Ihre Reiseführer für heute Freitag

  23.02.2018 Wallbach/Mumpf

Mumpf ist verdammt nah am Wasser gebaut. Und das ist gut so. Der Rhein ist den Menschen hier Heimat, ein Stück Lebensgefühl. Das trifft auch auf diese beiden jungen Herren zu. Luca Müller (links) und Flavio Güntert. Pontoniere. Vom Scheitel bis zur Sohle. Die NFZ hat sich mit den beiden getroffen. Schlechtes Wetter. Freundlicher Empfang. «Unterwägs dehei» – die Serie geht weiter. Kommen Sie mit, liebe Leserinnen und Leser. Mit nach Mumpf. Luca und Flavio sind schon dort. (rw)


Zwei Freunde und die Anziehungskraft des Wassers

Rhein zum Vergnügen: heute ist die NFZ in Mumpf unterwegs

Unten am Fluss gestartet, geht es schon bald hoch hinaus. Luca Müller und Flavio Güntert sind die Reiseleiter. Die beiden Kollegen sitzen vereinsmässig im selben Boot.

Ronny Wittenwiler

Samstag, 14.50 Uhr. Vom Himmel fällt Wasser, der Rhein ist angeschwollen. Mumpf präsentiert sich heute nicht von seiner Sonnenseite. Doch immerhin, fünf Minuten später nähert sich mir ein erster Farbtupfer zu Fuss, bald schon kommt ein zweiter hinzu, mit dem Velo. Flavio Güntert und Luca Müller treffen bei der Kirche ein. Wie abgemacht. Die beiden Pontoniere sind pünktlich wie die Feuerwehr, und eingekleidet im knallroten Vereinstrainer liefern sie bald einen willkommenen Kontrast, wenn es darum geht, unseren kleinen Rundgang bildlich zu dokumentieren. Die beiden sind heute mit der NFZ «unterwägs dehei». Luca ist 18, Flavio 17, aber auch bald 18. Im März. Nur einen Steinwurf von der Kirche entfernt wird es Zeit für ein erstes Gespräch. In diesem Moment ist uns noch gar nicht bewusst, dass wir drei uns schon sehr oft begegnet sind.

Sie können nicht ohne ihn
Wir sind beim Fährdepot. Hier sitzen Luca und Flavio im selben Boot, wenn es um den sportlichen Erfolg geht. Seit früher Kindheit sind die beiden leidenschaftliche Pontoniere und bilden ein Fahrerpaar. Hier unten am Fluss ist ihr Zuhause, gehören beide doch zu jener Mumpfer Gattung, die ohne ihn einfach nicht können: «Auf den Rhein ist man schon stolz», wird Luca gegen

Ende des Tages sagen, als wir gemeinsam im Dorfrestaurant vor Anker gehen. Noch hat die Saison auf dem Wasser nicht begonnen. Doch bereits liefern die beiden eine verbale Kostprobe dessen, worauf sich ein richtiger Pontonier freut. «Und nach einem Wettkampf bist du so richtig ausgekotzt.» Sagt Flavio.

Wer aber richtig cool sein will, der spielt Fussball, lautet mein Einwand. «Muss man denn immer cool sein?», fragt Luca und verzieht dabei keine Miene und allein das wirkt dann schon wieder: ziemlich cool. Noch zwei Saisons werden Müller/Güntert als Jungfahrer unterwegs sein und vieles deutet daraufhin, dass sie auch als Aktive dem Verein die Treue halten. Abseits vom sportlichen Aspekt hat das gute Gründe: «Das draussen sein», sagt Luca, «der Zusammenhalt, wenn man nach dem Training beieinander sitzt, diskutiert und etwas trinkt. Das ist toll.» Immer freitags; nach dem Fahrtraining. Dann schmeissen die Mumpfer den Grill an. Draussen vor dem Vereinslokal, direkt am Wasser. Das stillt Hunger und Durst, schweisst zusammen.

Mumpfer Vereinsmeierei
«Ein bisschen Gras und alles läuft rund.» So titelte die NFZ im September 2014. Mit Luca und Flavio kehre ich an den Ort zurück, wo die damalige Geschichte geschrieben wurde. Irgendwo da unten liegt der Fluss. Irgendwo dort drüben der Schwarzwald. Oh ja, die Aussicht wäre grandios. Wären da bloss nicht die Nebelschwaden. Wäre da bloss nicht dieser nasse Vorhang, Nieselregen. Wir sitzen hoch oben überm Dorf, draussen vor der Hütte des Grasskiclub. Fast in Vergessenheit geriet dieser Verein mit den Jahren. Bis eben im September 2014 ein paar junge Männer die Skier entstaubten und ein Plausch-Rennen organisierten. Es sollte nicht das letzte bleiben. «Ich habe an jedem mitgemacht», sagt Flavio und lacht, so, als sähe er vor seinem geistigen Auge all die «Rennfahrer» nochmals den Hang hinunter übers saftige Mumpfer Grün kurven. Richtig, Flavio, der Pontonier, ist Mitglied beim Grasskiclub. Luca, der Pontonier, ist Mitglied beim Turnverein. In Mumpf herrscht – das ist positiv gemeint – Vereinsmeierei, auch wenn Luca einräumt: «Eigentlich sind immer etwa die gleichen Leute in den verschiedenen Vereinen.»

