Frohnatur, Kämpferin und grösster Fan des TV Möhlin

  17.08.2020 Möhlin

«Tante Alice» feierte vor kurzem ihren 80. Geburtstag

Als grösster Fan des TV Möhlins hat Alice Mahrer in den letzten 55 Jahren kaum ein Spiel der ersten Mannschaft verpasst. Umso schlimmer waren für sie die vergangenen Monate, als sie «ihre Buben» nicht sehen konnte.

Janine Tschopp

«Ich habe heute Nacht ganz schlecht geschlafen», erklärt Alice Mahrer, als sie die NFZ in ihrer Wohnung in Möhlin empfängt. Sie habe Angst gehabt, dass sie sich beim Gespräch nicht mehr richtig an die Dinge, die sie erzählen wollte, erinnern könne.

Und dann fing sie an und nahm ihre Gesprächspartnerin mit auf eine Reise in die Vergangenheit. Alice Mahrers Leben begann vor 80 Jahren, am 4. August 1940 in Basel, als Jüngste von fünf Geschwistern. «Mit drei Jahren kam ich von zu Hause weg.» Sie erzählt, dass sie zuerst im Heim an der Missionsstrasse war, dann kam sie zu Pflegeeltern auf einen Bauernhof in Schöftland. Sie habe sehr viel helfen müssen. Im Stall und auf dem Feld war sie gerne, und die Tiere auf dem Bauernhof bedeuteten ihr viel. Später verliessen ihre Pflegeeltern den Hof, und die neuen Pächter sorgten eine Zeitlang für das Mädchen, bis es wieder ins Waisenhaus und von dort auf einen Gutsbetrieb nach Kaiserstuhl kam. Eine richtige Heimat hatte Alice während ihrer ganzen Kindheit und Jugend nicht. Trotzdem schlug sie sich durch und schaffte es, die Bäuerinnenschule und später ein Haushaltlehrjahr zu besuchen. «Ich hatte einen Vormund und wollte immer alles richtig machen», erzählt sie. «Als ich 20 war, kam er zu mir und übergab mir das Zepter.»

Dienstmädchen beim Braumeister
Durch einen Knecht auf dem Gut in Kaiserstuhl kam Alice zu einer Stelle als Dienstmädchen beim Braumeister Wüthrich in Rheinfelden.

Dann lernte sie zwei Menschen kennen, die ihr Leben stark prägen sollten. Der eine war Kurt Wirthlin, er war damals Chauffeur beim Feldschlösschen. Sie erzählt, dass sie durch ihn und seinen Sohn Guido zum TV Möhlin kam. Die zweite ganz wichtige Person war Edy Mahrer. Ihn lernte sie an der Möhliner Fasnacht 1962 kennen. «Sonst sagt man, an der Fasnacht klappt es nicht», sagt sie schmunzelnd. Bei Alice und Edy hat es geklappt und letzten Monat feierten sie ihren 55. Hochzeitstag.

Aera TV Möhlin
So lange, wie sie mit ihrem Mann verheiratet ist, ist Alice Mahrer auch mit «ihren Buben» vom TV Möhlin liiert. In den letzten 55 Jahren verfolgte sie praktisch jedes Spiel der ersten Mannschaft hautnah auf der Tribüne. Ob zu Hause oder auswärts spielt für sie keine Rolle. «Einmal, da spielten ‹meine Buben› gegen Stans und waren 14 Tore im Rückstand. Ich schrie immer noch ‹Hopp Möhli›, was das Zeug hielt. Da kam ein Fan der gegnerischen Mannschaft und gratulierte mir: Genau solche Fans brauche man, die einem auch dann Kraft geben, wenn man im Rückstand sei.» Dann lacht sie wieder und sagt: «Ich kann halt einfach mein ‹Schnörrli› nicht halten, auch wenn ich die Regeln nicht immer ganz genau kenne.»

In den letzten Jahrzehnten erlebte sie mit ihrem TV Möhlin sehr viel Schönes, aber auch Trauriges. «Traurig war immer, wenn wir jemanden verabschieden mussten.» Viel zu früh verabschieden musste die TV-Familie zum Beispiel auch Peter Weber. Sie zeigt eine Autogrammkarte von ihm, worauf «Tante Alice» geschrieben steht. «So ist es entstanden», erzählt sie. Wie viele Kinder und Jugendliche wollte auch sie eine Autogrammkarte des international erfolgreichen Sportlers. Aus Spass sei sie vor ihn gekniet und habe um eine Unterschrift gebeten. Da hat er «für Tante Alice» auf die Karte geschrieben. Seither trägt sie diesen Namen mit viel Stolz.

Eine Schwäche fürs Fliegen
Nach ihrer Tätigkeit beim Braumeister in Rheinfelden arbeitete Alice Mahrer bei der Strumpffabrik Chiarello in Rheinfelden und später (während 35 Jahren bis zu ihrer Pension 1998) bei der ursprünglichen Ciba in Stein.

Neben ihrem grössten Hobby «TV Möhlin» widmete sie sich in ihrer Freizeit gerne auch selber dem Turnen und Handballspielen. Und: «Während 26 Jahren half ich auf dem Flugplatzbüro in Schupfart.» Es machte ihr Spass, dass sie oftmals mitfliegen durfte. «Ich habe in den letzten Jahrzehnten wirklich alles bekommen, was mir in der Jugend entgangen war», strahlt sie. Auch in ganz schwierigen Zeiten, die sie während ihrer Jugend erlebte, verlor sie nie die Hoffnung, dass es weitergeht. «Es war immer eine Hand da, die mich führte», beschreibt sie.

Gegen Ende des Gesprächs sagt sie: «Jetzt bin ich richtig glücklich.» Ihre Angst, dass sie sich schlecht an die Begebenheiten erinnern könne, oder dass ihre Erzählungen nicht interessant sein könnten, ist schon lange verflogen.

Beim Zuhören wurde immer wieder deutlich, dass sie ein Lebemensch ist. Eine Frau, die früher auf vieles verzichten musste und heute einen grossen Teil ihrer Träume leben darf. Auch «dr Löli machen» habe ihr in der schweren Kindheit und Jugendzeit oftmals gefehlt.

Vor wenigen Tagen feierte Alice Mahrer ihren 80. Geburtstag. Richtig feiern konnte sie aufgrund der Corona-Situation noch nicht, aber ihre TV-Familie hat es sich nicht nehmen lassen, sie kurz zu treffen und ihr ein Geschenk zu überreichen. Ein weiteres grosses Geschenk ist, dass die Saison nach der Corona-Zwangspause bald wieder losgeht. Am 5. September ist es soweit, und sie darf «ihre Buben» endlich wieder anfeuern.


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