«Die Einsparungen hatten wir nie in den Vordergrund gestellt»

  29.12.2021 Gemeinden, Herznach

Interview mit Thomas Treyer, abtretender Gemeindeammann von Herznach

Per 1. Januar 2023 schliessen sich Herznach und Ueken zusammen. Dies ist auch ein Verdienst von Thomas Treyer. Zu Beginn seiner Amtszeit wurde er jedoch ins kalte Wasser «geworfen» und hat sein Amt dennoch während fast 10 Jahren mit Freude ausgeübt, wie er im Gespräch mit der NFZ sagt.

Bernadette Zaniolo

NFZ: Herr Treyer, Sie sind seit 2012 im Gemeinderat, davon acht Jahre als Gemeindeammann. War für Sie schon länger klar, dass Sie Ende der Amtsperiode ihr Gemeinderats- beziehungsweise ihr Amt als Gemeindeammann in andere Hände übertragen wollen?
Thomas Treyer:
Es gab diverse Gründe. Zum einen werde ich nach zehn Jahren in der Selbstständigkeit heute zeitlich mehr gefordert als am Anfang. In meinem Job gibt es viele Abendtermine. Da musste ich in den letzten Jahren oft zugunsten der Gemeinde verzichten. Dann haben wir vor einem Jahr das Thema hinsichtlich der Fusion im Gemeinderat besprochen. Damit es bei den Neuwahlen im nächsten Jahr nicht zu einer allzu grossen Rochade kommt, sehe ich einen gestaffelten Wechsel sinnvoll. Zugegeben, ich trete mit einem lachenden aber auch mit einem weinenden Auge ab. Die vielen Sitzungen werde ich wahrscheinlich nicht vermissen, aber meine Gemeinderatskollegen und -kollegin aber schon etwas. Es gab, so glaube ich, nie einen Abend, an welchem ich lieber zuhause geblieben wäre, statt an die Sitzung zu gehen.

Was hatte Sie seinerzeit bewogen zu kandidieren?
(Schmunzelt). Ich war vor vielen Jahren Präsident der Musikgesellschaft und hörte oft, «du wärst auch noch einer für dieses Amt.» Zu dieser Zeit war ich noch junger Familienvater. Dann im 2012 wurde im Gemeinderat ein Sitz frei. Ich wurde wieder darauf angesprochen und der Zeitpunkt schien jetzt zu stimmen. Unsere Kinder waren damals 15 und 16 Jahre alt. Das Amt als Gemeinderat sah ich schon immer als interessant.

Hätten Sie gedacht, dass es in Ihrer Amtszeit zur Fusion mit Ueken kommen würde?
Zu Beginn meiner Gemeinderatstätigkeit sicher nicht. Vor etwa fünf Jahren planten wir, die Verwaltungsräumlichkeiten umzubauen und den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Um herauszufinden, ob Ueken allenfalls Interesse an einer Zusammenarbeit auf der Verwaltungsebene hat, ging ich auf meinen Amtskollegen Robert Schmid zu. So nahm das Ganze seinen Anfang. Ich kenne Robi schon etwa 40 Jahre, wir waren lange Zeit gemeinsam in der Musikgesellschaft aktiv.

Was freut Sie am meisten?
Natürlich, dass die Fusion zustande kam und dass ich bei diesem Prozess mitwirken durfte und zusammen mit Robi den Anstoss geben konnte, freut mich sehr.

Während der Fusionsabklärungen beziehungsweise dem ganzen Prozess gab es nie gross kritische Stimmen beziehungsweise fast keine Leserbriefe in den Zeitungen. Woran lag das?
Wir hatten aufgezeigt, wie eng die Zusammenarbeit schon aktuell ist. Die Bevölkerung hat wohl auch die Synergien gesehen. Ein Vorteil war sicher auch, dass sich die Stimmberechtigten schon vorher für eine gemeinsame Verwaltung aussprachen. Die Bevölkerung sah wohl auch, dass man so personell besser durchkommt, heisst Vollzeitstellen anbieten zu können. Die Qualität wird durch volle Pensen sicher besser. Die Einsparungen hatten wir nie in den Vordergrund gestellt. Gemäss Frau Reichlin, Leiterin Gemeindeabteilung beim Kanton, gibt es jedoch klare Beweise, dass Fusionen zu Kosteneinsparungen führen.

