«Sie machen Blech zu Gold»

  16.12.2021 Musik, Rheinfelden

German Brass hält, was es verspricht

Am vergangenen Sonntag hat Klassik Sterne Rheinfelden zur neuen Konzertsaison eingeladen. «Weihnachten mit German Brass», so die Ankündigung der Veranstalter. Was dieses Ensemble dargeboten hat, ist Bläserkultur vom Feinsten.

Birgit Schlegel

Eine Menge Gold und Silber glänzt auf der Bühne. Zahlreiche Blechblasinstrumente stehen bereit: Piccolotrompeten, Flügelhörner und Cornetti, sogar ein eher selten verwendetes Corno da Caccia findet sich neben Tuba und Tenorhorn. Und als sei es nicht schon genug, treten die zehn Musiker von German Brass selbstverständlich nicht mit leeren Händen auf. Was die zehn Herren am Eröffnungskonzert von Klassik Sterne Rheinfelden im erstaunlicherweise nicht ganz vollen Bahnhofsaal bieten, ist ein wahres Feuerwerk an Glanz, Virtuosität und Musikalität, und vor allem auch an grosser Spielfreude.

«Zu Anfang klingt’s nach Klassik…»
Welch fulminanter Auftakt mit Johann Sebastian Bachs Concerto D-Dur GWV 972! In der Fassung von Matthias Höfs, dem 1. Trompeter des Ensembles, wird sofort klar, warum German Brass zur Weltspitze gehört. Faszinierend, wie der Musiker im Allegro den äusserst anspruchsvollen, sehr virtuosen Part der Piccolotrompete scheinbar schwerelos und federleicht meistert. Trotz der hohen Brillanz schafft es der Trompeter, jedem einzelnen Ton eine eigene Dynamik zu geben. Seine Hauptstimme wird dabei von seinen Kollegen in zahlreichen Duetten sowohl in tieferen Trompeten wie auch in den Hörnern, Posaunen und Euphonien begleitet. Orgelgleich wie ein einziger Klangkörper spielen sie im Larghetto die homophone Begleitung für die hohen führenden Melodiestimmen. In einem schier endlosen schreitenden Tempo gestalten sie harmonisch sehr dezent und fein, und schaffen damit einen warmen Gesamtklang bis in die tiefsten Lagen. Wunderbar, wie die einzelnen Duette sich darin einbetten können. Das finale Allegro strotzt vor Virtuosität. Beginnend mit einem einfachen Hornduo entwickelt sich daraus ein Meisterwerk an perlenden Läufen in Tuba und Euphonium, welches dem Satz zu einem Drive verhilft, der unaufhaltsam mit strahlendem Schlussakkord endet.

Durch das Programm führt der zweite Hornist Klaus Wallendorf. Und dies in derselben Manier, wie er sein Instrument beherrscht: mit viel Witz und ausdrucksstark, mal in Versform, mal in rasender endloser Litanei. Loriot kommt einem da unweigerlich in den Sinn, wenn er Zwiegespräche darbietet, die nur so von Wirrungen wimmeln und doch irgendwie nachvollziehbar zum jeweils nächsten Werk überleiten. Zwei Choräle aus Bachs Weihnachtsoratorium folgen auf das Concerto, sowie «Abendsegen» aus Humperdincks «Hänsel und Gretel.» «Ein Weihnachtshit», meint Klaus Wallendorf in seiner Moderation, «obwohl’s in der ganzen Oper kein einziges Mal schneit.»

«…später wird’s auch gern’ mal spassig.» (Moderator Klaus Wallendorf)
Dass die klassisch ausgebildeten Musiker auch in anderen Genres zu Hause sind, zeigen sie spielfreudig im zweiten Programmteil. Zur Ergänzung holen sie den Schlagzeuger Herbert Wachter auf die Bühne. In «Petersburger Schlittenfahrt» treibt er seine Mitmusiker mit der Peitsche zu einem rasanten Tempo an. Und in der folgenden Sammlung an Weihnachtsliedern aus aller Welt wechselt er gekonnt zwischen Glockenspiel, Drumset und zahlreichen Perkussionsinstrumenten. Da verhilft er am Set dem «Oh Tannenbaum» in Anlehnung an die amerikanischen Big Bands zum lockeren Swing, lässt mit dem Glockenspiel in Jazzharmonien den Schnee leise rieseln und bringt seine Mitmusiker mittels Maracas in einem weihnachtlichen Calypso zum Tanzen. In Nat King Coles «Christmas Song», einem wunderbar samtigweich gespielten Flügelhornsolo von Uwe Köller, rührt er dezent die Besen. Er, der während des «spassigen» zweiten Konzertteils am hinteren Bühnenrand durch die Bläserkollegen für das Publikum unsichtbar geblieben ist, erhält im finalen «Jingle Bells» – arrangiert wie ein rasend schnell stampfender D-Zug – seinen verdienten Soloauftritt. Denn die Musiker verlassen im Stück die Bühne und machen Herbert Wachter den Weg frei für ein rund siebenminütiges (!) Solo auf dem Drumset. Ein brillanter Schachzug zum Schluss des Konzertes! Das Publikum verdankt es dem gesamten Ensemble mit tosendem Applaus und stehenden Ovationen.

Und da, wie Entertainer Klaus Wallendorf abschliessend meint, das Publikum sich vorbildlich verhalten und dadurch «eine Zugabe leidlich ertrotzt» hat, darf natürlich «Rudolph», witzig und charmant gesungen von Posaunist Alexander Erbrich-Crawford, nicht fehlen.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote