«Peng, fertig. So war das»

  07.10.2022 Möhlin

Er wollte eigentlich nicht, und sie hat ja gesagt. So kam es doch noch zu diesem Treffen. Über zwei, die man sonst erfinden müsste: Rita und Ernst Vasellari.

Ronny Wittenwiler

Es ist Montag. Und er gar nicht begeistert. Ein Gespräch, wozu genau? Im Hause Vasellari redet aber auch die Frau ein Wörtchen mit, darum: Morgen, 9.15 Uhr, das passt, komm einfach vorbei.

Es ist Dienstag.
Ein Geruch von Motorenöl liegt in der Luft. Vorbei an der Autohebebühne und hoch die Treppe, sitzt die Belegschaft beieinander um einen Tisch, wie beim Erntedankfest, nur ohne Predigt: Salami, Zopf, Brot, Gebäck, Kaffee, Tee. «Das machen wir immer so», wird Rita Vasellari später sagen, «um 9 Uhr hocken wir mit unseren Mitarbeitern zusammen, essen, diskutieren. Das kittet.» Am Tisch sitzt heute auch Peter, ein guter Freund. Er wird gegen Ende darum bitten, ob auch er etwas sagen dürfe über Rita und Ernst Vasellari. Es wird bemerkenswert.

Ein Foto, auch das noch?
Kaum einer sträubt sich schöner gegen solche Wünsche als Ernst Vasellari, fast gibt’s hier also doch noch eine Predigt beim Lappe, seine Frau lacht laut; zu behaupten, in diesem Meler Traditionsbetrieb mit durchaus rauen Tönen wäre ausgerechnet sie über all die Jahre ohne Gehör geblieben, es wäre eine glatte Lüge. Rita und Ernst Vasellari, zwei, die man – gäbe es sie nicht – erfinden müsste.

Beide sind sie Teil einer Firmenhistorie, die vor 77 Jahren begann (siehe Kasten). Heute ist mit ihrem Sohn Markus Vasellari bereits die dritte Generation am Steuer der Autogarage, die Zeit, sie ist nicht stehengeblieben; doch vermengt sich hier Tradition mit Moderne in einer Art und Weise, wie wohl nur noch bei wenigen Möhliner Betrieben. Ernst Vasellari kommt ins Reden.

Er erzählt davon, wie es war, vor über vierzig Jahren an einer Möga teilzunehmen; damals noch im Fuchsrain, mit einem Auto, vielleicht einem zweiten. Er erzählt davon, auch das geschah an einer Möga, wie ihnen plötzlich einer zwei Autos an einem einzigen Tag abkaufte. Generation Handschlag. Rita Vasellari schüttelt ungläubig den Kopf: «Da ist einfach einer gekommen und hat gesagt, für seine Frau müsse er einen kleinen haben, er wolle den grossen. Peng, fertig. So war das!»

Zuhören könnte man den beiden stundenlang, doch warum nur? Ist es die Sehnsucht nach alten Geschichten? Oder ist es die Art und Weise, wie sie diese Geschichten erzählen? Vielleicht ist es beides: «Früher hast du für die Kunden noch an jede Ausstellung Prospekte und Preislisten mitgeschleikt. Heute schaut jeder alles zuerst selber im Internet nach. Gopferdelli hindere, da musst du aufpassen, dass nicht du am Ende einen Seich erzählst.»

Nein, bestimmt war damals nicht alles besser. Sagt auch Rita Vasellari; «anders sei es gewesen». Und doch, da ist diese Werkstattromantik, wenn hier zwei Vasellaris vom alten Schlag ins Schwelgen kommen. «Hast du ein Auto verkauft, bist du mit diesen Leuten noch gemütlich zusammengesessen. Hast du einen Traktor verkauft, dann hast du den auf dem Bauernhof vorbeigebracht; das war jedes Mal ein Gelage. Heute ist all das nicht mehr so.»