Wo sehen Sie die grössten Vorteile, dass die beiden Gemeinden die Zukunft nun gemeinsam gestalten?
Die Verwaltungszusammenlegung erfolgte bereits auf Februar 2020. Auf Januar 2021 wurde der Standort Ueken aufgelöst. Das vereinfacht vieles. Mit der Fusion per 1. Januar 2023 hat der Gemeindeschreiber nicht mehr zwei, sondern nur noch einen Chef und das macht es für ihn und künftig auch für den Gemeinderat nicht nur einfacher sondern auch effizienter.

Sie waren offen für eine «Staffeleggtal-Lösung», also auch für eine Zusammenarbeit mit Densbüren. Wagen Sie einen Blick in die Kristall-Kugel, ob dies in den nächsten zehn Jahren passiert?
(Lacht). Sag niemals nie. Ein Zusammenschluss mit Aarau ist für Densbüren definitiv vom Tisch. Deshalb ist die Ausschau von Densbüren Richtung Fricktal kein Ding der Unmöglichkeit.

Was für weitere grössere Projekte fielen in Ihre Amtszeit?
Ganz am Anfang meiner Amtszeit beschäftigten wir uns intensiv mit der Revision der neuen Bau- und Nutzungsordnung (BNO). An einer ausserordentlichen GV musste dann schon bald die neue (BNO) durchgebracht werden, bevor neue kantonale Vorgaben in Kraft traten. Da wurde ich als «Newcomer-Ammann» schon etwas ins kalte Wasser geworfen und dabei auf die Probe gestellt. Ein weiterer grösserer Brocken war das Erschliessungsfinanzierungsreglement. Das Problem war, dass es bis dahin kein Reglement gab, das festhielt, in welchen Fällen Grundeigentümerbeiträge bei Strassensanierungen bezahlt werden müssen. Das führte jeweils zu sehr emotionalen Debatten und gegen ein Strassenbauprojekt wurde auch eine Petition eingereicht. Mit dem Reglement wurden saubere Grundlagen geschaffen. Zwei Sondernutzungsplanungen beschäftigen mich in den letzten acht Jahren auch immer wieder. Ebenso die Planung der Sanierung der Kantonsstrasse, welche mindestens schon so lange dauert. Ja und eben, die Fusion hat uns natürlich in den letzten Jahren intensiv beschäftigt.

Die Fusion erfolgt per 1. Januar 2023. Welche grossen Projekte kommen in den nächsten Jahren auf die Gemeinde Herznach-Ueken zu?
Einerseits die Umsetzung der Fusion in den nächsten zwölf Monaten. Dazu kommt unter anderem die Vereinheitlichung der Reglemente. Beschäftigen werden auch notwendige Investitionen in Strassen- sowie Wasser- und Abwasserprojekte. Geplant ist, dass die Sanierung der Hauptstrasse im 2023 startet. Das wird den Gemeinderat auch noch beschäftigen. Und vielleicht auch das Thema Dreifach-Sporthalle. Hier laufen bereits Vorabklärungen betreffend möglichen Standorten unterhalb der Kirche. Wir sind der Meinung, dass dies das Dorf bild nicht negativ beeinflussen würde, denn sie würde zu einem grossen Teil in den Hang versenkt. Es ist vorgesehen, dass die Gemeinde 2023 mit einem Steuerfuss von 110 Prozent startet. Wir haben immer klar kommuniziert, dass der Bau einer Dreifach-Sporthalle nicht mit diesem Steuerfuss finanziert werden könnte und die Halle auch nicht im Finanzplan mitberücksichtigt ist. Über ein allfälliges Projekt entscheidet die neue Gemeinde Herznach-Ueken.

Die Tätigkeit als Gemeinderat ist oft auch eine persönliche Entwicklung. Sie sind beruflich in der Immobilienbranche tätig. Inwiefern konnten Sie ihre beruflichen Erfahrungen einbringen und was hat Ihnen umgekehrt das Amt beruflich gebracht?
Als Gemeinderat sieht man in so viele Themen. Da lernt man viel über den Bau, Erschliessungen, Soziales und vieles Anderes. Von beiden Seiten konnte ich viel profitieren. Ich habe Verständnis für viele Sachen gewonnen. Von den Erfahrungen profitiert man auch persönlich.

