Bözer lässt Modemarke Switcher aufleben

  19.11.2020 Bözen, Gewerbe

Aktuell sind vor allem Stoffmasken gefragt

Als Corona kam, sah Marc Joss schwarz. Mittlerweile freut sich der CEO der wiederbelebten Modemarke Switcher über viele neue Aufträge.

Stefan Haller / Generalanzeiger

Wer kennt nicht das sympathische Logo der Schweizer Modemarke Switcher – den Walfisch? Seit 1981 steht er beim einstigen Waadtländer Textilunternehmen Switcher für trendige Kleidung, die in Indien sozial und ökologisch verträglich hergestellt wird. Im August 2016 wurde über die von Robin Cornelius gegründete Firma der Konkurs verhängt, der Switcher-Wal drohte zu stranden. Doch dank Marc Joss aus Bözen lebt die Firma weiter.

Büro im Weinbaudörfchen
Lässig gekleidet – natürlich in einem T-Shirt seiner eigenen Marke –, sitzt Marc Joss im alten Elfinger Gemeindehaus. Dort, wo früher die Einwohner am Schalter ihre Begehren vorbrachten, hat er heute den Sitz seiner international tätigen neuen Handelsgesellschaft Switcher Trading Sàrl angesiedelt. «Ich brauche keinen mondänen Vorzeigesitz; mitten im Weinbaudörfchen fühle ich mich sehr wohl», erklärt der 44-Jährige. Ein Laptop, einen Sitzungstisch, Stauraum für Kleiderboxen sowie eine Kamera für Modeshootings: Mehr benötigt der smarte Jungunternehmer nicht, um erfolgreich tätig zu sein. Aber wie fand der junge Fricktaler zur Firma Switcher, und wie wurde er letztlich zu deren Retter? Nach einer Detailhandelslehre bei Brühlmann Grässli in Aarau in der einst beliebten Branchenkombination Haushalt, Eisenwaren und Sport, wechselte der sportbegeisterte Bözer ins Bekleidungsgeschäft, zur Firma Mammut in Seon, wo er aber nur kurz blieb. Nach zwei Saisons als Skilehrer und Servicemann in Grimentz im Wallliser Val d’ Anniviers und aufgrund seiner damaligen Freundin – einer Französin – blieb der Aargauer im Waadtland hängen und fand bei Switcher später seinen neuen Traumjob als Kundenberater im Aussendienst für die Deutschschweiz.

Er sei sehr früh online-affin gewesen und habe geahnt, dass die Zukunft des Verkaufs im Onlinegeschäft liege, sagt Joss. Dies habe ihm firmenintern viele Feinde eingetragen. Doch der Aargauer blieb seiner Linie treu und half mit, den Switcher-Onlineshop ab 2003 aufzubauen, der relativ schnell eine Million Umsatz gemacht habe. «Im Nachhinein hätte man die Strategie viel konsequenter fahren sollen», weiss Joss heute. Zunächst ging es aufwärts mit Switcher. 2006 wurde mit über 100 Millionen Franken der grösste Umsatz erreicht. Die Firma war stark dank zwei Standbeinen: dem Business to Business und der Veredelung von Firmenbekleidung, also zum Beispiel der Beschriftung von T-Shirts mit Firmennamen und -logos.

Als Anfang vom Ende des langsamen Niedergangs bezeichnet Marc Joss das Jahr 2007. «Es kamen sehr viele Produkte zurück, manche Kollektionen lagen wie Blei im Lager und belasteten die Rechnung. Ein Finanzinvestor redete plötzlich überall mit, was den Eigentümer verunsicherte.» Es kam, wie es kommen musste, die Firma ging Konkurs.

Visionäre Firmenphilosophie
Marc Joss hatte aber etwas dagegen, dass die legendäre Textilmarke mit ihrem berühmtesten T-Shirt-Klassiker «Bob» sang- und klanglos vom Erdboden verschwinden sollte. Zusammen mit seinem Berner Geschäftspartner und grössten Schweizer Switcher-Kunden, der Werk5 AG, übernahm er 2017 die Markenlizenz für die Schweiz. Nach zwei erfolgreichen Jahren des Neustarts mit kleinem Sortiment und dank guten Beziehungen zu den Markeninhabern kam 2019 ein Produktionspartner und Investor mit an Bord. So konnte man die Marke ab Januar 2020 wieder als eigenständige Firma und in grösserer Form mit Marc Joss als Geschäftsführer führen. Dieser glaubt an die Idee: «Switcher war immer schon sehr visionär. Unsere Partner in der indischen Stadt Tirupur zahlen ihren Mitarbeitenden einen höheren Medianlohn als üblich, und es gibt eine eigene Schule mit Schulbus für deren Kinder.» Beim ganzen Produktionsprozess, vom Garn übers Nähen bis zur Veredelung, werde auf Nachhaltigkeit geachtet, was nicht selbstverständlich sei in Indien.

Erfolgreicher Neustart in schwierigen Zeiten
Rasch gelang es Joss, wieder Vertrauen zu schaffen. 42 Produkte befinden sich aktuell im Switcher-Sortiment. Erste Grosskunden wie das Warenhaus Loeb in Bern kehrten zurück. Dann schlug die Corona-Bombe ein. Doch der seit einigen Jahren wieder ins Heimatdorf zurückgekehrte Marc Joss (heute ist er auch Gemeinderat, im Turn- und im Theaterverein von Bözen aktiv) wusste sich auch hier zu helfen. Dank dem innovativen indischen Partner Sulochana der Famillie Murugan, investierte man in neue Produkte. Seit Februar werden in Tirupur für Switcher dreilagige Stoffmasken hergestellt, die über einen laborzertifizierten Schweizer Virenschutz namens «HEIQ Viroblock» verfügen. «Unsere Partner sind spezialisiert auf hochtechnische Textillösungen, deshalb konnten wir kurzfristig reagieren», so Joss.

Speziell nachgefragt würden jetzt «Halsschläuche» für Wintersportler, die gleichzeitig Kälteschutz und Viren-Maske sind. «Einige Kunden möchten gleich 10 000 Stück davon», sagt Joss, «im Moment operieren wir sozusagen am offenen Herzen. Der Produktionsdruck und die Nachfrage sind enorm.» Dies freut den Unternehmer natürlich, denn noch im März sah er angesichts der Krise schwarz, doch bereits seit April steigen die Umsätze des Onlineshops wieder an. Auch wenn er nun von der Krise profitiert: «Mein Wunsch wäre, dass es keine zweite Welle gäbe und wir statt Stoffmasken weiter in unser Bekleidungssortiment investieren könnten», meint Joss nachdenklich.


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