Jeden Morgen um 6.30 Uhr putzt sie das Büro
«Man hilft einander, das ist doch ganz normal.» Autos holen, Autos vorführen. Für sie kein Problem. Einen Kaffee, vielleicht einen zweiten, dann ist er richtig wach – um 5 Uhr, manchmal etwas früher. Ferien? Sowas habe er die letzten fünfzig Jahre nie gebraucht und müsse er auch jetzt nicht haben («das isch mir doch glich»). Sie ist 69, er 75, und sie, Rita Vasellari, sagt jetzt, und sie sagt das in einem zufriedenen Ton: «All das hier ist und war doch schon immer unser Leben.» Und so werden die beiden auch an der Möga 2022 mit der Vasellari AG anzutreffen sein. Ohne fixen Einsatzplan, wohlverstanden. «Wir sind mittlerweile freie Mitarbeiter», sagt Ernst Vasellari und lacht: «Ich muss schauen, ob ich noch in den Tschopen passe.» Die restliche Belegschaft ist wieder an der Arbeit. Noch am Tisch sitzt Peter, ein Kollege aus derselben Branche, Raum Aarau, er sagt, was so gar nicht vorgesehen war: «Als ich vor 22 Jahren das erste Mal hier in Möhlin bei Rita und Ernst reingelaufen bin, konnte ich nicht wissen, dass sich das alles so entwickelt. Man hat sich nie als Konkurrenten gesehen und sich bei Fragen und Problemen stets untereinander ausgetauscht. Dieses Ausmass an Hilfsbereitschaft habe ich in all den Jahren sonst nirgends erlebt, das hier ist für mich einmalig.» Einen kurzen Moment herrscht Stille. «Neid ist doch das Schlimmste. Dass einer denkt, er hätte auch nur einen Fünfliber weniger als der andere.» Wenn Rita Vasellari Dinge wie diese sagt, wirkt sie ernst, fast erschüttert, da vergeht auch ihr das Lachen – bis es bald wieder zurückzukehrt. Genauso wie am Anfang dieser Geschichte über zwei waschechte Meler Gewerbler vom guten, alten Schlag.

Es ist Dienstag.
Ein Geruch von Motorenöl liegt in der Luft. Vorbei an der Autohebebühne und hoch die Treppe, sitzen sie alle beieinander um einen Tisch. Znünipause beim Lappe. Und weil jetzt da einer von der Zeitung kommt und mit den Vasellaris reden will, obschon der Ernst sowas doch eigentlich gar nicht braucht, muss er sich den einen oder anderen Spruch anhören. In seiner ihm typischen Art sagt er: «Alli en Egge ab. Nur ich nicht. Ich bin der einzige Normale hier an diesem Tisch. Wird das Gespräch eigentlich schon aufgezeichnet?»

Alle lachen. Das kittet. Und diese Geschichte hier? Peng. Fertig.


77 Jahre Tradition: ein kurzer Überblick

Den Grundstein der heutigen Firma legte Ernst Vasellari Senior. Er gründete das Unternehmen 1945, gleich nach Ende des zweiten Weltkrieges. Als mechanische Werkstatt zählten vor allem die vielen Bauern mit ihren verschiedenen Landwirtschaftswagen und Geräten zu seinen Kunden. Nachdem 1976 die Bührer Traktorenfabrik in Hinwil ihre Produktion einstellte, wurde im selben Jahr mit dem Verkauf von John Deere Traktoren begonnen.

1979 gründeten die beiden Söhne Ernst und Walter die heutige Vasellari AG. Die Firma verkauft seit 1981 die Automarke Nissan und fungiert als Händler. Ausserdem vertreibt das Unternehmen Motoren unter anderem für Gartengeräte, Reinigungsgeräte, Baumaschinen, industrielle Anwendungen sowie Schiffsmotoren.

Ende 2014 trat Walter Vasellari nach 55-jähriger Geschäftstätigkeit in den Ruhestand. Anfang 2015 trat mit Markus Vasellari die dritte Generation in die Firma ein und er fungiert seither zusammen mit seinem Vater Ernst als Geschäftsleiter. (nfz)

 


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote