Sein letzter Auftritt als Clown
28.10.2021 LaufenburgDer Teerplatz, als neue Eingangspforte in die Laufenburger Altstadt, sorgte bei nicht wenigen Menschen für Kopfschütteln. Umso mehr Freude kam auf, als Kinder diesen mit wunderschöner Kunst verschönerten. Hinter der schönen Aktion steht der Laufenburger Ursus Muff, mehrfacher Goldmedaillengewinner im Kunstturnen und ehemaliger Clown.
Bernadette Zaniolo
Clowns ziehen seit Generationen Kinder und Erwachsene in ihren Bann. Sie bringen die Menschen zum Lachen, ja sogar auch wenn es diesen manchmal gar nicht darum ist. Mit ihrer Art können sie aber auch auf bewegende Geschehen eingehen und in «gesunde» Bahnen lenken. So wie Ursus Muff.
«Ursus liebt Laufenburg über alles, vor allem die Altstadt hat es ihm angetan», teilt Edita Soldati der Redaktion mit. «Als dann der Teerplatz Eingang Altstadt Form annahm, war er über die Gestaltung sehr enttäuscht und beschloss, ein letztes Mal als Clown in seinen alten Klamotten aufzutreten und animierte die Kinder dazu, diese wunderschöne Kunst zu malen», schildert sie weiter. In letzter Zeit sei Ursus (sie bewohnen in einem Altstadthaus jeder für sich eine Etage) aber nicht mehr so fit. Doch wer ist dieser Ursus Muff?
Er ist 1939 als Luzerner in Bern geboren und in Ascona aufgewachsen. Seine Eltern sind (1942) ins Tessin «ausgewandert» und hatten dort eine kleine Wäscherei, vorwiegend für Hotels. «Ich war damals drei Jahre alt. Mein Vater hatte praktisch nichts. Wir haben uns jedoch ‘durchgemetzget’», sagt Ursus Muff im Gespräch mit der NFZ. Für ihn und seinen Bruder Peter sei es keine einfache Zeit gewesen. «Damals konnten die Lehrer meist kein Deutsch». Er und sein Bruder seien als Fremde, als Eindringlinge behandelt und deswegen oft von den anderen Kindern verprügelt worden. «Jetzt ist es dort eine andere Welt», hält der heute 82-jährige Ursus (er hat zwei Töchter und fünf Enkelkinder) mit einem Lächeln fest.
Mit 14 Jahren hat er eine Schreinerlehre in Ascona begonnen und 45 Jahre lang am selben Arbeitsplatz gearbeitet. «Für heutige Umstände schon fast undenkbar», betont Edita Soldati. «Wir hatten in der Nähe der Schreinerei gewohnt. Holz riecht gut und deshalb habe ich dort angefragt», erkärt Ursus Muff. Ebenso, dass er im Alter von 19 Jahren einen Arbeitsunfall hatte (die Hand zerschnitten).
Ein Stück Heimat
Ursus hat sich sehr früh für alle sportlichen Betätigungen interessiert und in der Unione Sportiva Ascona (USA) seine Heimat als Kunstturner gefunden. Er war damit sehr erfolgreich, hat viele Goldmedaillen in und für die Schweizermannschaft gewonnen. «Der Turnverein Ascona ist mit uns gross geworden», so Ursus Muff weiter (mit uns meint er seinen verstorbenen Kollegen Mino Valsecchi). Ursus Muff erinnert sich auch gut an die Zeit in Magglingen, wo er mit Jack Günthard, dem damaligen Chef Kader Elitesport trainierte. «Er war ein gutmütiger Mensch. Er setzte sich aber auch resolut für seine Ziele ein.»
Mit Dimitri zusammengearbeitet
Als die Sportorganisation USA einen neuen Präsidenten bekam, zog Ursus mit dem alten Präsidenten aus und sie gründeten das Team der Clowns, hatten Aufführungen in der ganzen Schweiz und sammelten Gelder («zirka eine halbe Million Franken») für das Paraplegiker Zentrum in Nottwil und noch eine andere Organisation für behinderte Kinder. «Akrobatisch war ich ein bisschen besser», sagt Ursus mit einem Lächeln, als er erwähnt, dass er auch viel mit Dimitri zusammengearbeitet habe. «Er war drei Jahre älter wie ich», hält Ursus Muff fest und kommt ins Grübeln, wie lange dieser schon tot ist. Ursus versteht es gekonnt auf die Menschen zuzugehen. So hatte er auch keine Hemmungen einmal den Bischof von Lugano aus den Zuschauerrängen auf die Bühne zu holen. «Sie haben uns gerufen», sagt er zu Veranstaltungen in Genf, Bern, Luzern, der Muba oder in Deutschland, wo sie auftraten.
Gute Freunde
1999 erlitt Ursus Muff einen schweren Unfall. Er wurde auf dem Fussgängerstreifen von einem Auto angefahren und war zwei Tage bewusstlos. «Da ich mich im Versicherungswesen auskenne, bat er mich um Hilfe», sagt Edita Soldati. Ursus Muff ergänzt: «Nach zwei Jahren Advokatengeschichte ging die Rechtsprechung zu meinen Gunsten aus.» Edita Soldati hat Ursus Muff 1966 in eben dieser Turnhalle in Ascona kennen gelernt. «Wir sind seit dieser Zeit gute Freunde, aber kein Paar», schildert die über Laufenburg hinaus bekannte Kunstschaffende Soldati. Sie ist 2002 vom Laufental ins Tessin gezogen, weil ihr Vater schwer erkrankte. Sie konnte im Haus von Ursus in Gordola ein Zimmer beziehen. «Ich bin Tessinerin, in Losone aufgewachsen, fühle mich aber im Norden wesentlich wohler», hält sie gegenüber der NFZ fest. Nach dem Tode ihres Vaters wollte sie wieder zurück in die Deutsche Schweiz. Ursus wollte mit. 2009 kauften sie zusammen das Haus an der Marktgasse 179 in Laufenburg. Schon beim Betreten fällt jedoch etwas «Tessin» auf; der Fussboden. In seiner freudigen Art sagt das Ehrenmitglied des Turnverein Ascona sowie des Tessiner Turnverbandes, Ursus Muff, dass er von dort immer noch Einladungen erhalte. «Jeder Kunstturner muss sieben Geräte können», sagt er befragt nach seinem Lieblingsgerät. «Am Pferd-Pauschen war ich auch Schweizermeister, in Frauenfeld», macht es dann klar. Ursus ist ein gemütlicher Mensch. «Ich kommuniziere aber auch ganz klar, was ich nicht will.» So hat es ihm auch fast die Sprache verschlagen, als er beim Gang zur Post diese Teerwüste am Eingang zur Laufenburger Altstadt sah und er handelte. «Die Kinder haben ganz spontan mitgemacht», freuen sich Ursus Muff und Edita Soldati über die gelungene Platzverschönerung.