Wenn Jugendliche nicht reden wollen, scheitern auch Fachleute

  30.09.2022 Herznach

Junge Erwachsene, die den Weg aus der Krise gefunden haben, können im Bereich Sucht-Prävention und -Intervention oft mehr ausrichten als die einfühlsamsten Sozialarbeitenden. Zu dieser Erkenntnis kamen die Teilnehmenden an der vierten Netzwerk-Veranstaltung Kindesschutz im Bezirk Laufenburg am Mittwochnachmittag.

Simone Rufli

«Kiffen, gamen, saufen», unter diesem Titel versammelte sich eine stattliche Anzahl Personen aus Schulleitungen, Lehrberufen, Schulsozialarbeit, schulischer Heilpädagogik, Gemeinderäten und Beratungsstellen im Gemeindesaal von Herznach. Einerseits um Fachreferate anzuhören, vor allem aber um Erfahrungen im Umgang mit suchtgefährdeten oder süchtigen Kindern und Jugendlichen auszutauschen.

Dabei wurde deutlich, dass viele Fachkräfte mit ihren Hilfsangeboten ins Leere laufen, in dem Moment, wo Kinder ins Jugendalter kommen. Das Nicht-reden-wollen mit Erwachsenen, die Bedeutung der Gleichaltrigen-Gruppe, Probleme im familiären Umfeld, die Flut an Informationen im Internet, die vielen Entscheidungen, die es auf dem Weg ins Erwachsenenleben zu treffen gelte, Überforderung und Leistungsdruck, das Ablösen vom Elternhaus – das alles begünstige Suchtverhalten. Das könne sich in intensivem Shoppen oder Essstörungen manifestieren, aber auch in Form von übermässiger Gewalt, regelmässigem Kiffen oder der Konsumation von harten Drogen. Probleme, mit denen vor allem die Schule konfrontiert ist.

Organisiert wurde der Anlass von Marion Dambach, Standortleiterin Schulpsychologischer Dienst (SPD) Aussenstelle Frick, Katharina Hundeck-Boudali, Stellvertretende Stellenleiterin Schulsozialdienst Bezirk Rheinfelden und Sandra Wey, Stellenleiterin Jugend- und Familienberatung Bezirk Laufenburg. Aus dem Alltag der Suchtprävention Aargau berichtete Nicole Häuptli und Jürg Kehrli bot Einblicke in die Arbeit der Suchtberatung. Im Zentrum des Interesses aber standen zwei junge Menschen mit Suchtvergangenheit: Marc Jäggi und Patricia Birkenmeier von der Jugendorganisation eifach-mache. Die Teammitglieder trennen jeweils nur wenige Jahre von den Jugendlichen, so dass die Gespräche, Workshops an Schulen und Events unter Ebenbürtigen (von Peer-to-Peer) stattfinden. Geholfen wird bei grossen Entscheidungen und ganz generell auf dem Weg der Selbstfindung.

Rat bei Gleichaltrigen
Weder Jäggi noch Birkenmeier gelangten mit ihren Problemen als Teenager an die Schulsozialarbeit. Beide suchten Rat bei Gleichaltrigen. Sie sind der Überzeugung: «Wenn man Jugendliche erreichen will, muss man ihnen in ihren Lebenswelten begegnen, heutzutage idealerweise auf TikTok», so Patricia Birkenmeier. Was früher in Peer-Gruppen im realen Leben stattgefunden habe, verlagere sich immer mehr ins Internet auf Instagram, zu Influencern und auf TikTok. Und zu den Möglichkeiten der Schule, meinte Marc Jäggi: «Es müssen Leute vor die Klassen treten, die die Sucht erlebt haben. Mit ihnen können sich Jugendliche identifizieren.» Manchmal seien Jugendliche aber auch erst offen für Änderungen, wenn es richtig geknallt habe und sie ganz unten angekommen seien.

«Mir hat ein radikaler Wechsel des Umfelds geholfen, manchen hilft Sport, wieder anderen die Übernahme von Verantwortung.» Wege gebe es viele. Der Gang zur Schulsozialarbeit sei vor zehn Jahren noch mit der Gefahr von Ausgrenzung und Mobbing verbunden gewesen, stellten die beiden jungen Leute fest. Das sei heute nicht mehr der Fall, betonten Schulsozialarbeiter, sie gehörten vielerorts ganz selbstverständlich dazu. Auch von der Schwierigkeit, an Gemeindeversammlungen Geld für Projekte im Bereich Schulsozialarbeit bewilligt zu bekommen, wurde gesprochen. Wie es gelinge, die Jungen an die Gemeindeversammlung zu bekommen, sei eine weitere Frage.

Unterstützung für Jugendliche unter: www.eifach-mache.ch


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