Zuhause, wo man sich wohlfühlt

  12.05.2021 Bözen

1978 wanderten Josef und Monika Arnold aus Bözen mit ihren fünf Kindern nach Kanada aus. Den Bezug zum Fricktal hat das Paar nie verloren. In einem persönlichen Bericht erzählt Josef Arnold vom Leben in der neuen Heimat. Er erinnert sich aber auch an seine erste Auswanderung von der Innerschweiz nach Bözen.

Josef Arnold

«Auswandern heisst nicht unbedingt Kontinente wechseln. Wegziehen aus der Innerschweiz als Ältestes von zwölf Kindern, fort von den von mir vertrauten Leuten und der Gegend, war für mich ebenso ergreifend wie später nach Kanada auszuwandern. Ob ins Fricktal oder nach Kanada, gab es kritische, angsteinflössende und aufmunternde, so oder so gutgemeinte Stimmen. Jedes Mal wurde der Entscheid aus Überzeugung und Gottvertrauen, in eine gute Zukunft zu gehen, gefällt. Agatha, eine Schwester von mir, erklärte sich bereit, mich bei meinem Vorhaben als Angestellte zu unterstützen. Im April 1967, 19- und 24-jährig, starteten wir freudig und zuversichtlich als Pächter auf dem Sörenhof in Bözen.

In Bözen gelandet, war für mich alles neu. Fernblick ohne Berge, dafür konnte ich Rebberge, Obstanlagen, Getreide- und Gemüsefelder in der Nähe bewundern. Was ich als Neuling nie vergesse, war das ‹Milchhüsli›. Wenn dort die Frauen in ihrem Dialekt eifrig diskutierten, konnte ich kein Wort verstehen. Nur an ihren Mienen ablesen, ob das Thema traurig oder lustig war. Beim Rückblick ins Fricktal wird mir bewusst, dass die Leute mit uns grosszügig waren und unsere Anerkennung verdienen.

Meine Schwester Agatha hat mich bei langen Arbeitstagen immer unterstützt und auch gemütliche Stunden haben wir in Bözen erlebt. Sie ist jetzt Frau Hort und lebt in Wittnau. Ein wichtiger Mensch für mich war auch Karl Amsler vom Eichhof, verstorben 2017. Ohne ihn hätte ich kaum eine landwirtschaftliche Schule besucht, welcher ich gute Kollegen, Wissen und Selbstvertrauen im Beruf zu verdanken habe. Dieser ‹Eich-Karli› hat mich und meinen Bruder bei Rektor Keller lange nach abgelaufener Anmeldefrist quasi eingeschmuggelt. Der Besuch der Landwirschaftsschule wurde mir durch meinen sieben Jahre jüngeren Bruder Dominik ermöglicht, der dann die Zeit während den beiden Winterschulen bei uns verbrachte. So waren wir zwei Schüler und zwei Arbeiter und somit in der Lage, die 15 bis 20 Kühe morgens und abends von Hand zu melken. Mit Vollgas ging es jeweils am Morgen in aller Früh in den Stall. Kaum fertig, ab unter die Dusche, dann frühstücken, um dann in Bözen noch zwei bereitstehende Schulkollegen mit dem Auto mitzunehmen. Meistens reichte es gerade noch, rechtzeitig zur Schule zu kommen. ‹Bözenexpress› wurden wir genannt. Während unserer Schulzeit erledigte Agatha allerhand Arbeiten. Sie besorgte zudem den Haushalt und verwöhnte uns mit gutem Essen.

Monika Gasser besuchte die Bäuerinnenschule im Kloster Fahr und arbeitete nachher bis zu unserer Hochzeit im Sommer 1969 im damaligen Haus der Mütter Schwarzenberg. Am 29. Juni 1977 wurde unsere Familie komplett mit unserem fünften Kind. Wir hatten jetzt ein Mädchen und vier Buben.

Unsere Pacht, der Sörenhof, war zum Verkauf ausgeschrieben. Da wir ja nicht Vieh und Fahrhabe verkaufen konnten, um eine Anzahlung zu leisten, entschlossen wir uns mit einem Agenten, das damals gepriesene Kanada eine Woche lang zu besuchen. In dieser Woche wurden uns zirka 20 Farmen angeboten. Wir entschieden und unterschrieben einen Vorkaufsvertrag für eine Farm. Nach der Zusage bemühten wir uns um das zwingend nötige Visum. Wir erhielten es kurz vor Weihnachten 1977.

