Warum steht hier ein Denkmal?

  30.01.2022 Herznach

Das Soldatendenkmal im Herznacher Sarbe

Im östlichen Sarbewald, zwischen Herznach und Zeihen, steht bei der Moosmatt seit 1940 ein Denkmal der Berner Gebirgssanitäts-Kompanie IV/3. Schon manche Spaziergänger mögen sich gefragt haben, warum im «Flachland» ein Gedenkstein ausgerechnet an eine Gebirgseinheit erinnert.

Linus Hüsser*

Am 1. September 1939 entfesselte Hitlerdeutschland mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Einen Tag später mobilisierte die gesamte Schweizer Armee. Die Grenztruppen waren bereits am 29. August eingerückt. Insgesamt standen etwa 630 000 Mann im Dienst. Das obere Fricktal lag im Abschnitt der Grenzbrigade 5, der viele Herznacher und Ueker Wehrmänner angehörten.

Nachdem Frankreich und das mit Deutschland verbündete Italien in den Krieg eingetreten waren, sah sich unser Land von kriegführenden Mächten umgeben. Vom aggressiven Deutschland drohte die grösste Gefahr. Daher liess General Guisan Anfang Oktober 1939 einen Grossteil der Armee zu einer Abwehrfront entlang der Linie Sargans – Zürichsee – Limmat – Bözberg – Gempen umgruppieren. In der Region Frick verlief diese Armeestellung hinter den Grenztruppen vom Geissberg bei Villigen über den Frickberg zum Tiersteinberg. Das Armeekommando legte grossen Wert auf eine umfassende Verteidigung der Bözbergregion, um die westliche Flanke des unteren Aaretals, das ein Einfallstor ins Mittelland bildete, zu sichern. Da die Aargauer Division 5 dafür nicht ausreichte, wurde im November 1939 die 3. Division aus dem Berner Seeland in den Aargau verlegt. Gebirgsinfanteriesowie Gebirgs- und Feldartillerieeinheiten bildeten das Rückgrat der «Dritten». Sie umfasste nach der Mobilmachung gegen 15 000 Mann, 2850 Pferde und 470 Fahrzeuge. Zu den Aufgaben der Berner Division gehörten unter anderem die Verteidigung des Talkessels von Frick und die Sperrung der von hier über den Jura führenden Verkehrswege. Auch das Staffeleggtal befand sich im Einsatzraum der 3. Division. Vom November 1939 bis Juli 1940 nahmen hier mehrere Berner Einheiten Quartier.

Die Stellungen der Artillerie
Zwischen Ueken und Hornussen, im Gebiet Langiwand/Egg, ging die Gebirgsartillerie-Abteilung 2 mit ihren beiden Batterien zu je vier Geschützen in Stellung. Die Truppe baute für Kanonen, Mannschaft und Material Unterstände aus Holz, ebenso Munitionsmagazine im Birch. Im Kriegsfall sollten die Geschütze feindliche Truppenansammlungen am rechten Rheinufer sowie Übersetzaktionen auf dem Fluss zwischen Sisseln und Laufenburg unter Beschuss nehmen. Beobachtungsbunker, unter anderem westlich von Kaisten, dienten der Abteilung als «Augen».

Das Gebiet Weichle/Chornberg war Stellungsraum der drei Batterien der Feldartillerie-Abteilung 7. Sie war zur Unterstützung eines Abwehrkampfes in der Region Frick vorgesehen. Ihre Beobachtungsbunker stehen noch heute am Nordrand des Chornbergs. Das Gros der Abteilung befand sich seit April 1940 auf dem Chornberg. Die Kanoniere lebten in Baracken und auf Bauernhöfen, wo auch die zahlreichen Pferde eingestellt werden konnten. Der Versuch, Pferde in einem Stollen des Herznacher Bergwerks unterzubringen, scheiterte an der Feuchtigkeit und der mangelnden Belüftung des unterirdischen «Stalls». Die Tiere magerten ab. Soldaten des in Herznach vom 18. Mai bis 8. Juli 1940 stationierten Gebirgsfüsilier-Bataillons 30 haben ihre Namen an einer Stollenwand hinterlassen. Der Ausbau der Kanonenstellungen kam nur schleppend voran. Ein sehr kalter und schneereicher Winter behinderte die Arbeiten, zudem befand sich stets ein erheblicher Teil der Truppen im Urlaub. Am 10. Mai 1940 begann Deutschland den Westfeldzug gegen die Beneluxstaaten und Frankreich. Nach der zweiten Generalmobilmachung der Schweizer Armee vom 11. Mai 1940 wurde angesichts der erheblichen Kriegsgefahr der Stellungs- und Befestigungsbau intensiviert. Während der Stellungsbau der Gebirgsartillerie zwischen Ueken und Hornussen termingerecht verlief, litt derjenige der Feldartillerie unter einer chaotischen Planungslosigkeit ihrer Kommandanten. Als Deutschland während des Westfeldzugs in seinem Südwesten Truppen zusammenzog, was die Schweiz als ernste Bedrohung deutete, lag die Feldartillerie mit ihren Vorbereitungen arg im Rückstand. Bis zum Abzug der Einheit Mitte Juli konnte lediglich die Batteriestellung Fülischwinge betoniert werden.

