Von Hamlet bis Comedy
30.01.2023 HerznachRoutine sei schwieriger als Lampenfieber, sagt der 35-jährige Rafael Luca Oliveira. Nach der 30. Aufführung desselben Stückes werde das Spielen zum Handwerk. Der Baselbieter feiert heuer das 10-Jahr-Jubiläum als Schauspieler und verfügt über ein breites Repertoire an Rollen.
Karin Pfister
«Auf der Bühne kreiere ich Emotionen beim Zuschauer, muss diese aber im Moment nicht selber fühlen», sagt Rafael Luca Oliveira. «Als Schauspieler mache ich Gefühle sichtbar. Wenn ich Trauer spiele und einfach nur Tränen fliessen lasse, hat der Zuschauer das Bedürfnis mich zu trösten, darum geht es aber nicht. Der Zuschauer soll die Trauer fühlen, die ich zeige». So erklärt Schauspieler Rafael Luca Oliveira sein Handwerk. «Das gilt übrigens auch fürs Lachen», fügt er an. Schauspieler sei ein emotionaler Beruf, wobei die Bandbreite gross sei. Einige Schauspieler arbeiten mehr technisch, andere wie er finden den Zugang zu den Rollen hauptsächlich auch über die eigenen Gefühle.
Rafael Luca Oliveira – sein Vater stammt ursprünglich aus Spanien – ist im Baselbiet, in Zunzgen und Rothenf luh aufgewachsen. Seine Schweizer Mutter sei begeisterte Hobby-Sängerin, sein Vater – ein Gärtner – male gerne. Nach der Schule hat Rafael Luca Oliveira das KV absolviert. Schon mit 15 hat er beim Laientheater in Rothenf luh mitgespielt; Anfang 20 folgte der Entscheid, eine professionelle Schauspielkarriere anzustreben. Er bestand die Aufnahmeprüfung für verschiedene Schauspielschulen, unter anderem in Köln, entschied sich dann aber für die European Film Actor School in Zürich, die er 2013 erfolgreich abschloss.
Das Ziel war der Film
Als Schauspieler brauche man eine stabile Persönlichkeit; man müsse wissen, wer man sei. «Auch wenn die Figuren auf der Bühne erfunden sind, ist doch immer viel persönliches dabei.» Manchmal seien die Emotionen einfach zu kreieren: «In einem Monolog über den ersten Kuss meiner Figur habe ich an den ersten Kuss mit meiner Frau gedacht.» Andere Gefühle seien schwieriger zum Herleiten, wenn man diese selbst nicht kenne oder spüre. «Als Hamlet habe ich mir vor jedem Auftritt vorgestellt, wie ich vor dem Grab meines eigenen Vaters stehe, obwohl er noch lebt. Hingegen sollte man sich beispielsweise kurz nach dem Verlust eines geliebten Menschen, solange nicht von diesem Gefühl leiten lassen, bis man den persönlichen Schmerz verarbeitet hat. Man sagt, sieben Jahre sei die Faustregel.»
Obwohl das Ziel eher der Film war, arbeitet er heute mehrheitlich fürs Theater. Das habe sich so ergeben, meint Oliveira. Nebst klassischen Rollen wie Romeo oder Hamlet tritt Oliveira vor allem im Bereich der Unterhaltung auf. Der Einstieg in die Schauspielerei gelang Oliveira nach Abschluss der Ausbildung schnell. Am Anfang habe er noch 50 Prozent im Büro gearbeitet, aber bald seien die Engagements in der Schweiz und Deutschland so zahlreich geworden, dass er seinen Erstberuf aufgab. Seit 2016 ist er zu 100 Prozent als Schauspieler tätig. Als Corona kam, sei er gerade in einem Karriereschub gewesen. «Von einem auf den andern Tag ist alles weggebrochen und abgesagt worden», erinnert er sich. Die Unsicherheit und auch die schwierige Bürokratie im Bezug auf Coronagelder seien belastend gewesen. «Ich bin Familienvater und habe mich dann schnell entschlossen, wieder einen KV-Job zu suchen.» So war Rafael Luca Oliveira während Corona rund ein Jahr lang als Sachbearbeiter bei der Arbeitslosenkasse tätig. «Die klaren Strukturen eines geregelten Arbeitslebens haben schon auch ihre Vorteile.»
Autor und Regisseur
Seit A nfang dieses Jahres ist Oliveira wieder zu 100 Prozent in seinem Lieblingsberuf tätig. Momentan plant er zusammen mit seiner Frau Ekaterina, welche Projektmanagerin ist, das «Theater im Schloss» (theater-im-schloss.ch). «Seit unserer Heirat im Schloss Waldegg hat uns die Idee in einem Schloss Stücke aufzuführen beschäftigt.» Momentan suchen die beiden nach einem passenden Objekt, wo während zwei Monaten fast täglich Vorstellungen stattfinden sollen. Gespielt werden ein klassisches Stück, eine Komödie und ein Kindermärchen.
Seit rund zwei Jahren wohnt Rafael Luca Oliveira zusammen mit seiner Frau Ekaterina, der 13-jährigen Annabelle und dem sieben Monate alten Leo in Herznach. «Wir wollten in der Region Basel bleiben und das Haus in Herznach hat uns gleich sehr gefallen.» Das Wohnhaus mit seinen romantischen Säulen rund herum sieht ein bisschen aus wie eine Kulisse und wird auch bald eine sein. «Im März werden wir hier einen Kurzfilm drehen», erzählt Rafael Luca Oliveira. Er wird nicht selber spielen, sondern ist Autor und Regisseur. Thema des Films ist die Einsamkeit eines Mannes nach dem Verlust der Lebenspartnerin. Der Film werde von der dargebotenen Hand unterstützt und an Festivals gezeigt.
Der gefühlsbetonte Beruf des Schauspielers habe ihn noch emotio-naler gemacht als er von Natur aus schon sei, sagt Oliveira. «Ich gehe sehr offen durch den Alltag und versuche, meine eigenen Empfindungen und die meiner Mitmenschen stets wahrzunehmen.» Auf der Bühne komme es vor, dass das Publikum ganz ruhig sei und man das Gefühl habe, es laufe nicht richtig. «Und dann kommen lauter positive Rückmeldungen wie schön es gewesen sei.» Rafael Luca Oliveira ist noch bis zum 2. April im Stück «Pippi Langstrumpf im Taka Tuka Land» im Theater am Hechtplatz in Zürich als Polizist und Pirat zu sehen.