Hüttenzauber und Knochenjob

  13.06.2021 Persönlich, Wölflinswil

Adrienne Thommen ist SAC-Hüttenwartin

Die Wölflinswilerin Adrienne Thommen startet in ihre vierte Sommersaison auf der Windegghütte im Triftgebiet oberhalb der Sustenpass Route. Mehr oder weniger über Nacht geriet sie, beziehungsweise die Hütte, ins Scheinwerferlicht.

Bernadette Zaniolo

«Hüttenwartin zu sein, ist eine Challenge», sagt Adrienne Thommen. Die Augen der 57-Jährigen funkeln jedoch. Die Mutter von vier erwachsenen Kindern zieht es wieder auf die «Windegghütte». Seit 2018 ist sie Gastgeberin der Berghütte des Schweizerischen Alpenclubs SAC. Diese befindet sich in der Nähe der bekannten Trifthängebrücke im Haslital. Von der Bergstation der Triftbahn beträgt die Marschzeit rund zwei Stunden. Wenn das Wetter mitmacht, beziehungsweise der Weg möglichst ohne Schnee begehbar ist, wird die Wölflinswilerin ab 19. Juni auf der Hütte wieder für das Wohlbefinden ihrer Gäste sorgen; Tagestouristen und solche, die auch eine oder mehrere Nächte bleiben.

«Ich bin ein bisschen ein Apéro-Mensch»
«Ich bin wirklich gerne Gastgeberin und verwöhne sie gerne», sagt sie beim Gespräch, das wir im «Piazza» in Frick, vor ihrer Abreise in ihre Zweitwohnung, führen. Beim Blick in das Fotoalbum – mit unter anderem Eindrücken in die Kuchen- und Dessertauswahl – bekommt man nicht nur «Gluscht». Man fragt sich, wie das auf einer Berghütte, wo das Material hinaufgef logen werden muss und die Platzverhältnisse bescheiden sind, möglich ist. Sechs bis sieben hausgemachte Kuchen sind im Tagesangebot. «Fertigprodukte haben in meiner Küche nichts verloren», sagt Thommen mit Überzeugung. Und mit einem Schmunzeln fügt sie an: «Ich bin ein bisschen ein Apéro-Mensch.» So nutzt sie immer wieder Gelegenheiten, um auch das Küchenteam mit Häppchen zu verwöhnen. Das «Fricktaler Plättli» ist für sie ein Muss auf der Speisekarte und dieses führt denn auch zu Fragen und Gesprächen.

Viel Arbeit und Verzicht
So idyllisch und schön dies alles tönt, der Alltag einer Hüttenwartin ist mit viel Arbeit und Verzicht verbunden. Jedes Jahr würden rund 20 Personen den Hüttenwartekurs besuchen. «Vieles sind Quereinsteiger», sagt Thommen. Ihnen wird spätestens dann auch bewusst: «Man hat nicht nur wenig, sondern null Privatsphäre.» Bei vielen bleibt es so auch beim Traum. Man merkt, Thommen hat in den letzten Jahren einiges erlebt (bevor sie die Windegghütte übernahm, hatte sie schon zwei Jahre bei der Vorgängerin gearbeitet und war zehn Jahre mit ihrem Mann und den Kindern Ferienvertretung auf der Sewenhütte im Meiental).

Für Adrienne Thommen ist die Welt, da oben auf fast 2000 Metern, in Ordnung. «Das Ausland reizt mich nicht. Noch nie», so ihre Antwort auf die entsprechende Frage. Aufgewachsen ist Adrienne Thommen im Gastgewerbe in Niedergösgen; zusammen mit einer Schwester und einem Bruder. Sie ist gelernte Köchin. Nach der Lehre hat Adrienne Thommen eine Sommer- und Wintersaison in Meiringen – dort wo sie nun die Zweitwohnung hat – gearbeitet («der Kreis schliesst sich»). Lange hat Thommen im Schloss Biberstein gearbeitet und 15 Jahre ihrem Bruder im Catering ausgeholfen. Seit 30 Jahren wohnt sie in Wölflinswil. Sie ist verheiratet (ihr Mann ist auch selbstständig tätig) und hat vier erwachsene Kinder im Alter von 25 bis 29 Jahre. Ihre Kinder und ihr Mann unterstützen Adrienne Thommen tatkräftig; insbesondere, wenn es um handwerkliche Tätigkeiten oder die Betreuung der Homepage geht.

