«Wir nehmen es ganz Freestyle»

  06.01.2021 Möhlin

Das Freestyle Team Fricktal und die Herausforderung im Corona-Winter

Die Sommersaison sah noch ganz gut aus, doch seit Herbst harzt es heftig. Die immer strikteren Corona-Einschränkungen treffen auch das Freestyle Team Fricktal in Möhlin. Statt auf Wettkämpfe im Schnee hofft man jetzt, dass wenigstens die Skipisten als letzter Trainingsort teilweise geöffnet bleiben. Ansonsten wird sich die Wintersaison komplett «freestyle» gestalten.

Birke Luu

«Wir passen uns stets an und versuchen, das Beste aus der aktuellen Lage zu machen. Eine langfristige Planung ist uns für die Saison verwehrt», lautet Tobias Mahrers sachliches Fazit in Anbetracht der sich laufend verändernden Corona-Vorgaben. Der 19-jährige Möhliner ist aktives Mitglied und Pressechef des Freestyle Teams Fricktal (FTF) und trainiert zudem die U14-Mannschaft. Das FTF sei hauptsächlich auf Ski und Snowboard in den Kategorien Slopestyle und BigAir fokussiert. Also auf verschiedene Tricks und Sprünge über kleine, grosse und ganz grosse Schanzen. Die derzeit 117 Aktiv-Mitglieder kämen vor allem aus dem Fricktal und dessen Umgebung, jedoch zählen auch Athleten aus der ganzen Schweiz dazu. So beispielsweise Jonas Hunziker, der 2014 gar an den olympischen Winterspielen teilnahm. Das FTF tritt zwei- bis dreimal jährlich auch an Shows auf. «2018 beispielsweise konnten wir uns am Zürifescht drei Tage lang in 13 Shows vor mehreren 100 000 Zuschauern präsentieren», schwärmt Tobias Mahrer. Doch auch an Dorffesten, Mögas oder Unternehmensfeiern würden sie ihre Künste zeigen. Dies nicht auf der Skipiste, sondern auf der «Teppichpiste», dem Trampolin oder der Wasserschanze. Ihrer eigenen.

Diese befindet sich – gut sichtbar mit ihrem rund zwölf Meter hohen Gerüst – am Rheinufer beim Kraftwerk Möhlin, wo an vielen Sommer-Wochenenden trainiert wird. Schwer vorstellbar, aber wahr, früher hat man sie auch schon ein paarmal transportiert. «Die Schanze war sogar schon mal mit uns in Peking», erzählt Tobias Mahrer. Die Schanze sei elementar fürs Training. Neue Tricks, erklärt er, würden zuerst auf dem Trampolin geübt, um ein Gespür für die Drehungen zu erhalten. Danach gehe es auf die Wasserschanze, um dasselbe mit Skiern an den Füssen zu probieren. «Dies ist meistens eine ganz andere Sache, da der Körperschwerpunkt mit Skischuh und Ski tiefer liegt.» Als letzten Schritt wage man sich schliesslich auf die Schanzen des Snowparks, wo man den neuen Sprung «einfach ausprobieren müsse.» Wohl kein Problem für die tendenziell unter 25-jährigen Freestyler, die zumeist noch weitere Freestyle-Sportarten wie Motocross, Biken oder Skaten ausüben.

Allmähliches Herunterfahren
In dieser Sommersaison konnte, laut Tobias Mahrer, relativ normal trainiert werden – Kraft, Koordination und Geschicklichkeit mit oder ohne Trampolin in der Möhliner Steinli-Halle. Und selbst das Trainingslager auf dem Gletscher bei Zermatt durfte stattfinden. Dieses sei immer sehr gefragt, da es beim Ski-Freestyle darauf ankomme, in Übung zu bleiben, und man durch das Sommerlager die Lücke zwischen April und Dezember verringern könne. «Wir hatten Schlimmeres befürchtet für die Sommersaison, da ist man froh, wenn es besser gekommen ist.»

Die Probleme begannen im Herbst, als erst aus eigenem Antrieb das Herbstlager abgesagt wurde und schliesslich auch der offizielle Saisonbeginn Ende November inklusive Wettkampf auf dem Glacier 3000. Der Vorstand wollte so die Gesundheit der Athleten schützen. «Durch die 10-Personen-Regel und Maskenpflicht sind immer weniger Mitglieder ins Training gekommen», erzählt Tobias Mahrer. Anfang Dezember sei das Hallentraining dann ganz eingestellt worden. Auch die offizielle Wettkampfsaison ist bis 21. Januar abgesagt. «Ob es danach noch einen Neustart geben wird, ist fraglich», urteilt der Pressechef. Die Situation lasse aus sportlicher Sicht zu wünschen übrig. Man hoffe, dass nicht alle Skigebiete schliessen müssen, denn damit würde dem Team der letzte mögliche Trainingsort genommen. Sehr gerne würde das Freestyle Team, unter Einhaltung eines Schutzkonzeptes, in kleinen Gruppen Trainings im Schnee durchführen. Mögen die Sprünge der Freestyler waghalsig sein, ihr Verhalten ist es jedoch nicht. Wenn der Bundesrat es für wichtig erachte, die Skigebiete zu schliessen, dann würden sie das akzeptieren. «Ich bin mir sicher, dass auch Herr Berset lieber einen Hügel runterkurven würde, als in Bern zu sitzen», schmunzelt er.

Winterpläne Marke «Freestyle»
Was würde ein Winter ohne Skiakrobatik für das Freestyle Team Fricktal bedeuten? Die Skiakrobatik würde vielen sehr fehlen, weiss Mahrer. «Es ist wirklich ein aussergewöhnliches Gefühl, so durch die Luft zu fliegen.» Zu Beginn jeder Saison sei dies wieder ein neuer Kick, der so schnell auch nicht ersetzbar sei. Was aber in der nächsten Zeit nun erst einmal zähle, sei Selbstinitiative. Also, «von sich aus draussen trainieren gehen und sich fit halten.» Das würden auch die meisten machen, oft in Verbindung mit ihren anderen privaten Sportaktivitäten wie Trailrunning, Biken oder Skaten. Zudem habe der Verein den Mitgliedern diverse Home-Workouts zur Verfügung gestellt.

Klar ist jedoch, dass die Mehrheit der Freestyler diesen Winter «nicht auf die Anzahl Skitage kommt, welche sie in einer normalen Saison hätten.» Dadurch werde ihr avisierter sportlicher Fortschritt dieses Jahr definitiv kleiner sein als geplant. Doch sollte es die Corona-Lage wieder zulassen, würde man das Trainingsprogramm hochfahren, damit das Freestyle Team mit den Athleten wenigstens an deren Tricks arbeiten könne, solange es keine Wettkämpfe gebe. Training zu Hause, in der Halle oder im Schnee, das FTF macht das Beste aus der gegenwärtigen Situation. Das Freestyle Team Fricktal schaut nach vorne, reagiert pragmatisch und flexibel – mit anderen Worten: «Wir nehmen es ganz Freestyle», wie Tobias Mahrer abschliessend verrät. Denn, die nächste normale Saison werde irgendwann sicher wieder kommen.


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