«Es ist okay, wenn die Leute fragen»

  20.10.2021 Persönlich

Über Gewicht, Muskeln und – im wahrsten Wortsinn – ausgewogene Lebensmittel

Giovanni Petosa, 55, aus Rheinfelden, möchte Schweizermeister im Natural Bodybuilding werden. Wir haben ein paar Fragen.

Ronny Wittenwiler

NFZ: Giovanni Petosa, ich hatte eine Quattro Stagioni zum Zmittag. Sie?
Giovanni Petosa:
Reis, Gemüse, Poulet, jeweils mit der Waage abgewogen. Ich muss wissen, wieviel Eiweiss, Kohlenhydrate, Fett und Salz ich meinem Körper zuführe. In der Wettkampfvorbereitung ist das wichtig.

Gönnen Sie sich auch mal eine süsse Versuchung?
Auf Süssigkeiten stehe ich weniger. Bin ich nicht in der Wettkampfvorbereitung, dann wäge ich aber nicht alles ganz genau ab und nehme es ein bisschen lockerer.

Wie lange sind Sie schon in der Vorbereitung?
Seit Januar. Je früher, desto besser. Der Fettabbau am Körper darf nicht zu schnell erfolgen. Gerade beim Natural Bodybuilding ist sonst das Risiko gross, dass man zu viel Muskulatur verliert. Radikales Vorgehen ist nie gut.

Warum Bodybuilding?
Primär wegen der Gesundheit. Durch die richtige Ernährung ist man selten krank. Man kräftigt zudem das Herz durch Ausdauertraining, trainiert die Beweglichkeit, es ist das ganze Paket: In einem guten Körper fühlt man sich wohl.

Aber dauernd gefragt zu werden, ob man auch verbotene Substanzen schluckt: Stinkt Ihnen das nicht?
Es ist okay, wenn die Leute fragen, wie man zu so einem Körper kommt. Klar heisst es schnell einmal: Der nimmt sicher etwas. Ich erkläre dann aber, dass ich seit fast vierzig Jahren trainiere. Man muss auch sehen: Beim Natural Bodybuilding sind die Möglichkeiten begrenzt. Wir können vielleicht einen Oberarm von 45 Zentimetern Umfang erreichen, das ist dann aber die Limite. Mehr geht nicht.

Wieviel haben dann «die anderen»?
Vielleicht sechzig Zentimeter. Da muss man aber mit Hormonen nachhelfen, über die natürlichen Grenzen hinaus.

Ich glaube, Bodybuilder bekommen oft ungefragt zu hören, dass man ihren Körper nicht schön findet. Niemand geht aber einfach so zu einem Übergewichtigen und sagt: «Du bist dick, das gefällt mir nicht.»
Bodybuilding heisst doch nichts anderes, als den «Körper formen». Wird es extrem, schreckt das manche ab. Jeder Mensch hat seine Meinung, die meisten aber respektieren, was ich tue. Klar, es gibt Ausnahmen – und dann habe ich noch Kollegen, die sagen: Was isst du jetzt wieder für einen Scheissdreck. Iss doch mal etwas richtiges. (lacht)

Sie machen einen gemütlichen Eindruck. Einer, der streng mit sich ist wie Sie, ist nicht automatisch humorlos?
Oh, nein, nein. Gar nicht. Übrigens: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade jene Menschen, die sich kritisch äussern und denen ich dann freundlich begegne, mich irgendwann um Rat beim Abnehmen bitten. Selbstverständlich helfe ich dann.

Ich bin 175 Zentimeter gross und habe 84 Kilo. Und Sie?
Ich bin etwa 174 Zentimeter gross und wiege ungefähr 81 Kilogramm.

Wir haben etwa dieselben Masse, aber nicht dieselbe Figur.
Ihr Fettanteil ist einfach ein bisschen höher als meiner. Daran kann man arbeiten.

Wie lange brauche ich, um so auszusehen wie Sie?
(Überlegt lange) 37 Jahre! So lange trainiere ich mittlerweile.

Ernährung und Training. Das Wissen darüber ist sein Werkzeug, mit dem er den Körper formt. Zwischen siebzehn und zwanzig Gramm an Kohlenhydraten stecken in einhundert Gramm Kartoffeln. In einhundert Gramm Haferflocken stecken so und so viele Kohlenhydrate. Dieselbe Expertise beim Reis. «Ich weiss das alles auswendig», meint Petosa, man staunt, und er sagt dann etwas, was einen dazu bringt, mal eben kurz den Blickwinkel auf die Dinge zu wechseln: «Ich habe nicht das Gefühl, auf Genuss verzichten zu müssen. Im Gegenteil. Wer derart sauber isst, hat mehr Genuss. In den Fertigprodukten mit all den Konservierungsmitteln und Farbstoffen, da schmeckt man das eigentliche Produkt nicht mehr richtig.»

Petosa schwärmt vom Geschmack einer Frucht, vom klaren Wasser und es wird Zeit für eine Frage an seine Frau Lucia. Seit 33 Jahren sind sie verheiratet. *

Sie haben sich damals Ihren Mann wegen seiner Muckis geangelt?
Lucia Petosa:
Er war ein Dickerchen, hatte ein Bäuchlein (lächelt). Wir harmonieren.

Aber seine Muskeln gefallen Ihnen schon auch?
In erster Linie macht er das für sich und ich finde: Leben und leben lassen. Aber, ja, ich finde seine Muskeln schön.

Wann waren Sie zuletzt mit ihm auswärts essen?
Im Dezember. Sowas gibt es in der Vorbereitungszeit für einen Wettkampf nicht. Aber das ist für mich keine Belastung. Ich gehe trotzdem auswärts essen, mit meinen Freundinnen, und ich weiss: Diese Phase geht wieder vorbei.
Giovanni Petosa: Ja! Vielleicht gehen wir gleich nach den Meisterschaften in unser Lieblingsrestaurant und essen eine schöne Pizza.

Letze Frage: Kennen Sie jemanden, der stärker ist als Sie?
Jede Menge! Wir Bodybuilder sehen zwar muskulös aus, aber andere, etwa Gewichtheber, trainieren viel gezielter den Faktor Kraft. Und dann ist da noch meine Frau. Sie unterstützt mich enorm, zeigt viel Verständnis, auf sie kann ich mich absolut verlassen. Ich habe eine starke Frau an meiner Seite.

Giovanni Petosa nimmt am 30. Oktober in Unterägeri an den Schweizermeisterschaften im «Natural Bodybuilding» teil. In seiner Kategorie Master (Ü40) tritt er auch gegen wesentlich jüngere Konkurrenten an. Sein Ziel ist dennoch der Titel. «Ich will zeigen, was man mit Disziplin erreichen kann.» Die Meisterschaften organisiert die «Swiss Natural Bodybuilding and Fitness Federation» (SNBF). Die SNBF als Verband führt unangekündigte Dopingkontrollen durch und orientiert sich an der offiziellen Dopingliste der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Wer bei der Einnahme verbotener Substanzen erwischt wird, wird für sieben Jahre gesperrt. Petosa betreibt in Möhlin das «Athletik 2000», ein Studio für Bodybuilding und Fitness. (rw)

www.snbf.ch


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