Treues Team
Im Team der Windegghütte sind etliche Personen aus dem Fricktal; die einen kommen zwei, drei Mal pro Saison ein paar Tage am Stück, andere leisten Einsätze von ein bis drei Wochen. «Jede Helferin und Helfer weiss bereits, wann sie oder er kommt. Acht Personen kommen schon das vierte Jahr.» Zwei Mal während der Saison (sie dauert von Juni bis Oktober) auf der Hütte nimmt sich Adrienne Thommen drei bis vier Tage frei. «Die plane ich und gehe dann mit meinem Mann auf eine Bergtour.» Mit dabei sind dann immer auch ein oder zwei Angestellte. Dieses Jahr sei das Sustenhorn das Ziel. Bei solchen Touren sei natürlich eine Bergführerin dabei.

Plötzlich im Scheinwerferlicht
Der Berg war es dann auch, der über Nacht das Hüttenleben von Adrienne Thommen und Nicole Naue in den Fokus des Fernsehens brachte. Nicole Naues Hütte, die Trifthütte, wurde Ende Januar 2021 von einer Lawine zerstört. Die Trifthütte ist eine der SAC-Hütten, die auch im Winter in Betrieb ist. Thommen gab der Trifthütten-Wartin Gastrecht und öffnete die Windegg-Hütte erstmals im Winter. Damit rückte die Fricktalerin, wenn auch nur am Rande, ins Scheinwerferlicht der Fernsehsendung «Winter-Hüttengeschichten» von SRF. «Im Winter brauchst du jemand, der die Situation am Berg einschätzen kann. Man braucht sehr viel Ahnung vom Wetter. Das hat Nicole.»

Ihre erste «Winter-Hütten»-Saison in der Windegghütte hat Adrienne Thommen als viel lockerer erlebt als während der Sommersaison. Dies weil im Winter keine Tagesgäste kommen. Das wäre auch nicht gegangen, wenn die Hütte voll belegt gewesen wäre. «Die Kleiderwäsche ist ein ‹Projekt› für einen ganzen Tag», sagt die Wölflinswilerin. Und sie merkt schmunzelnd an: «Wie zu Gotthelfs Zeiten wurde die Wäsche in der Stube beziehungsweise in der Gaststube aufgehängt.» Nach sechs Wochen auf der Hütte freute sie sich, wieder mal im Tal so richtig duschen zu können. Auch die Kälte sei eine richtige Herausforderung gewesen.

Aber auch im Sommer gibt es «Hüttengeschichten» oder vielmehr Erlebnisse. So gäbe es Menschen, die kurzfristig zum Abendessen einen Tisch reservieren wollen, ohne zu wissen, dass die Bahn die letzte Talfahrt um 16 Uhr hat. Aber auch schöne Begegnungen, unter anderem mit dem Möhliner OL-Weltmeister Matthias Kyburz, der unbedingt mithelfen wollte oder Fabienne Louves, der Gewinnerin der SRF-Casting-Show «MusicStar».

«Mein Ziel ist es, dies bis zur Pensionierung zu machen», sagt Thommen auf die entsprechende Frage, wobei natürlich die Gesundheit eine Voraussetzung sei. Klar sagt sie auch: «Die Windegghütte wird eine Sommerhütte bleiben.» Schon deshalb, weil es eine einfache Hütte ist. Adrienne Thommen freut sich bereits wieder besonders auf Gäste, die das «Familienferien»-Angebot nutzen. Die Fricktalerin und ihr Team bieten den Kindern mit Steine bemalen, Backen, Desserts kreieren usw. einiges an Abwechslung.

www.windegghuette.ch


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