Barockmusik im «Weissen Rössl»

  28.09.2022 Musik, Rheinfelden

Anlässlich ihrer CD-Taufe besuchte das Rheinfelder Barockorchester Capriccio das «Weisse Rössl». Am Freitag hiess es Fortepiano im temporären Gasthof im Rheinfelder Bahnhofsaal. Barockmusik inmitten der Kulissen der wohl berühmtesten Operette? Ja, Gegensätze ziehen sich an, und dieser Umstand machte das Ganze umso spannender.

Birgit Schlegel

Ein ungewohnter Anblick bot sich dem Publikum beim ersten Saisonkonzert des Barockorchesters Capriccio. Grün eingepackt ist der ansonsten hölzerne Bühnenboden und Treppenaufgang, in weisser Farbe gehalten sind auf der Bühne Gebäudefronten mit Wendeltreppen und Balkonen platziert. Dazwischen stehen die Notenpulte für die Musiker und Musikerinnen bereit, zentral platziert das wichtigste Instrument des Abends: das Hammerklavier. Unverkennbar, da haben sich zwei Kulturinstitutionen gefunden, deren Stile auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten. Denn die Fricktaler Bühne steckt mitten in den Vorbereitungen für ihre diesjährige Produktion, nimmt seit Wochen den gesamten Raum in Beschlag und «blockiert» ihn somit für andere Veranstaltungen. Kein Hinderungsgrund für das in Rheinfelden ansässige Barockensemble Capriccio, um die Eröffnung der neuen Konzertsaison und zugleich auch die Taufe seiner brandneuen CD zu feiern.

Cembalo oder Klavier?
Sehr zerbrechlich wirkte das Hammerklavier vor den beeindruckenden Kulissenbauten aus Eisenträgern. Und doch mag mancher Zuhörer überrascht gewesen sein ob der eindrücklichen Klangfülle, welche der preisgekrönte Pianist Yorck Kronenberg ihm entlocken konnte. Gleich zwei Werke für Klavier und Orchester standen auf dem Programm. In Giovanni Battista Martinis Klavierkonzert in G-Dur verlieh Kronenberg dem Tasteninstrument ein Spiel, welches wegen Martinis barocker Kompositionsweise noch stark an ein Cembalo erinnerte. Perlend die Läufe, äusserst durchsichtig die Arpeggien und Tonleitern, mit unzähligen im Barock üblichen Trillern und Verzierungen angereichert, generalbassähnlich in den Tutti. Wie leicht Kronenbergs Finger über die schmalen Tasten flogen, wie nahezu ohne Gewicht die linke Hand der einfachen Basslinie folgte! Das Capriccio begleitete den Solisten schlicht und unspektakulär und half ihm damit zu einer leichten und f liessenden Gestaltung. Eine schöne Geste des Konzertmeisters an einen seiner Ensemblemitspieler, überliess er doch den in der Violine solistisch geführten 2. Satz seinem Kollegen Christoph Rudolf, welcher mit schlankem Klang und nahezu ohne Vibrato das Zwiegespräch zwischen Klavier und Solovioline anführte. Hat sich Martini in seiner eher einfach gehaltenen Komposition noch sehr am Cembalo orientiert, ist Wolfgang Amadeus Mozarts Faszination für das damalige neu entwickelte Hammerklavier in seinen Klavierkonzerten deutlich zu hören. Denn im Gegensatz zur gezupften Saite des Cembalos eröffnete die neue Anschlagstechnik eine Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten. Dynamik war das Zauberwort. Mit kleinen Lederhämmerchen wurde fortan die Saite angeschlagen und ermöglichte dadurch – je nach Stärke des Tastendrucks – erstmals ein in der Lautstärke differenziertes Spielen. Nicht umsonst wurde das Hammerklavier auch gerne Fortepiano genannt und deshalb Wegbereiter für den modernen Klavierbau. In Mozarts Schaffen ist dieses Instrument zentral. Mehr als zwanzig Konzerte hat er geschrieben, wobei das Konzert in d-Moll KV 466 zu den beliebtesten gehört und dem Solisten aus sportlicher Sicht alles abverlangt. Yorck Kronenberg gestaltete in seiner Interpretation die langen Solopassagen äusserst wagemutig, kostete die dynamischen Unterschiede bis an ihre Grenzen aus und spielte mit den neuartigen Klangmöglichkeiten, welche das Hammerklavier vor allem auch in den tiefen Lagen zu bieten hat und Mozart gekonnt in seine Komposition eingebaut hat. Da wurde im 1. Satz Kronenbergs linke Hand in Artikulation und Dynamik zum treibenden Motor, gelang in der thematischen Einfachheit im 2. Satz ein Legato, als ob – wie beim heutigen Konzertflügel – bereits ein Pedal vorhanden wäre, da brillierten die schier endlosen Sechzehntelläufe im 3. Satz in einer Klarheit, welche die Zuhörerschaft in Staunen versetzte. Das Capriccio liess sich von Kronenbergs ausdrucksstarkem Spielen mitreissen und spielte die Tutti mit kompaktem Klang und scharfer Artikulation. Zu Beginn der Romanze benötigte das Ensemble einen Moment, um Kronenbergs schlicht gehaltenes Musizieren zu übernehmen und die Impulsivität der vergangenen Schlusstakte abzulegen, fand aber in der Reprise zur ersehnten Ruhe und dynamischen Zurückhaltung.

Doch mehr Gemeinsamkeiten als erwartet?
Umrahmt wurden die beiden Klavierwerke von Joseph Haydns Sinfonie Nr. 88 in G-Dur. Konzertmeister Dominik Kiefer führte sein Ensemble mit kleinen Gesten zu einem lebendigen und freudigen Spielen, welches nicht nur den Zuhörern, sondern auch manch einer Musikerin ein Lächeln entlockte. Das Ensemble bettete sich auch optisch wunderbar in die Operettenkulissen der Fricktaler Bühne ein.

Die neue CD mit Yorck Kronenberg ist erhältlich unter www.capriccio-barock.ch


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