Die Zukunft der AHV

  08.09.2022 Abstimmungen

Am 25. September entscheiden die Stimmberechtigten über die Reform

Pro

Die AHV standhaft machen

Die AHV ist unser wichtigstes Sozialwerk in der Schweiz. Damit dies so bleibt, müssen wir die AHV standhaft machen. Die Anzahl der Personen, welche eine AHV-Rente beziehen, nimmt schneller zu als die Anzahl der arbeitenden Bevölkerung. Zudem steigt die Lebenserwartung der Menschen. Dies führt zu einem logischen Problem: Es gibt immer mehr Rentner im Vergleich zu den Erwerbstätigen. Es gibt nichts abzustreiten, der AHV geht das Geld aus. Bis im Jahr 2030 besteht eine Finanzierungslücke von bis zu 26 Milliarden Franken. Dem muss entgegengewirkt werden. Denn wer ein Leben lang gearbeitet hat, hat Anrecht auf eine sichere und gerechte Rente. Nichtdestotrotz sind in den vergangenen Jahren alle Bemühungen, die AHV zu sanieren, gescheitert. Die letzte Reform fand 1997 statt – vor einem Vierteljahrhundert. Deshalb gehört die Reform der AHV zu den dringendsten Aufgaben unserer Zeit.

Es liegt nun an uns Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, jetzt die Verantwortung wahrzunehmen und im Sinne der Generationensolidarität zur vorgeschlagenen Reform «AHV 21» ja zu sagen. Das Parlament hat eine faire Lösung gefunden, welche die Renten stabilisiert, das Leistungsniveau der AHV erhält und gerecht ist. Alle sollen bei dieser Reform einen Beitrag leisten, niemand soll jedoch übermässig belastet werden.

Dazu soll das Rentenalter der Frauen analog zu jenem der Männer auf 65 Jahre angehoben werden. Als Ausgleichsmassnahme für die Erhöhung des Rentenalters ist während einer Übergangszeit von neun Jahren ein fairer lebenslanger Rentenzuschlag vorgesehen. Dabei gilt: Je tiefer das Einkommen, desto höher der Rentenzuschlag. Für Personen mit tiefen Einkommen stellt dies sogar eine Verbesserung im Vergleich zur heutigen Situation dar.

Der Rentenzuschlag unterliegt nicht der Rentenplafonierung für verheiratete Frauen. Das heisst, dass er zusätzlich ausbezahlt wird. Auch für die Berechnung von Ergänzungsleistungen wird der Zuschlag nicht angerechnet, damit gerade Frauen mit tiefen Einkommen bessergestellt werden.

Ein Vorteil ist der neue flexible Rentenbezug ab dem Alter 63. Wer hingegen über den 65. Geburtstag hinaus arbeitet, erhält eine höhere Teil- oder Vollrente. So können Beitragslücken verringert oder geschlossen werden.

Zur Sicherung der AHV-Renten sind zusätzliche finanzielle Mittel notwendig. Diese sollen mit einer Mehrwertsteuererhöhung des Normalsatzes um 0,4 Prozentpunkte generiert werden. Damit wird die Reform solidarisch von der gesamten Gesellschaft getragen.

Die Behauptung der Abstimmungsgegner, dass es mit der AHV-Reform eine Rentenlücke für Frauen gebe, ist falsch. Die Renten der Frauen und der Männer sind in der AHV gleichhoch. Eine systematische Benachteiligung der Frauen im Zusammenhang mit der AHV-Reform stimmt absolut nicht. Es ist so, dass die Männer 2/3 der AHV-Mittel einzahlen, während sie weniger lang AHV-Renten beziehen als Frauen.

Wird die Reform abgelehnt, sind unsere Renten nicht mehr gesichert. Konkret würde dies bedeuten, entweder die AHV über die Steuern zu finanzieren, was eine Steuererhöhung bedeuten würde oder das Leistungsniveau der AHV müsste gesenkt werden. In beiden Fällen hätten die Bevölkerung am Ende weniger Geld zur Verfügung.

Heute auf dem Rücken der Rentner von morgen zu leben, darf nicht sein. Deshalb nehmen wir unsere Verantwortung wahr und sagen ja zur AHV 21 und ja zur Zusatzfinanzierung mit einer Mehrwertsteuererhöhung. Dies zur Sicherung der Renten, zur Erhaltung des AHV-Leistungsniveaus und damit die Schwächsten in unserer Gesellschaft im Vergleich zu heute bessergestellt werden.