Und doch haben gerade kleinere Gemeinden immer wieder Mühe, die Ämter zu besetzen.
Das ist immer wieder ein Thema. Diesen Herbst konnten im Fricktal zwar die Ämter in vielen Gemeinden erstaunlich gut wiederbesetzt werden. Es kam an mehreren Orten zu Kampfwahlen und es wurden sogar Bisherige abgewählt. Doch die Ämter werden in Zukunft wohl kaum begehrter werden. Man verzichtet mit einem solchen Amt auf einiges an Freizeit. Zudem werden sie in vielen Gemeinden auch nicht gut bezahlt. Als Selbstständiger musst du die Arbeit oft nach hinten, heisst auf den nächsten Tag schieben. Und nicht jeder Arbeitgeber ist bereit, Gemeinderäten die notwendige Zeit dafür zur Verfügung zu stellen, da ist sicher auch ein Problem.

Und nochmals ein Blick in die Kristallkugel: Wo sehen Sie im Fricktal in den nächsten Jahren Fusionen?
Eine Grossgemeinde Frick wurde auch schon diskutiert. Die Zeit dafür ist noch nicht reif. Vielleicht in zehn Jahren. Ideale Grössen von fusionierten Kommunen, wären Gemeinden von mindestens 3000 Einwohnern. Da kommt Herznach-Ueken mit rund 2600 Einwohnern noch nicht ganz hin. Noch kleinere Gemeinden werden es aber in Zukunft sicher nicht einfacher haben. Auch wenn der Druck aus Aarau nicht in Worten geschieht, über die Finanzen spüren ihn die Gemeinden teilweise aber schon. Eine Fusion von Oberhof und Wölflinswil wäre sicher sinnvoll. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Dörfern ist heute ähnlich wie jene von Herznach und Ueken.

Wie stehen Sie zu Grossgemeinden?
Der Wunsch im Fricktal ist nicht da. Solange kein Bedürfnis da ist, muss man nicht etwas kreieren. Das muss selber wachsen. Seitens des Kantons besteht kein Bestreben. Solange es auch keinen finanziellen Druck gibt, gibt es auch keinen Handlungsbedarf.

Was haben Sie persönlich für Pläne, heisst was werden Sie nun künftig machen?
Meinen Job noch ein paar Jahre ausüben und wieder etwas mehr Joggen, Laufen und Wandern gehen. Ich werde mich nicht völlig zurückziehen und man wird mich auch künftig an Gemeindeversammlungen sehen.

Wie kann man die Work/Life-Balance (Beruf, Familie, Behördentätigkeit, eventuell Hobbies und Freizeit) im Griff haben?
Man muss sich halt seine Zeit für sich trotz allem nehmen. Wichtig ist auch, dass man eine Verwaltung hat, die gut organisiert ist und die dem Gemeinderat Arbeit abnimmt. Auch hat mir die Familie, vor allem meine Frau, oft den «Rücken freigehalten» Den Ausgleich finde ich bei der Garten- und Hausarbeit, dem Wandern und Joggen.


Guter Schritt

Der 59-jährige Thomas Treyer ist seit 2012 im Gemeinderat von Herznach und seit 2014 Ammann. Er ist verheiratet mit Ursula und hat eine 26-jährige Tochter und einen 25-jährigen Sohn, der ebenfalls im Unternehmen von Thomas Treyer arbeitet. Er ist in Herznach aufgewachsen, hat Elektro-Installateur gelernt und sich in Betriebs-Wirtschaft und Management weitergebildet. 24 Jahre war er in einem internationalen Elektrotechnik-Konzern tätig, zuletzt als Niederlassungsleiter Schweiz. Im Alter von 50 Jahren hat Treyer den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. «Es war ein guter Zeitpunkt für eine Veränderung», sagt der Immobilienmakler. Zu seinen Hobbys zählen Garten, Haus, Joggen, Wandern «und im Winter Skifahren.» (bz)


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