«Frick ist noch ein Stück heile Welt»

  28.04.2019 Frick

Nach 30 Jahren tritt Paul Gürtler vom Beckenrand zurück

Paul Gürtler ist seit 1989 Betriebsleiter im Hallenund Freibad in Frick. Am Tag seines 30. Arbeitsjubiläums, am 1. April, übergab er die Hauptverantwortung an seinen Nachfolger. Trotzdem wird er im Sommer noch vereinzelt zu Arbeitseinsätzen kommen.

Simone Rufli

Mitten in den Vorbereitungsarbeiten für die Sommer-Saison besuchte die NFZ den langjährigen Chef-Badmeister an seinem Arbeitsort.

NFZ: 30 Jahre sind eine lange Zeit, es dürfte sich einiges verändert haben seit 1989...
Paul Gürtler:
Der Betrieb hat sich völlig verändert. Wir haben damals zu zweit mit einer 52-Stunden-Woche angefangen. Mit den Jahren kamen mehr Mitarbeiter dazu. Seit dem Umbau 2001 sind wir fünf Badmeister. Wir machen ja alles selber – vom technischen Unterhalt über die Gartenarbeit bis zum Putzen. Der Unterhalt dieser mehrere Millionen Franken teuren Anlage ist nicht einfach. Über die Jahre hat sich auch unsere Arbeitszeit auf 42-Stunden gesenkt und jener der übrigen Gemeindeangestellten angepasst. Und trotzdem mussten wir in der Öffentlichkeit lange dafür kämpfen, um vom Image wegzukommen, wonach der Badmeister nur da ist und nichts macht.

Fühlten Sie sich von der Gemeinde Frick unterstützt?
Die Gemeinde Frick ist ein wunderbarer Arbeitgeber und die Gemeinde steht hinter dem Bad. Man darf auch nicht vergessen: Schwimmen ist fester Bestandteil im Fricker Schulsport. Es wurde immer Geld locker gemacht, um wichtige Sachen umsetzen zu können.

Wie beim grossen Umbau des Freibads anno 2001?
Genau. Ich durfte seinerzeit auch viel mitreden beim Umbau und konnte meine Vorstellungen weitgehend umsetzen. Zum Beispiel die Unterteilung des 50-Meter-Beckens. Vor dem Umbau standen Dreiviertel der Wasserfläche den Schwimmern zu Verfügung, wir hatten aber damals schon 80 Prozent Jugendliche und nur 20 Prozent Schwimmer. Seit dem Umbau sind nun zwei Drittel der Wasserfläche für Familien da und ein Drittel für Schwimmer. Dabei gab es Fachleute, die davon abrieten, das 50-Meter- Becken zu unterteilen. Ich wusste aber, dass das andernorts bereits gemacht worden war. Wir haben dann vier Bäder besichtigt, die das mit Erfolg gemacht hatten.

Und trotzdem ist der Platz im Wasser knapp…
Wir haben das Schulschwimmen, den Schwimmclub – dank ihm haben wir immer ein schön belebtes Bad – und die Öffentlichkeit, die auch in der Halle immer zwei Bahnen zur Verfügung hat. Dazu haben wir viele Anfragen von Vereinen wie Aqua-Fit oder Tauchsport, die wir wegen Platzmangel leider oft ablehnen müssen. Früher gab es noch Raum für besondere Aktionen wie das Rhein-Schwimmen. Da hatten wir entlang des 25-Meter-Beckens ein Bild vom Rhein von der Quelle bis zur Mündung und wer eine bestimmte Strecke geschwommen war, bekam einen Preis.

Sie haben Polymechaniker gelernt und sich in Textiltechnik weitergebildet – wie kamen Sie in die Badi?
(Gürtler lacht.) Ich wurde damals von Werner Friedli angefragt, der schon im Bad tätig war. Meine erste Reaktion war: ich studiere doch nicht und mach dann «nur» Badmeister. Von aussen sieht man halt nicht, was alles hinter dem Beruf des Badmeisters steckt. Durch den Kontakt zu Werner erhielt ich Einblick, und die Aufgabe hat mich gereizt. Ich war dann jahrelang Chefredaktor der Bäder-Revue, war im Arbeitnehmer- und später im Arbeitgeberverband und zehn Jahre Kursleiter bei der IGBA (Interessengemeinschaft für die Berufsausbildung von Fachleuten in Badesportanlagen). Ich habe auch immer grossen Wert auf die Aus- und Weiterbildung meiner Mitarbeiter gelegt. Eine andere Vorbildung ist kein Nachteil. Es ist gut, wenn ein Team vielschichtig ist. Heute besteht mein Team aus einem Maurer, einem Maler, einem Sanitär und einem Koch. (Gürtler schmunzelt.) Der Koch macht das Mechanische, der hat zwei rechte Hände.