Der Abzug der 3. Division
Die unerwartete Niederlage Frankreichs und die Besetzung eines Grossteils seines Territoriums durch Deutschland waren ein tiefgreifender Schock für unser Land, das nun fast vollständig von den Achsenmächten Deutschland und Italien eingekreist war. Der Armeeführung war klar: Eine wirksame Verteidigung der über 1800 km langen Landesgrenze war mit der schlecht gerüsteten Armee nicht möglich, auch mangelte es an Munition. Lediglich eine verkürzte, befestigte und sich an den Alpenraum anlehnende Hauptverteidigungslinie konnte eine abschreckende Wirkung auf einen möglichen Aggressor haben. Von dieser Überlegung geleitet, zog die Armeeführung von Mitte Juli 1940 bis Sommer 1941 das Gros der Armee schrittweise in den Alpenraum, ins Reduit, zurück. Entlang der Landesgrenze verblieben die Grenzbrigaden, im Mittelland operierten leichte, bewegliche Brigaden. Im ganzen Land wurden Brücken, Strassen, Bahnlinien usw. zur Sprengung vorbereitet. Der Bahndammtunnel unterhalb von Ueken war bereits im Frühling 1939 mit Sprengkammern versehen worden.

Der bei uns im Einsatz stehenden 3. Division wurde die Region Thun/ Berner Oberland zugewiesen. Nach Mitte Juli 1940 zogen die Einheiten in Gewaltmärschen ins Reduit. So verschob ein Gebirgsfüsilier-Bataillon innerhalb von 45 Stunden vom Fricktal nach dem rund 130 km entfernten Lauterbrunnen. Bei uns wurde die 3. Division vorwiegend durch Aargauer Truppen der 5. Division ersetzt. Im Mai 1941 bezog die «Fünfte» ihre Reduitstellung in der Innerschweiz. Zurück blieb in unserem Grenzgebiet die verstärkte Grenzbrigade 5.

Das Denkmal der Sanitätskompanie IV/3
Der Sanitätsdienst der 3. Division oblag dem Gebirgssanitäts-Bataillon 3. Seine IV. Kompanie war vom 6. Mai bis 18. Juli 1940 in Herznach stationiert. Die Einheit bereitete im Sarbewald eine Sanitätshilfsstelle für den Kriegsfall vor. Um einen möglichst reibungslosen Transport der Verletzten zu gewährleisten, baute die Kompanie den Weg in den Sarbe aus. Der Gemeinderat spendierte der Einheit für diese Arbeit einen Trunk.

Bei ihrem Abzug bedankte sich der Kommandant der Geb San Kp IV/3 in einem Schreiben an den Gemeinderat für die freundliche Aufnahme in Herznach. Das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 26. Juli würdigt die grosse Arbeit, welche die Kompanie beim Wegbau im Sarbe zum Nutzen der Gemeinde geleistet hatte. «Der Weg Willistrasse–Moosmatt ist wohl der schönste Waldweg, den wir besitzen», lobt das Protokoll und ergänzt: «Es sei noch speziell erwähnt, dass bei dem Wegübergang in der Mooshalde ein Gedenkstein mit einer steinernen Ruhebank inmitten eines kleinen Parkes von der genannten Kompanie gestellt worden ist, welches ein idillisches Plätzchen ist, das Seinesgleichen in unsern Waldungen vergeblich sucht. Auch dieses anmutige Flecklein Erde wollen wir hegen in dankbarer Erinnerung an die ernsten Zeiten, in denen es so schön hergerichtet worden ist.»

*Beitrag von Historiker Linus Hüsser für die «Dörferpost» 3/2021 der Gemeinden Herznach und Ueken


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote