Der Name ist ganz schön hinterhältig
19.10.2019 HerznachEine Handvoll Fricktaler mussten erst nach Namibia reisen, um dort die zündende Idee für ein gemeinsames Hobby zu haben. Mittlerweile haben sich die fünf Herznacher in ihrer Freizeit ein grosses Wissen in der Herstellung von Cider angeeignet. Warum ihr Produkt «Backstabber» – hinterhältiger Typ heisst, verraten sie im Gespräch mit der NFZ.
Susanne Hörth
Ein intensiver Apfelgeruch liegt an diesem sonnigen Herbstmorgen in der Luft. Die mobile Mostpresse von Rolf Huber aus Bözberg steht in einer Seitenstrasse, unweit von der Herznacher Hauptstrasse entfernt. Zwei Männer sind gerade dabei, eine Kiste voller Äpfel auf das Förderband zu kippen. Die Trester (feste Rückstände der ausgepressten Äpfel) wird auf den Boden geschüttelt und anschliessend in bereitstehende Fässer geschaufelt. Die getrockneten Apfelrückstände sind in den Wintermonaten eine willkommene Mahlzeit für Schafe. Ein Mann hält einen Becher des frisch gepressten, goldgelben Mostes hoch, nimmt einen grossen Schluck und nickt zufrieden. Dazwischen springt ein kleiner Bub einem davon rollenden Apfel hinterher, um ihn kurz darauf stolz seiner Grossmutter zu präsentieren. «Leg ihn da auf das Band», fordert diese den Kleinen auf.
«Wir laden die Leute immer auch ein, beim Pressen zuzuschauen. Viele helfen dann gleich mit», sagt Jan Bernet mit Blick auf die rege Betriebsamkeit rund um die Presse. Der Herznacher ist einer von fünf jungen Männern, die mit grosser Begeisterung seit einigen Jahren ein gemeinsames Hobby pflegen: die Cider-Herstellung. Jan Bernet, die Brüder Christian und Ueli Hasler, Pascal Senn sowie Oliver Käser kennen sich seit frühesten Kindheitstagen. Sie alle sind in Herznach aufgewachsen, hier auch zur Schule gegangen. Die zündende Idee hatten die Männer bei einem gemeinsamen Urlaub in Namibia. Dort gab es «einen herrlich erfrischenden Cider zu trinken.» Warum zuhause nicht selbst sein solches Getränk keltern und damit eine Alternative zum Bier schaffen? Eine Frage, die nicht lange nach Antwort suchen musste. Kaum zurück aus den Ferien begannen deshalb ein Polygraf, ein Maurer, ein Zimmermann, ein gelernter Elektromonteur und ein gelernter Landmaschinenmechaniker damit, sich in ihrer Freizeit ein umfassendes Knowhow um die Herstellung des gegorenen Mostes anzueignen.
Das entsprechende Know-How
Beim ortsansässigen Most-Fachmann Fritz Schmid konnten sie einen ersten Grundstock an theoretischem und praktischem Wissen abholen. «Er freute sich auch, damit ein schönes Handwerk und Hobby im Dorf weitergeben zu können.» Mit Silvia Herzog und Brau- und Rauchshop-Inhaber Schoggi hatten sie weitere Fachpersonen zur Seite. Sie unterstützen die Fünf mit Tipps und Tricks oder auch mit benötigten Materialien, wenn es darum geht, neue Ideen in die Tat umzusetzen.
Unterstützung bekommen die Cider-Produzenten zudem von Urs Gasser, Inhaber und Geschäftsführer des Ueker Weinbaubetriebes Fehr und Engeli. Wenn auch Cider oft mit Bier verglichen wird, so ist es doch letztlich doch etwas ganz anderes. Ein Apfelwein, welcher im Verarbeitungsprozess in vielem auch jenem der Traube ähnelt. Im Keller der Eltern der Brüder Hasler in Herznach haben die Fünf mittlerweile ein kleines Reich mit all den benötigten Gerätschaften, Tänken, Reinigungsanlagen, Abfüllvorrichtungen Fässern und vielem mehr eingerichtet. Doch bevor der Most geklärt, mit Hefe versetzt, mehrfach gefiltert, gegärt und Oechsle-Grade gemessen werden können, braucht es das Wichtigste überhaupt: die Äpfel. «Wir dürfen sie bei Herznacher Landwirten selber von den Bäumen pflücken», erklärt Bernet. Dabei könne besonders darauf geachtet werden, dass nur unversehrtes Obst (keine angefaulten oder wurmstichigen Früchte den Weg in die Mostpresse findet). Da heuer witterungsbedingt ein eher schlechtes Apfeljahr war, musste ein Teil des Obstes zugekauft werden. Nicht so vergangenes Jahr. Damals konnten die Herznacher aus den 13 Tonnen geernteten Äpfel 9000 Liter Süssmost pressen und diese anschliessend zu 6000 Liter Cider weiterverarbeiten. Der restliche Süssmost wurde– wie in jedem Jahr –pasteurisiert und als Erfrischungsgetränk ohne Alkohol verkauft. Ein grosses Anliegen des Teams ist es, einen Cider zu gewinnen, der ohne die Zugabe von Zucker oder sonstigen Süssungsmitteln den intensiven, natürlichen Apfelgeschmack beibehält. Deshalb haben sie sich für die aufwändigere Kaltvergärung für ihr Produkt entschieden. Das verlangt jeweils auch nach einer sehr hohen Hygiene, da der Cider sonst bei der kleinsten Verunreinigung wieder weitergären würde. Die Gärungszeit bei optimalen ca. 8 Grad dauert zwischen drei bis vier Wochen. Anschliessend wird die Gä- rung gestoppt und der Cider nochmals für ein bis zwei Monate in den Gärtänken gelagert, damit sich das Apfelaroma am Besten entfalten kann.
Sanfte Vermarktung
Da der Cider mittlerweile auch an diversen Festen grossen Anklang findet und auch von verschiedenen Geschäften, Restaurants und Bars geordert wird, wurde vor zirka vier Jahren mit einer sanften Vermarktung begonnen. Dazu brauchte es natürlich einen Name inklusive Logo. So ehrlich und unverfälscht der Cider daherkommt so «hinterhältig» ist wahrhaft der Name, welchen sich die fünf Freunde für ihr Produkt ausgesucht haben. «Backstabber heisst in etwa so viel wie ‹hinterhältiger Typ› und auch das Sujet, die Elster steht für diese Eigenschaft», schmunzelt Jan. Er macht damit auch auf ihre ersten Cider-Herstellungsversuche aufmerksam. Süffig waren diese zwar schon damals, aber mit rund 6 bis 8 Prozent Alkoholgehalt doch zu hoch und entsprechend in der Wirkung etwas fies. Heute entspricht der Alkoholgehalt eines Cider mit zirka 4,6 Prozent dem eines Bieres.
Durch die Teilnahme an verschiedenen Cider-Contests ist die Wand im Herznacher Cider-Keller mittlerweile auch schon von diversen Urkunden geschmückt. Ist es das Ziel, noch grösser und bekannter zu werden? Jan Bernet verneint. Sie haben einst im kleinen Rahmen begonnen, getüftelt, experimentiert und noch mehr ausprobiert. Das mit grosser Leidenschaft gepflegte Hobby vereint zwar, fordert den Männern neben Beruf und Familie aber auch sehr viel ab. Dazu kommt «Wir lernen ja auch jetzt noch jedes Mal etwas dazu.» Trotzdem oder gerade deshalb soll die heutige Überschaubarkeit so bleiben wie sie ist. Was nicht heisst, dass nicht auch Neues ausprobiert wird. So reift zurzeit in zwei kleineren Fässern ein Herznacher Quitten-Cider heran.