Feste feiern
Ein paar Schritte nur, und wir würden Obermumpfer Boden betreten, bleiben aber beharrlich in der Kälte vor der Skihütte sitzen; hier, wo die beiden Kollegen bisweilen das eine oder andere Fest feiern. Abgesehen von der grandiosen Aussicht an guten Tagen bietet der Ort auch nachts ein paar Argumente. «Man müsste also wirklich schon recht blöd tun, dass dich hier oben jemand hört», sagt Luca. Flavio feierte hier oben seinen Sechzehnten, Luca liess damals zu seinem Siebzehnten die Korken knallen. «Übrigens», sagt Flavio, zeigt auf ein Schild über ihm an der Wand: «Man kann die Clubhütte auch mieten.» Der junge Mann könnte glatt als Mumpfer Tourismusdirektor durchgehen. Derzeit steht er im zweiten Lehrjahr als Landschaftsgärtner. Luca absolviert eine Lehre als Zeichner, Fachrichtung Ingenieurbau, ebenfalls im zweiten Jahr.

Das Wetter trügt
«Mumpf ist mein Daheim», sagt Flavio. «Man kennt viele Leute, wenn man hier aufgewachsen ist.» Das wird sich später auch zeigen, als wir im Anker den (vermeintlichen) Schlusspunkt bei einem Kaffee begiessen. Erste Gäste treffen ein, die jungen Pontoniere kennen praktisch jeden mit Vornamen. Heute trügt das Wetter. In Mumpf herrscht ein freundliches Klima. Und aus Sicht der jungen Generation ist auch keine Eiszeit mit den Nachbarn auszumachen. «Wir haben viele Kollegen aus Wallbach, Obermumpf und Schupfart», sagt Luca. «Ich glaube, das war früher nicht so.» Mit einem Grinsen erklärt er, dass sich etwa die Pontoniere Wallbach und Mumpf nicht eben grün waren. «Ich glaube, die hätten sich am liebsten aufs Dach gegeben; vielleicht haben sie manchmal auch. Das ist längst nicht mehr so.» Und als Beweisführung nennt Flavio den «Schnäggehock». Klingt komisch, heisst aber so. Luca klärt auf: «Die Wallbacher Pontoniere bezeichnen uns Mumpfer tempomässig als Schnecken und wir sie. Einmal im Jahr treffen wir uns alle zum Hock.»

Eine Präzisierung nach der anderen
Und so kommt man hoch oben bei der Grasskihütte, nah an Obermumpfer Grund und Boden, zur Erkenntnis, dass die jungen Mumpfer das mit den kommunalen Rivalitäten nicht mehr so eng sehen. Doch selbst das Grenzenlose hat seine Grenzen. «Eigentlich möchte ich auch später einmal in Mumpf bleiben», sagt Luca. «Oder zumindest im Fricktal. Nein. Halt. Höchstens in der näheren Umgebung, vielleicht bis Frick.» Er macht eine kurze Pause und lachend folgt eine schelmische

Präzisierung nach der anderen. «Wobei. Frick ist irgendwie schon zu weit weg. Eher Eiken. Und weiter runter als bis nach Wallbach möchte ich auch nicht.» – «Möhlin ist für uns schon eine Stadt», schaltet sich Flavio jetzt ein. Gelächter. Und in ein paar Stunden geht es nach Obermumpf an den Kehrausball. Mumpfer Pontoniere sind gemeinsam unterwegs. Und das nicht bloss auf dem Wasser.

«Jetzt ist klar, woher ich dich kenne»
Wir hätten genauso gut irgendwo in den Wald gehen können. «Als Kinder waren wir oft draussen unterwegs», sagt Luca. Ein Mumpfer mache sich die Natur generell zum Aufenthaltsort. Wir sitzen im Anker, gegenüber der Strasse der Fluss, und Luca sagt jetzt: «Der Rhein ist ein ganz starkes Argument, um immer hier zu bleiben.» Wir zahlen. Doch statt den Nachmittag zu beenden, finden wir uns spontan im Vereinslokal der Pontoniere wieder. Direkt am Rhein. Das muss an dieser enormen Anziehungskraft des Wassers liegen.

«Ach jetzt ist klar, woher ich dich kenne», sagt Flavio plötzlich zu mir. «Du bist der mit den Fischerhosen, der im Frühling im Wasser steht und angelt, wenn wir am Trainieren sind.» Auch mir fällt es jetzt wie Schuppen von den Augen.

 


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