Steuern senken – oder nicht?

  22.04.2022 Abstimmungen

Kantonale Abstimmung am 15. Mai

Pro

Die Steuergesetzrevision 2022 nützt allen!

Emanuel Suter, SVP-Grossrat, Gipf-Oberfrick

Der Grosse Rat hat der Änderung des Steuergesetzes (Steuergesetzrevision 2022) mit 94 zu 39 Stimmen zugestimmt. Doch worum geht es? Kurz gesagt werden die Pauschalabzüge für Krankenkassenprämien um 50 % erhöht (und damit die Steuern für alle gesenkt), die Unternehmenssteuern für gewinnstarke Unternehmen werden gesenkt und allfällige Steuereinbussen auf Gemeindeebene werden bis ins Jahr 2025 durch gezielte Massnahmen kompensiert. Die Steuergesetzrevision 2022 bringt Vorteile für alle und führt dazu, dass der Kanton Aargau steuertechnisch wieder wettbewerbsfähig wird.

Neben anderen Faktoren ist die Steuergesetzgebung ein wirksames Mittel, um die Standortattraktivität eines Kantons zu beeinflussen. Der Kanton Aargau ist zwar sehr lebenswert und attraktiv, jedoch sind wir mit unserem Steuersatz für Unternehmen mit einem Reingewinn über 250000 Franken von 18,6 Prozent im interkantonalen Vergleich an drittletzter Stelle aller Kantone. Es besteht also Handlungsbedarf! Durch die Steuergesetzrevision 2022 soll die Steuerlast für diese Unternehmen bis ins Jahr 2024 auf 15,1% gesenkt werden, womit wir uns im interkantonalen Vergleich im Mittelfeld befinden würden. Die gewinnstarken Unternehmen stellen mehr als jeden dritten Arbeitsplatz im Kanton Aargau zur Verfügung und zusätzlich hängen unzählige Arbeitsplätze bei Zulieferfirmen davon ab. Die verbesserten steuerlichen Rahmenbedingungen werden zu neuen Investitionen, Innovation und zusätzlichen Arbeits- und Ausbildungsplätzen führen. Gemäss Berechnungen des Kantons dürften die Steuereinnahme dadurch über alle Gemeinden bereits ab dem Jahr 2023 wieder steigen.

Die natürlichen Personen profitieren jedoch nicht nur indirekt von dieser Steuervorlage. Denn auch die Pauschalabzüge für die Krankenkassenprämien werden für Paare neu 6000 (bisher 4000) und Einzelpersonen 3000 (bisher 2000) betragen, wodurch das steuerbare Einkommen sinkt. Davon profitieren Personen mit tieferem Einkommen prozentual stärker als besser Betuchte. Zudem ist die Erhöhung des Pauschalabzugs auch deshalb angezeigt, weil die Krankenkassenprämien seit der letzten Anpassung im Jahr 2001 stark gestiegen sind und mit der Steuergesetzrevision 2022 lediglich an die Realität angepasst werden.

Als Vertreter einer ländlichen Region ist es mir wichtig, dass die Gemeinden durch diese Revision nicht die Leidtragenden werden. Die Steuerrevision 2022 begegnet dieser Befürchtung damit, dass allfällige Steuerausfälle im Jahr 2022 kompensiert werden und bis ins Jahr 2025 der Kanton bis zu 10 000 000 an die Gemeinden ausschüttet, sollten diese insgesamt gegenüber dem Vorjahr Mindereinnahme verzeichnen. Dadurch dürften in dieser Übergangsphase Steuerausfälle für die Gemeinden verhindert werden.

Ich kann nachvollziehen, wenn Sie als Privatperson Vorbehalte gegenüber der Senkung von Unternehmenssteuern haben. Wichtig erscheint mir hier jedoch, dass wir mit dieser Revision im interkantonalen Vergleich lediglich wieder im Mittelfeld landen und nicht mehr zu den Schlusslichtern gehören. Die überfällige Anpassung der Pauschalabzüge entsprechen neu eher wieder der Realität. Mit der Steuerrevision 2022 wurde das Fuder keinesfalls überladen. Sowohl der Regierungsrat als auch eine starke Mehrheit des Grossen Rates sind überzeugt, dass diese Revision unsere Attraktivität als Wohn- und Wirtschaftskanton nachhaltig verbessern wird. Deshalb stimme ich am 15. Mai 2022 überzeugt Ja zur Änderung des Steuergesetzes.

Contra

Nein zu Steuersenkungen – Wachstum hat seine Grenzen

Claudia Rohrer, SP-Grossrätin, Rheinfelden

Steuerpolitik verlangt den sorgfältigen Blick in die Zukunft, mit Blick auf die zu erwartenden Aufgaben und Lasten und die möglichen Einnahmen. Wenn die Steuereinnahmen sinken, dann müssen die Gemeinwesen ihre Ausgaben überdenken. Mit der aktuellen Vorlage der Steuersenkung setzt der Kanton Aargau auf das Prinzip Hoffnung. Die Vorlage setzt auf das Wachstum der Firmen und der Bevölkerung im Kanton.

