Soll die Schulpflege abgeschafft werden?

  03.09.2020 Aargau, Schule, Abstimmungen

Abstimmung vom 27. September: Neuorganisation der Führungsstruktur der Aargauer Volksschule

Pro

Die Zeit ist reif

Mit Einführung der geleiteten Schule wurde es verpasst, die Führungsstrukturen als Ganzes zu überdenken, wie es im Kanton Solothurn gemacht wurde. Dort gibt es keine Schulpflegen mehr. Auch im Aargauer Parlament sind mehrere Vorstösse zur Abschaffung der Schulpflegen eingereicht und überwiesen worden. Daraufhin hat der Regierungsrat die Struktur geprüft und festgestellt, dass eine Weiterentwicklung des heutigen Führungsmodells mit Schulpflegen keinen Mehrwert bieten würde. Einzig mit der nun vorgeschlagenen Reduktion der Anzahl Führungsinstanzen werden die Strukturen vereinfacht, der strukturelle Überbau wird verschlankt und der Verwaltungsaufwand abgebaut.

Seit der Einführung der «Geleiteten Schule Aargau» im Jahre 2006 haben sich Schulen mit Schulleitungen etabliert. Die Schulleitungen führen die Schule und die Lehrpersonen im Schulalltag und sind Ansprechperson für alle schulischen Fragen. Viele der früheren Aufgaben der Schulpflegen haben sich seit der Einführung der geleiteten Schule im Rahmen der Professionalisierung des Schulbereichs zu den Schulleitungen oder zu den Schulverwaltungen verschoben. Die Führung, Planung und Koordination im Schulalltag liegen heute weitgehend bei der Schulleitung. Sie sind erste Ansprechperson für alle schulischen Fragen.

In der neuen Führungsstruktur übernimmt der Gemeinderat die übergeordnete Gesamtverantwortung für die Schule. Die strategische und finanzielle Führung der Schule gehören in eine Hand! Alle Kompetenzen und Aufgaben der Schulpflege werden künftig an den Gemeinderat übertragen. Dies ermöglicht eine leistungsfähige und effiziente sowie ressourcenschonende Schulführung. Da sich künftig auch der Gemeinderat inhaltlich deutlich stärker mit dem Bereich Schule auseinandersetzen wird, können strategischfinanzielle Überlegungen und entsprechende Massnahmen gut beurteilt, zeitnah geplant und direkter umgesetzt werden. Wie in anderen Bereichen der Gemeinde (beispielsweise Kultur, Bau oder Soziales) kann der Gemeinderat auch im Bereich der Schule eine Kommission einsetzen. Der Umgang mit gemeinderätlichen Kommissionen ist in der Gemeinde seit langem etabliert.

Der Gemeinderat als oberstes Führungsgremium und Finanzverantwortlicher der Gemeinde ist eine demokratisch gewählte Behörde. Der Gemeinderat steht gegenüber der Bevölkerung künftig auch für den Bildungsbereich in der politischen Gesamtverantwortung, so wie er dies in den anderen kommunalen Aufgaben- und Verwaltungsbereichen der Gemeinde seit jeher tut.

Die Zeit ist reif, die Strukturen endlich zu optimieren! Deshalb stimme ich 2 x Ja am 27. September und unterstütze eine zeitgemässe Schulführung!


Contra

Aus Liebe zur Schule

Liebe Leserinnen und Leser, mit Herzblut bin ich Schulpflegerin und setze mich für den Erhalt der Schulpflege im Kanton Aargau ein. Sie soll gestärkt und weiterentwickelt werden.

Mit der geplanten Überwälzung der Verantwortlichkeiten zum Gemeinderat kann von einer Professionalisierung keine Rede sein, gelangten sie so doch von einer Milizbehörde zur anderen. Beim Gemeinderat wird Schule zu einem Geschäft von vielen: Wird ihr dann noch dieselbe Aufmerksamkeit zuteil wie heute?

Wird eine Schulkommission mit Profis eingesetzt, wie das die Gegner der Vorlage monieren, müssten diese Personen zuerst gefunden und vor allem auch bezahlt werden können. Eine Kommission hat ausserdem nur noch beratenden Charakter, keinerlei Kompetenzen, nur ein Antragsrecht. Blieben die Geschäfte gänzlich bei der Schulleitung und / oder beim Gemeinderat, müssten Arbeitspensen erhöht werden. Werden Gemeinderat oder Schulleitung zum Salär eines Schulpflegemitglieds arbeiten?

Ich bin überzeugt, dass die Schulpflege-Abschaffung Mehrkosten generiert, nicht zuletzt deshalb, weil die Vorlage 2013 sistiert wurde – aus Kostengründen! Mit derselben Vorlage kann nach sieben Jahre kaum plötzlich gespart werden!

Letztlich sehe ich in der Abschaffung der Schulpflege einen Demokratieverlust: Heute können Stimmberechtigte Kandidat*innen wählen, die sich explizit für die Belange der Schule einsetzen wollen. Im neuen System weiss man nicht mehr, wer für die Schule zuständig sein wird, denn der Gemeinderat konstituiert sich selbst. So fehlt der Schule die Lobby, das Bindeglied zwischen Bevölkerung und Schule fällt weg. Eine Umfrage des VASP, bei welcher ein Drittel der Lehrpersonen und die Hälfte der Schulleitungen mitmachten, ergab, dass diese Befürchtung gross ist, ebenso die Befürchtung der Machtkonzentration bei einer Person. Wohin kann sich eine Schulleitung bei Schwierigkeiten mit dem Gemeinderat wenden? Wohin wenden sich Lehrpersonen bei Problemen mit der Schulleitung? Oder die Eltern, wenn sie mit einem Übertrittsentscheid nicht einverstanden sind?

Nein, die Schulpflege darf nicht abgeschafft werden: Sie soll professionalisiert werden! Sie soll ein Globalbudget erhalten, damit Finanzen und Strategie unter demselben Dach sind, ein Antragsrecht an Einwohnerrats- bzw. Gemeindeversammlungen erhalten und sich regelmässig weiterbilden. Kompetenzen von Schulleitung und Schulpflege sollten gesetzlich klar geregelt werden. Die Schule braucht ihren eigenen Verwaltungsrat, genauso wie das eine Gemeinde mit dem Gemeinderat auch hat. Die Schulpflege ist eine dem Gemeinderat gleichgestellte Behörde und keine weitere Hierarchiestufe.

Mit einer Abschaffung ändern wir nichts, wir schaffen höchstens neue Unsicherheiten und Risiken. Das ist weder zum Wohle der Lehrpersonen noch der Eltern, und schon gar nicht der Kinder. Aus diesen Gründen bitte ich Sie, am 27. September zu dieser Vorlage 2 x Nein zu stimmen.


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