«Diese Arbeit war sehr beglückend»
27.01.2021 Persönlich, RheinfeldenIrene Bush im Einsatz für Jugendliche am Rand der Gesellschaft
Während über 20 Jahren arbeitete Irene Bush aus Rheinfelden für Terre des Hommes Schweiz. Sie war viel in Afrika und Südamerika unterwegs und unterstützte Jugendliche in schwierigen Situationen.
Janine Tschopp
Dass sie Menschen gern hat, wird, wenn man Irene Bush begegnet, schon in der ersten Minute klar. Und wenn sie dann beginnt, aus ihrem Leben zu erzählen, bestätigt sich dieser erste Eindruck.
Während 21 Jahren arbeitete sie für Terre des Hommes Schweiz. Anfangs in der Administration. Aufgrund ihrer Erfahrungen, die sie zuvor bei der AIDS-Hilfe Aargau sammelte, unternahm sie schon bald ihre erste Reise nach Tansania. Dort erlebte sie viele Jugendliche, die aufgrund einer HIV-Infektion ihre Eltern und Verwandten verloren hatten, und allein dastanden. Bald realisierte Irene Bush, dass die jungen Menschen nicht nur Essen, eine Unterkunft und eine Schule brauchten, sondern auch psychische Unterstützung. «Sie verloren ihr Zuhause.»
So baute sie bei Terre des Hommes Schweiz vor 15 Jahren die Fachstelle Psychosoziale Unterstützung (PSS) auf. Drei bis vier Mal pro Jahr bereiste sie Länder in Afrika und Südamerika und leitete dort und in der Schweiz PSS-Workshops. Dabei ging es darum, Jugendlichen Perspektiven aufzuzeigen. Ihnen zu lehren, wie sie ihr Leben selber in die Hand nehmen können, um nicht mehr von anderen Menschen abhängig zu sein. «Wir beschäftigten uns im Kurs damit, die Stärken jedes einzelnen Jugendlichen herauszufinden. Wir lehrten ihnen, unter Berücksichtigung ihrer Stärken, Ziele zu setzen und diese auch zu erreichen.»
Ein Ziel von Irene Bush war stets, das Selbstvertrauen bei den jungen Menschen wiederaufzubauen. «Bei jungen Menschen, deren Leben von Armut, Gewalt, Krankheit und Arbeitslosigkeit geprägt ist, ist das Selbstvertrauen oftmals total verschwunden», erklärt Bush.
Eine beglückende Arbeit
«Es war sehr beglückend», sagt Irene Bush, wenn sie an die Arbeit mit den Jugendlichen zurückdenkt. Und auf die Frage, was ihr am meisten geblieben sei, wusste sie keine konkrete Antwort. Sie habe auf ihren Reisen «ganz viel» erlebt, was sie nie vergessen werde. Sie versucht, eine generelle Aussage zu machen: «Immer wieder beeindruckt hat mich, wie sich viele Frauen in Afrika engagieren. Sie arbeiten von früh bis spät und wollen einfach nur das Beste für ihre Kinder. Sie wissen zwar, dass Bildung für ihre Kinder wichtig wäre, aber es kostet zu viel. Schon eine Schuluniform oder ein paar Hefte können sie sich kaum leisten.»
Dann erzählt Irene Bush von einer jungen Frau aus Peru, die mit 13 Jahren als Hausmädchen sehr viel arbeiten und sexuelle Übergriffe erleben musste. «Am Anfang getraute sie kaum, darüber zu sprechen», erinnert sich Irene Bush. Später besuchte die junge Frau viele Abendkurse, und heute ist sie Lehrerin.
Nicht nur mit dieser jungen Frau aus Peru, sondern auch mit vielen anderen Menschen aus Südamerika und Afrika hat Irene Bush heute noch immer regelmässigen Kontakt. Sie bewundert Menschen, welche die Hoffnung nie aufgeben. «Ich schätze die Lebensfreude und die Herzlichkeit, die diese Menschen ausstrahlen. Für mich sind das alles Lebenskünstler. Ich habe nie so viel gelacht wie auf meinen Reisen.»
Obschon Irene Bush seit Ende 2020 offiziell in Rente ist, wird sie sich nach wie vor bei Workshops für Jugendliche engagieren und der Entwicklungsorganisation beratend zur Seite stehen. Dass die psychosoziale Unterstützung auch ohne sie weiterläuft, macht sie glücklich. Es war immer ihr Ziel, in den Workshops Wissen zu vermitteln, das weitergegeben wird und nachhaltig zur Unabhängigkeit der Jugendlichen beiträgt.
Schon als Kind viel gereist
Irene Bush ist als Tochter eines Küchenchefs schon als Kind viel gereist. Von Luzern nach Basel über Jerusalem, wo ihr Vater Küchenchef in einem Luxushotel war. Später zog die Familie wieder in die Schweiz nach Brugg und später ins Wallis.
Für die Ausbildung zog es sie nach London, wo sie die Kunstgewerbeschule besuchte. Dort lernte sie ihren Mann kennen und gründete eine Familie. Sie lebten dann in Basel, später in Rheinfelden und auch eine Zeitlang in Wegenstetten.
Seit rund 20 Jahren ist sie wieder in Rheinfelden zu Hause. Obschon sie sehr gerne reist, sagt sie: «Der Mensch braucht eine Basis, ich fühle mich wohl hier.» Sie ist dankbar und schätzt, dass sie hier wohnen darf. Wie geht sie mit Menschen um, die bei uns unzufrieden sind, obwohl wir, verglichen mit anderen Menschen, im Paradies leben? «Es ist menschlich, dass man vergisst, wie schön es hier ist», gibt sie zur Antwort.
Bei der 64-Jährigen wird auch im neuen Lebensabschnitt keine Langeweile aufkommen. Einerseits wird sie sich ein Stückweit weiterhin für Terre des Hommes Schweiz engagieren. Andererseits geniesst sie es, mehr Zeit zu haben. Sie liest sehr viel. Auch freut sich die ehemalige Kunsttherapeutin darauf, wieder einmal Zeit fürs Malen zu haben. Zudem liebt sie es, mit ihren Kindern und Grosskindern, die alle in der Region leben, zusammen zu sein. Und im Leben nach der Corona-Pandemie wird sie wieder fleissig Theater, Konzerte und Ausstellungen besuchen.
Sie freut sich, dann wieder vermehrt Menschen zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen. «Menschen sind so spannend», strahlt sie. Dieser erste Eindruck ist also bis zur letzten Minute des Gesprächs geblieben: Irene Bush hat Menschen gern. Und sie hat es geschafft, vielen Menschen, welche in einer fast ausweglosen Situation waren, Hoffnung zu geben und sie auf einen Weg zu bringen, wo sie wieder eine Perspektive für ihr Leben fanden.