Nach 185 Jahren endet «Beizen»-Geschichte
29.03.2019 KaistenDer «Gambrinus» in Kaisten weicht einer neuen Überbauung
Von der Pinten-Wirtschaft zum Restaurant Rohrer und schliesslich zum «Gambrinus»: Der Kaister Gastrobetrieb hat im Laufe seiner 185-jährigen Geschichte einiges erlebt. Seit Juni vergangenen Jahres ist das Restaurant geschlossen, das Gebäude wird abgerissen.
Susanne Hörth
Das Restaurant Gambrinus in Kaisten hat seine Türen bereits vor fast einem Jahr geschlossen. Schon länger weiss man im Dorf, dass das Gebäude, in dem sich die Wirtschaft über viele Jahre befand, abgerissen wird. Es wird einer neuen Überbauung im Mitteldorf weichen. Auch wenn in absehbarer Zeit die Bagger auffahren und den Gebäudeteil mit dem Restaurant niederreissen werden, so bleibt die Geschichte des «Gambrinus» zumindest als Zeitdokument in Wort und Bild erhalten. Dafür sorgt der in diesen Tagen erschienene «Kaister Rückspiegel 2018».
185 Jahre lang prägte der «Gambrinus» das Dorf mit. Mit seiner Schliessung verliert Kaisten nach dem «Hirschen» (1989) und dem «Adler» (1992) nun auch noch sein drittältestes Restaurant. Die Rückspiegel-Redaktion hat sich auf die Spuren dieser «Dorfbeiz» gemacht und dabei so manch Interessantes herausgefunden.
Schwierige Anfangsjahre
1819 lehnte der Kanton ein erstes Gesuch für eine Pinte in besagten, etwas abseits von der Landstrasse gelegenen, Gebäude ab. Zu wenig erfolgreich erschien das Vorhaben neben den bestehenden Betrieben sowie den zahlreichen Eigengewächswirtschaften im Rebendorf Kaisten. Im Gegensatz zu einer Taverne darf in einer Pinte nur Essen und Trinken, aber keine Übernachtung angeboten werden, wird im «Rückspiegel» erklärt. 1833 hatte dann ein anderer Kaister mit seinem Ersuchen beim Regierungsrat mehr Erfolg und bekam die Pinten-Bewilligung für zwei Jahre. Die Bewilligung wurde verlängert, doch schon 1844 musste der Wirt Konkurs anmelden.
Der Kaister Chronik zufolge fehlten für die nächsten rund 70 Jahre nähere Angaben für die Wirte- und Besitzverhältnisse. Bekannt hingegen ist, dass die Speisewirtschaft 1917 «infolge Konkurs des damaligen Wirts Friedrich Löliger geschlossen werden musste». Luise Rohrer-Zumsteg übernahm und damit wechselte der Name von «Pinte» auf Restaurant Rohrer. «Sie war die Grossmutter des letzten Besitzers, Architekt Viktor Bäumlin», schreibt dazu der Kaister Rückspiegel. Als nächstes wirtete Lydia Bäumlin-Rohrer, die Tochter von Luise Rohrer, auf dem Restaurant, welches in dieser Zeit auf «Gambrinus» umgetauft wurde. Übrigens «der» und nicht «das Gambrinus». Es wurde mit seiner offenen Trinkhalle und der Holz-Kegelbahn zu einem beliebten Dorftreffpunkt.
Der «Gambrinus» und die Soldaten
Während des zweiten Weltkrieges wurden aber lange Zeit keine Kegel von Kugeln umgestossen, die Bahn diente dem Militär als Munitionsdepot. Die Gaststätte wurde zum Verpflegungsort für die Soldaten. Lydia Bäumlin sorgte mit grossem Engagement für die Männer. Auch die Kinder Silvia und Viktor mussten täglich mithelfen, ist der Kaister Chronik über diese nicht einfache Zeit zu entnehmen. Als die Wirtin im Alter von erst 52 Jahren 1949 verstarb, erwiesen ihr am Grab auch viele Soldaten die letzte Ehre. Silvia Bäumlin führte das Restaurant bis zu ihrer Heirat weiter, dann übernahm Maria Bäumlin-Fuchs. In den Jahren 1959 bis 2018 gab es mehrere Pächter. Von 2002 bis zur seiner Schliessung waren Abadin und Merite Hasani für das Wohl ihrer Gäste besorgt.
Mit der Schliessung am 30. Juni 2018 endete eine 185-jährige Kaister Beizengeschichte. Der Wunsch der Bevölkerung, dass es im Dorf an gleicher Stelle mit der neuen Überbauung Mitteldorf wieder ein Restaurant geben wird, ist immer wieder zu vernehmen. Auch wenn schon mehrfach betont wurde, dass dies unwahrscheinlich sei. Die Hoffnung bleibt dennoch.