Contra

Ungerechte und unsoziale AHV-Vorlagen

Am 31. August war ein bemerkenswerter Tag: An diesem Datum wurden in der Schweiz an die Männer bereits gleich viel Rente ausbezahlt, wie für die Frauen im ganzen Jahr. Noch immer erhalten Frauen nämlich nach der Pensionierung rund ein Drittel weniger Geld als Männer. Dies ist nicht die Schuld der AHV, sondern vor allem ein Problem der zweiten («Pensionskasse») und dritten Säule. Einerseits weil Frauen häufig im Tieflohnsektor und Teilzeit arbeiten und deshalb unter das Minimum der Pensionskasse fallen. Andererseits auch, weil sie immer noch öfter als Männer Kinder betreuen und deshalb längere Zeit nicht erwerbstätig sind. Dies führt zu Lücken in der Vorsorge (auch in der dritten Säule) und zur oben erwähnten massiven Ungleichbehandlung.

AHV-Reform zulasten der Frauen
Vor diesem Hintergrund soll die AHV nun ausgerechnet zulasten der Frauen reformiert werden. Sie sollen künftig ein Jahr länger arbeiten. Die dabei vorgesehenen Ausgleichsmassnahmen für gerade mal neun Jahrgänge sind – anders kann man dies nicht bezeichnen – kleinlich. Ja, es läuft derzeit auch eine Reform zur zweiten Säule. Aber erstens wurde diese vom bürgerlich dominierten Ständerat bis nach der AHV-Abstimmung hinausgezögert: Was dann noch abgeändert werden wird, ist unbekannt. Und zweitens würde es auch mit dieser Reform noch sehr lange dauern, bis Frauen punkto Renten auch nur einigermassen gleichgestellt wären. Denn bei der Pensionskasse sparen bekanntlich alle für sich selber. Frauen, die schon länger im Erwerbsleben stehen, würden also nicht profitieren. Kein Wunder lehnt eine grosse Mehrheit der Frauen gemäss Umfragen zu Recht die AHV-Reform ab. Gleiches Rentenalter für Mann und Frau kommt für mich erst in Frage, wenn diese Ungleichheiten beseitigt sind.

Unsoziale Mehrwertsteuer
Gekoppelt mit der AHV-Reform ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (MwSt). Im Gegensatz zu den Lohnprozenten, mit denen die AHV hauptsächlich finanziert wird, ist diese Steuer äusserst unsozial. Egal, ob Topverdiener oder Mindestlohnempfängerin: Beim Kauf von Alltagsgütern zahlen alle gleich viel MwSt. In Zeiten von steigenden Preisen und Krankenkassenprämien wird dies arme Haushalte zusätzlich belasten. Leider waren sozialverträglichere Vorschläge chancenlos, wie z. B. eine nationale Erbschaftssteuer für grosse Vermögen oder eine zusätzliche Finanzierung der AHV durch die Gewinne der Nationalbank.

Unnötige Panikmache
Unbestritten: Die AHV ist das wichtigste Sozialwerk der Schweiz und darf nicht in Schieflage geraten. Aber in den vergangenen Jahrzehnten wurde sie ständig schlechtgeredet. Die Prognosen des Bundes zielten weit daneben, wie eine Zusammenstellung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) zeigt. 1995 wurde für 2020 ein Defizit von 8,3 Milliarden Franken vorhergesagt. 2005 wurde diese Prognose auf 6,8 Milliarden korrigiert und 2014 war noch von 700 Millionen die Rede. In der Tat erzielte die AHV im Jahr 2020 einen Gewinn von 1,9 Milliarden. Zwar steigt die Zahl der Rentnerinnen und Rentner pro Erwerbstätige immer mehr, aber das ist nicht relevant. Wichtiger ist die in der Schweiz ausbezahlte Lohnsumme und diese ist dank der erhöhten Produktivität stetig gestiegen. Die Panikmache dient vor allem dazu, die Leute zu Einzahlungen in die zweite und dritte Säule zu bewegen, was der Finanzindustrie zugutekommt.

Fazit: 2 x Nein zu diesen Vorlagen. Sie sind ungerecht und unsozial. Sollte die AHV dereinst tatsächlich in Schieflage geraten, gibt es bessere Wege, um sie wieder ins Lot zu bringen.


Eine Reform, zwei Vorlagen

Am 25. September stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über die Reform der AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung) ab. Diese Reform besteht aus zwei Vorlagen: AHV 21 und Zusatzfinanzierung durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die beiden Vorlagen sind miteinander verknüpft; wenn eine der beiden abgelehnt wird, scheitert die ganze Reform. Neu soll ein einheitliches Rentenalter von 65 Jahren für Frauen und Männer gelten. Das Rentenalter der Frauen wird schrittweise von 64 auf 65 erhöht. Diese Erhöhung wird mit Ausgleichsmassnahmen abgefedert: Tritt die Reform wie geplant im Jahr 2024 in Kraft, werden sich Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969 zu besseren Bedingungen vorzeitig pensionieren lassen können oder einen Zuschlag auf ihren AHV-Renten erhalten, wenn sie bis 65 arbeiten. Zusätzliche Einnahmen soll die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der AHV bringen: Der reduzierte Steuersatz wird von 2,5 auf 2,6 Prozent erhöht, der Normalsatz von 7,7 auf 8,1 Prozent. (nfz)


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