Danach 1978, das Jahr mit ‹Soviel auf gut Glück›. Unsere Steigerung am 18. März, Auswanderung am 30. März, Neuanfang am 1. April in Danville in der kanadischen Provinz Québec, Kanada. Wir wurden nicht enttäuscht. Der Himmel hat es gut gemeint mit uns, wir waren jung, hatten Glück und gute Gesundheit.

Eine Schachtel voller Briefe
«Zum Staunen brachten uns die vielen, aufbewahrten Briefe, die wir seit 1978 hier in Kanada erhielten. Während all diesen Jahren legte Monika die eingegangenen Briefe nach zweibis dreimal lesen in eine Schachtel. Mit der Farmübergabe 2016 an unser Grosskind war Räumen angesagt. Bei diesem Räumen wurde die Schachtel mit den Briefen quasi in der Kategorie Andenken mitgezügelt. Nun, vier Jahre später, nehmen wir es altersbedingt etwas ruhiger.

Nach der Auswanderung 1978 bekamen wir längere Zeite viele Briefe. Nach und nach wurden es etwas weniger. Zeit und der ‹Gwunder› veranlassten uns zum Griff in die Schachtel mit einigen hundert Briefen. Unglaublich, wie uns das emotional in die Vergangenheit versetzte. Unvorstellbar, was da längst Vergessenes zum Vorschein kam. In den ersten Wochen, Monaten und Jahren nach unserer Auswanderung, als uns jeder Tag etwas Neues auf Lager hatte, traf der grösste Teil der Briefe bei uns ein. In dieser Zeit war Monika oft mit dem «Dictionary» neben mir. Bald aber schon half ein Kind als Übersetzer mit oder unterstützte uns beim Verhandeln. Vorsichtig, abtastend, gleichwohl nicht unvertraut mit seinen Gegenübern, lernte man einanderkennen. Auf diese Art kamen wir gut zurecht, auch mit gesetzlichen Bestimmungen, Klima und allem drum und dran.

Am Anfang machte mir die Sprache Bedenken, was aber auf einem Milchbetrieb nicht so ausschlaggebend war. Gefragt ist Qualität, der richtige Umgang mit Tieren und der Natur. Die Kanadier überraschten uns von Anfang an. Sie akzeptierten uns, standen uns hilfsbereit zur Seite. So dass wir in Kanada schon bald heimatliche Gefühle erlebten. Wie damals, als wir nach Bözen kamen und dieselbe wohltuende Art mit den Fricktalern erfahren konnten und sie heute noch schätzen.

Einige Jahre später, im Gespräch mit unseren kanadischen Nachbarn, stellte sich heraus, dass sie auf unsere Auswanderung mit fünf kleinen Kindern viele Fragezeichen setzten. Warum ist diese Familie weggezogen? Haben sie etwas auf dem Kerbholz, fehlte es ihnen an Freunden oder passte ihnen in der Heimat nichts mehr? Aus welchen Gründen auch immer, für unsere Nachbarn war es am Anfang unbegreiflich

Jeder erhaltene Brief ist doch etwas Schönes. Es kamen auch Briefe von Leuten, die wir kaum kannten. So erreichte uns auch in der ersten Woche in Kanada ein grosses flaches Paket mit einer mangelhafter Adresse. Gespannt haben wir es geöffnet und zum Vorschein kam eine Langspielplatte von der damals populärsten Volksmusikgruppe ‹Trio Eugster›. Auf dem Plattenumschlag stand gross geschrieben: ‹I dr Zytig hämers gläsä, Viel Glück›. Die Lieder hörten wir lange Zeit tagtäglich.

Im Hier und Heute
Wir freuen uns heute über 17 Grosskinder (11 in Kanada, 6 in der Schweiz) sowie 1 Urgrosskind hier in Kanada. Im Sommer 2019 feierten wir auf dem Sörenhof in Bözen unsere Goldene Hochzeit, umgeben von unseren Familien, Geschwistern und einigen Freunden. Die Messe wurde von Pfarrer Leo Stocker zelebriert und anschliessend verwöhnte uns Familie Amsler mit einem feinen Essen mit hofeigenen Produkten.»

Herzliche Grüsse ins Fricktal schicken Josef und Monika Arnold, seit 50 Jahren treue Abonnenten der NFZ


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