Badmeister an sich ist sehr vielschichtig...
Das stimmt. Wir sind Psychologen, Sanitäter, Chemiker, Mechaniker, Gärtner, manchmal Polizisten und oft auch einfach gute Seelen. Alles in allem ist es ein Traumjob, weil wir die Leute in ihrer Freizeit abholen dürfen.

Kam es während Ihrer Tätigkeit je zu einem schweren Unfall?
Ja einmal – und dies mit einem guten Ausgang. Während des Schulschwimmens wurde eine Schülerin von den Mitschülern aus dem Wasser gerettet und an den Beckenrand gebracht. Der Lehrer alarmierte mich und ich stellte bei der Schülerin einen Herzstillstand fest. Bei mir lief dann alles wie im «Film» ab. Alarmierung – Beatmung – Herzmassage. Die Rettungssanitäter konnten dann die Patientin professionell weiterbehandeln und der Rega-Helikopter brachte die Schülerin ins Spital. Drei Tage später kam die erfreuliche Botschaft, dass das Mädchen keine bleibenden Schäden erlitten hat.

Wann sind Sie eher Polizist als gute Seele?
Wohl dann, wenn wir darauf hinweisen, dass man nur die eigenen Kinder fotografieren oder filmen darf und nicht fremde Badegäste. Oder wenn wir uns gegen zu laute Musik und für die Anwohner einsetzen. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Badi früher am Rand von Frick angesiedelt war. Durch das Wachstum der Gemeinde sind wir heute mitten im Dorf und da muss man vermehrt Rücksicht nehmen aufeinander. Aber wenn ich mich mit Berufskollegen aus stadtnahen oder städtischen Bädern unterhalte, stelle ich fest, Frick ist noch ein Stück heile Welt.

Der April 19 war relativ kühl und die Leute gingen gerne ins Hallenbad. Trotzdem die Frage: Ist es grundsätzlich möglich – bei entsprechenden Temperaturen – früher zu öffnen oder im Herbst länger offen zu halten?
Unsere Flexibilität ist sehr beschränkt. Die Vorbereitungen im Frühling benötigen rund vier Wochen. Soweit hinaus können wir das Wetter unmöglich abschätzen, also halten wir uns an die bewährte Saison-Eröffnung im Mai. Im Herbst wärmt die Sonne bereits nicht mehr so stark, die Tage werden kürzer, das Wasser verliert schnell an Wärme. Im September steht auch die Generalreinigung an. Dazu kommt, dass die Badmeister fixe Daten brauchen, damit sie ihre Ferien buchen können. Denn während den Sommer-Schulferien haben wir Ferienstopp und auch sonst wird im Sommerbetrieb maximal eine Woche Ferien bewilligt.

Apropos Ferien: Wenn Sie nun bald nicht mehr in der Badi arbeiten, gehen Sie dann in die Badi um zu schwimmen?
Wir haben da so eine «AHV-Ecke». Das sind Leute, die täglich kommen – und das gar nicht so sehr wegen dem Schwimmen. Ich werde bei schönem Wetter sicher schwimmen gehen, aber auch die Gesellschaft pflegen. Ich freue mich auch darauf, nach Herzenslust zu fotografieren, mitten im Sommer verreisen zu können und tagsüber Velo oder Töff zu fahren. Vermutlich werde ich auch häufiger mit unserem Hund spazieren gehen. Er war bisher der Personal Trainer meiner Frau, weil ich im Sommer bei der Arbeit im Bad täglich zwischen 10 und 15 Kilometer zurückgelegt habe. Darum lag mein «Kampfgewicht» im Sommer auch immer rund fünf Kilo tiefer als im Winter.


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