorkommenden Waldameisenarten auch wirklich vorkommen. Aufgrund der guten Datengrundlage war es möglich, für die beiden häufigsten Arten der Region (Formica rufa und Formica polyctena) ein Habitatmodell zu entwickeln, welches die Zusammenhänge zwischen Lebensraumbedingungen und Nestdichte der beiden Arten abbildet. Die Modellierung zeigt, dass es in der kleinräumigen Standortwahl der beiden Arten Unterschiede gibt, obwohl sich die Verbreitungsgebiete der beiden Arten überlappen. Diese Erkenntnis ist für die Festlegung von artspezifischen Schutzmassnahmen zentral.

Nach unserem Wissen wurden in dieser Arbeit erstmals Fernerkundungsdaten als Grundlage für die Habitatmodellierung bei Waldameisen verwendet. Dank dieser Daten konnte ein hochaufgelöstes, flächendeckendes Modell entwickelt werden. Dies ermöglicht die Übertragung der Ergebnisse auf gleiche biogeografische Regionen. (mgt)

Weitere Informationen zum Projekt Ameisenzeit unter folgendem Link: www.ameisenzeit.ch


Ameisengötti aus Rheinfelden

Waldameisen sind nützliche Tiere. Das weiss auch Urs Jost aus Rheinfelden. Weil die Zahl der krabbelnden Tierchen seit Jahren massiv zurückgeht, engagiert er sich dafür, dass im unteren Fricktal der Rückgang gestoppt werden kann. Urs Jost hat sich dafür zum Ameisengötti ausbilden lassen. (nfz)


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