«Die Landwirtschaft trägt Verantwortung für das Klima»
23.03.2022 Frick, LandwirtschaftKnut Schmidtke ist Direktor des Instituts für biologischen Landbau (FiBL)
Knut Schmidtke ist vor zwei Jahren aus Deutschland in die Schweiz gezogen. Der Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Frick erzählt im Interview mit der NFZ, wie er sich im Fricktal eingelebt hat und welche Pläne er für das Institut hat.
Andrea Marti
NFZ: Herr Schmidtke, sie sind vor zwei Jahren nach Wölflinswil gezogen, um am Institut für biologischen Landbau (FiBL) zu arbeiten. Haben Sie sich gut eingelebt?
Knut Schmidtke: Ja, ich habe mich sehr gut eingelebt. Ich fühle mich sehr wohl in der Schweiz, weil es hier eine Art der Wertschätzung gibt, die ich sehr schätze. Wenn man selbst auf die Menschen hier zugeht, sich auf sie einlässt, dann kann man hier gut ankommen. In Wölflinswil, wo ich wohne, konnte ich beispielsweise bereits einige Leute kennenlernen und fühle mich dort sehr wohl.
Vor ihrer Stelle am FiBL waren Sie Professor für ökologischen Landbau an der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Dresden. Vermissen Sie das Unterrichten?
Die Beschäftigung an der HTW Dresden habe ich mit viel Freude und Engagement wahrgenommen, gerade die Lehre hat mir grossen Spass gemacht. Das Forschungsinstitut hier umfasst allerdings viele unterschiedliche Bereiche der Forschung. Auch der Austausch zwischen Forschung und Praxis, den wir am FiBL pf legen, macht die Arbeit hier abwechslungsreich. Die Tätigkeit hier ist deshalb ausserordentlich spannend und gefällt mir sehr.
Sie haben sich bereits mit ökologischem Anbau beschäftigt, als das Thema in der Forschung noch nicht sehr prominent war. Wie kamen Sie damals zu ihrem Forschungsgebiet?
Ich habe Agrarwissenschaften studiert und bereits während dem Studium begonnen, mich mit ökologischem Landbau auseinanderzusetzen. Es gab damals an unserer Universität einen Arbeitskreis zum Thema, über den ich durch mein Engagement in der Umweltbewegung der 80er-Jahre gekommen bin. Damals gab es noch keine Professur für ökologischen Landbau an unserer Universität. Auf unsere Forderung hin wurde eine eingeführt. Nach dem Studium hatte ich das Glück, an der Uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter weiterarbeiten zu können. Seither beschäftige ich mich beruf lich mit ökologischem Landbau.
Seit ihrer ersten Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter hat sich im Bereich des ökologischen Landbaus viel verändert. Vor welchen Herausforderungen steht ihr Forschungsgebiet momentan?
Es gibt momentan die ganz neue Herausforderung, den ökologischen Landbau in der Schweiz klimaneutral zu gestalten. Das ist möglich, das zeigte auch kürzlich eine Studie. Das Thema ist aber noch sehr neu. Das Klima ist unser momentan grösstes Problem, und es wird uns alle treffen. Deshalb muss es das Ziel jedes Einzelnen sein, einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. Gerade aber die Landwirtschaft – insbesondere auch die ökologische – trägt eine besondere Verantwortung.
Wie genau sieht diese Verantwortung aus?
Einerseits hat die Landwirtschaft die Verantwortung, den Konsumenten zu erklären, was jetzt nötig ist, um sich nachhaltig zu ernähren. Dabei ist ein wichtiger Teil eine pflanzlichere Ernährung, also weniger Eier, Milch und vor allem Fleisch zu essen. Das heisst nicht, dass gar keine tierischen Produkte mehr möglich sind, wir können uns die Haltung von Tieren erlauben, es müssen einfach weniger werden. Andererseits ist aber auch wichtig, dass wir an neuen Ersatzprodukten arbeiten. Hier gibt es gerade in Sachen Bio-Produkten noch Schwierigkeiten, beispielsweise existieren sehr wenige biologische Fleischersatzprodukte. Das müssen wir ändern. Wenn wir es schaffen, wohlschmeckende, gutaussehende pf lanzliche Ersatzprodukte herzustellen, dann ist die Umstellung hin zu einer pf lanzlicheren Ernährung für die Verbraucher auch einfacher.
Sie sagen, dass die Konsumierenden beispielsweise durch den Kauf von Bio-Produkten etwas gegen den Klimawandel tun können. Tatsache ist aber, dass Bio-Produkte oft merklich teurer sind als jene aus konventioneller Produktion – es können sich also nicht alle leisten, auf diese Weise die Umwelt zu schützen.
Das stimmt, auf den ersten Blick sind Bio-Produkte deutlich teurer als jene aus der konventionellen Landwirtschaft. Allerdings muss man bedenken, dass Bio-Produkte weniger Umweltschäden verursachen, die dann durch den Staat – sprich: Steuergelder – wieder behoben werden müssen. Wenn wir die Umweltkosten, die die konventionelle Landwirtschaft verursacht, mit einpreisen würden, dann wäre der Preisunterschied schon viel kleiner. Aber natürlich, wenn die Konsumierenden im Laden stehen und Gemüse kaufen wollen, sehen sie erstmal, dass die Bioprodukte teurer sind. Allerdings ist eine biologische Ernährung nicht doppelt so teuer, nur weil einzelne Produkte doppelt so teuer sind. So haben Studien beispielsweise gezeigt, dass Menschen, die sich stark von biologischen Lebensmitteln ernähren, durchschnittlich auch weniger Fleisch essen. Das heisst, dass sie weniger Geld für die sehr teuren Bio-Produkte ausgeben.
Im Schnitt ist der Preisunterschied zwischen biologischer und konventioneller Ernährung also vielleicht kleiner als gedacht. Eine Möglichkeit ist zudem, vermehrt mit Bio-Lebensmitteln zu kochen, die eben nicht so viel teurer sind. Bio-Kartoffeln sind beispielsweise ähnlich teuer wie herkömmliche. Aber natürlich: Es bleibt dabei, dass sich einige Menschen Bio-Produkte nicht leisten können. Das lässt sich nicht verhehlen.
Sie sind an der Hochschule für Wirtschaft und Technik, an der Sie zuvor eine Professur innehatten, bis im Jahr 2025 beurlaubt, also noch knapp drei Jahre. Was haben sie bis dahin noch vor?
Wenn alles gut läuft, würde ich sehr gerne über das Jahr 2025 hinaus am FiBL arbeiten. Infrastrukturell sind wir mit dem Neubau, den wir kürzlich eingeweiht haben, sehr gut ausgerüstet. Wir brauchen aber am Institut noch einen grösseren Anspruch als wir bisher hatten. Wir müssen nicht nur begleiten, was bereits geschieht, sondern vorausdenken. Eine Möglichkeit wäre, zu überlegen, wie wir Nutztieren mehr Freiheit zugestehen könnten. Wir schränken die Tiere heute ein – es muss Möglichkeiten geben, das zu ändern. Es gibt viele Dinge, die verbessert werden können. Die müssen wir angehen.