Wenn eine Torte wie ein Ford aussieht
02.08.2020 PersönlichSimone Knechtle gestaltet in stundenlanger Detailarbeit essbare Kunstwerke
Die 43-jährige Simone Knechtle aus Effingen ist ausgebildete Konditorin-Confiseurin. Sie war auch schon Polizistin. Anfang Juli hat sie sich mit ihrem Cake-Design selbständig gemacht.
Karin Pfister
EFFINGEN. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Modell-Auto, ist in Wirklichkeit eine Torte. Motivtorten nennen sich die Kunstwerke, welche Simone Knechtle in ihrer Backstube in Effingen produziert. Jede Torte ist ein Einzelstück. Die Kundinnen und Kunden kommen mit einem Foto oder einer Idee zu Simone Knechtle; sie setzt die Vision in stundenlanger Kleinstarbeit um. «Für eine grosse Rose brauche ich eine Stunde.»
Viele Stunden Arbeit pro Torte
Rund acht bis zwölf Stunden arbeitet sie pro Werk, je nachdem, wie viele Details produziert werden müssen. Bestellungen müssen mindestens zwei Wochen im Voraus aufgegeben werden – «je früher, desto besser»; da das Formen und Aushärten des Zuckers viel Vorbereitungszeit in Anspruch nimmt. Oft muss Simone Knechtle erstmal Formen herstellen. «Vieles kann ich von Hand modellieren; für ein Pferd zum Beispiel muss ich erst eine Form aus Silikon herstellen, um den Fondant abzuformen.» Nichts wird dem Zufall überlassen. Für einen Ford Edge hat Simone Knechtle im Internet nach Bildern gesucht, die den gewünschten Jahrgang des Autos hatten und dann Windschutzscheiben, Kühlergrill und Kontrollschild originalgetreu nachgebildet.
Manche ihrer Kunden kämen mit fertigen Ideen zu ihr und möchten eine genau Nachbildung eines Fotos oder einer Szene; andere würden ihr freie Hand lassen, indem sie zum Beispiel eine Torte zum Thema «Ferien» möchten. Möglich sei alles; bis jetzt habe es noch kein Thema gegeben, zu dem sie nichts hätte gestalten können. Unterstützt wird sie bei ihrer Arbeit von einem Drucker, der mit Lebensmittelfarbe gefüllt ist. «So kann ich essbare Fotos ausdrucken und auf die Torte kleben.»
Selber beigebracht
Beigebracht hat sich Simone Knechtle ihr Handwerk selber. Während ihrer Ausbildung zur Konditorin-Confiseurin vor 25 Jahren wurde noch das Herstellen von klassischen flachen Torten gelehrt. «Cake Design kommt ursprünglich aus Amerika und hat in den vergangenen fünf Jahren an Beliebtheit gewonnen. Es ist in der Schweiz zu einem Trend geworden.»
Wichtig ist für Simone Knechtle, dass alle Zutaten frisch sind. «Ich kaufe nichts fertig. Ich stelle alles, was möglich ist, selber her.» Die Eier kommen von ihren 30 Hühnern, die Erdbeeren aus ihrem Garten und die Haselnüsse vom Strauch oberhalb ihres Hauses; die Milch holt sie beim Bauernhof gleich gegenüber.
Von der Konditorin zur Polizistin
Seit sechs Jahren wohnt die 43-jährige Simone Knechtle mit ihrem Mann Thomas und der 6-jährigen Tochter in Effingen. Ihre beiden grösseren Kinder sind schon fast erwachsen. Ursprünglich hat Simone Knechtle, die in Klingnau aufgewachsen ist, eine Lehre als Konditorin-Confiseurin in einer Konditorei in Baden gemacht.
Im Alter von 33 Jahren und als alleinerziehende Mutter eines achtund eines zehnjährigen Kindes entschied sie sich, die Polizeischule in Hitzkirch zu absolvieren. Sie bestand die strenge Aufnahmeprüfung und war die erste Aargauer Aspirantin, die schon Mutter war. Danach war sie auf dem Polizeiposten in Lenzburg und bei der Mobilien Einsatzpolizei tätig, ehe sie den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Während ihrer dritten Schwangerschaft wurde bei ihr eine Autoimmun-Erkrankung festgestellt. Ihr polizeiliches Wissen kann sich auch bei Cake Design einfliessen lassen. «Kürzlich durfte ich für die Torte eines Schützen eine Waffe formen.»
Das Backen hat Simone Knechtle während all den Jahren immer begleitet; für ihren Freundes- und Bekanntenkreis führte sie regelmässig kleinere Aufträge aus. Seit Anfang Juli hat Simone Knechtle sich nun mit «Cake-Design Simone» selbstständig gemacht und dafür ihre Büro-Stelle bei einem Tegerfelder Autoersatzteilhandel aufgegeben. Rund 15 bis 20 Torten verkauft sie pro Monat; die meisten Kunden kommen aus der Region. «Im Frühling kam ein Anruf aus Mexiko. Eine Tochter konnte wegen Corona nicht zum Geburtstag ihrer Mutter in die Schweiz fliegen; zum Trost bestellte sie eine Torte für sie.» Das Schönste für Simone Knechtle ist, wenn ihre Kunden zufrieden sind. «Wenn sie mich anstrahlen und wow sagen; das freut mich immer sehr.»