Im Kanton Aargau sind ca. 25000 Firmen ansässig. Der Kanton Aargau besteuert aktuell den Reingewinn von Firmen bis zu 250 000 mit 15,1 Prozent, ab 250 000 mit 18,6 Prozent. Ab 2024 soll nur noch der einheitlichere, tiefere Steuersatz gelten. Mit dem Prinzip Hoffnung geht der Kanton davon aus, dass die bereits hier ansässigen Firmen den Anreiz haben, ihre schweizweite Geschäftstätigkeit vermehrt in den Aargau zu verlegen oder dass neue, ertragsstarke Firmen sich im Aargau ansiedeln. Wir setzen somit auf höhere Reingewinne und auf den Zuzug von ertragstarken Firmen, um die Mindereinnahmen auszugleichen. Unser Einsatz ist die Steuersenkung. Unser angestrebtes Ziel sind Mehreinnahmen. Der Kanton Aargau will bessere Standortvorteile. Wir liegen mit den absoluten Zahlen der Steuerbelastung im hinteren Feld, angestrebt ist ein Platz im Mittelfeld. Jedoch liegt der Kanton Aargau bei den Standortvorteilen im Vergleich mit den anderen Kantonen bei den Spitzenplätzen, nämlich auf Platz 4 bei der UBS-Studie und auf Platz 5 bei der CS-Studie. Also, der Kanton Aargau liegt beim Standortvorteil bereits auf den vordersten Plätzen. Welchen Preis zahlen wir für den Wettbewerb, noch etwas besser zu sein? Wohin wollen wir wachsen? Wollen wir wachsen? Mit dieser Vorlage müssen wir wachsen, um die Nachteile dieser Vorlage auszugleichen.

Der Kanton erkennt die Mindereinnahmen auf Seiten der Gemeinden und geht davon aus, dass die Steuereinnahmen des Kantons sowie der Gemeinden gemäss Prognosen aufgrund des Wachstums der Einkommen und der Bevölkerung trotz der erwähnten Mindererträge in den zukünftigen Jahren steigen werden. Wenn wir nun mit mehr – Firmen und natürlichen Personen – rechnen, die die Ausfälle kompensieren, wer kompensiert künftig die Mehrkosten, wenn mehr Firmen ansässig sind und mehr Menschen bei uns leben? Wachstum bedeutet nicht nur mehr Einnahmen, sondern meist auch erhebliche Anpassungen in der Infrastruktur (Sicherheit, Strassen, Mobilität, Schulen, Gesundheitswesen u.ä.) und damit Mehrausgaben. Dass die natürlichen Personen die Ausfälle der Firmensteuern kompensieren, diese bittere Pille schlucken wir mit dieser Vorlage. Etwas Linderung erfahren wir, da es durch die Erhöhung des Pauschalabzugs für alle eine Steuersenkung gibt. Jede Person im Kanton Aargau kann einen höheren Beitrag abziehen und das führt bei praktisch allen zu einem tieferen Steuerbetrag. Aber Achtung, auch diese Steuerausfälle kompensieren wir mit dem Prinzip Hoffnung, dass unsere Bevölkerung wächst und damit die Löhne der natürlichen Personen. Und rechnen Sie nach, was es tatsächlich heisst; die Einsparung ist bei sehr vielen äusserst gering.

Wachstum ist für uns als Bevölkerung wichtig, aber es kann nicht das einzige Ziel sein. Und nicht alle können wachsen. Auf Wachstum zu setzen, um Mindereinnahmen zu kompensieren, das kommt zum falschen Zeitpunkt. Wir müssen unsere Aufgaben der Zukunft diskutieren. Wachstum um jeden Preis, um Ausfälle zu verhindern, das bringt uns als Gesellschaft nicht weiter. Deshalb ein Nein zur aktuellen Steuervorlage. Ein Nein stoppt das Wachstum nicht, aber wir erhalten Handlungsspielräume.


Steuerliche Entlastung von Privaten und Firmen

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung sollen einerseits die natürlichen Personen steuerlich entlastet werden, indem der Pauschalabzug für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen deutlich erhöht wird. Andererseits sollen die Gewinnsteuern von ertragsstarken Unternehmen reduziert werden. Damit die Steuermindererträge für den Kanton und die Gemeinden verkraftbar bleiben, werden die Gewinnsteuern ab 2022 in drei Etappen reduziert und die Gemeinden über einen Zeitraum von vier Jahren durch den Kanton teilweise für ihre Steuerausfälle entschädigt. (nfz)


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