Für den Frieden von Densbüren nach Palästina
10.06.2020 DensbürenWenn Pia Tschupp aus dem idyllischen Densbüren ein Buch schreibt über ihren Einsatz als Menschenrechtsbeobachterin in den von Israel besetzten Gebieten im Westjordanland, dann tut sie das in der Hoffnung, etwas zu bewegen. Anfang Mai ist «Eine Geige für Palästina» erschienen. Für die NFZ kehrte Pia Tschupp gedanklich in die Zeit im Nahen Osten zurück. Eine Reise mit Grenzerfahrungen.
Simone Rufli
Wenn Pia Tschupp reist, tut sie das in der Absicht, Land und Leute kennenzulernen. Ausgetretene Pfade meidet sie. So war das in Afrika, wo sie beruflich tätig war, in Australien, in Indien und wo sie das Reisefieber sonst noch überall hinführte. Die Reise aber, die sie im Januar 2018 antrat, war anders als alles, was sie bisher erlebt hat. Mit dem Auftrag zu beobachten, zu begleiten und zu berichten, versuchte sie während dreier Monate zu verstehen, was es heisst, in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten im Westjordanland zu leben. Pia Tschupp wurde vom Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) und Peace Watch Switzerland als Menschenrechtsbeobachterin nach Palästina und Israel gesandt, wo sie am ökumenischen Begleitprogramm (EAPPI Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel) des Weltkirchenrates teilgenommen hat.
Drei Monate Friedensmission in Palästina. Vor Willkür geschützt durch die Organisation, für die sie als Beobachterin tätig war, verunsichert durch die tägliche Konfrontation mit schwer bewaffneten israelischen Soldaten, herzlich empfangen von der palästinensischen Seite, die ihre ganze Hoffnung in die internationalen Beobachter setzt, habe sie das ganze Spektrum an Gefühlen durchlebt.
Nachbarn in Misstrauen und Angst
2016 war sie schon einmal in Palästina, damals mit einem Chor und Orchester auf Konzertreise. Nach Palästina brachte sie eine Geige mit, weil Instrumente an den Schulen Mangelware sind. Auf jener Musikreise war es, als sie zum ersten Mal von EAPPI hörte – und sogleich Feuer fing. Zwei Jahre später, von Januar bis April 2018 erlebte sie dann den Alltag in einem Teil der Welt, wo die Begegnung zwischen Nachbarn unterschiedlicher Kulturen oft erschwert wird, wo Misstrauen und Angst auf beiden Seiten allgegenwärtig sind.
Nach den obligatorischen Vorbereitungskursen, nach jeder Menge Lektüre über die Geschichte der Palästinenser und Israelis und die Entwicklung in den von Israel besetzten Gebieten musste sie feststellen, dass die Realität noch viel facettenreicher und anspruchsvoller ist. «Ich bin wunderbaren Menschen begegnet in Palästina, und ihre selbstlose Gastfreundschaft hat mich getragen. Dennoch ist es mir nicht immer leichtgefallen, ihren Alltag und ihre Hoffnung, die sie nicht aufgegeben haben, mit ihnen zu teilen, auszuhalten», schreibt Pia Tschupp.
Das Erlebte verarbeiten
Was sie als Menschenrechtsbeobachterin erlebte, hat sie in einem Buch niedergeschrieben, mit vorwiegend eigenen Fotos illustriert, mit Kartenmaterial zur Entwicklung Palästinas von 1947 bis 2017 ergänzt und durch ein Kapitel mit palästinensischen Gedichten und Liedtexten abgerundet. Eindrücklich ist auch das Kapitel, in welchem Tschupp nach der Heimkehr ihr Leben in Palästina mit jenem in Densbüren vergleicht. «Eine Geige für Palästina», so der Titel des Buches, helfe ihr, das Erlebte zu verarbeiten. «Noch wichtiger ist mir aber, dass möglichst viele Menschen auf die unglaublich schwierigen, oft menschenunwürdigen Umstände aufmerksam werden, in denen die Palästinenser seit über 50 Jahren leben», betont die Autorin.
Mit ihrem Buch hat Pia Tschupp nun einen Weg gefunden, nachzuwirken, wachzurütteln, sich für die Sache der Gerechtigkeit und gleichen Rechte für Israelis und Palästinenser einzusetzen. «Die zahlreichen Reaktionen, die ich auf das Buch erhalten habe, machen Mut. Ich darf miterleben, wie meine Erzählungen immer mehr Menschen erreichen, hier in der Schweiz und auch in Palästina.» Dass das Vorwort von Jochi Weil-Goldstein stammt – einem in Zürich lebenden, bekannten Schweizer Juden und unermüdlichen «Brückleinbauer» im Bestreben um einen nachhaltigen Frieden im Nahen Osten – verleiht dem Buch zusätzliches Gewicht.
«Eine Geige für Palästina», Als Menschenrechtsbeobachterin im Westjordanland – Autorin: Pia Tschupp; 140 Seiten, CHF 18.- ISBN 978-3-033-07742-3. – Verkauf: Buchhandlung Letra, Frick oder direkt bei Pia Tschupp in Densbüren (Tel. 062 878 16 04, pia.tschupp@bluewin.ch)
Ein Projekt von HEKS
Im Westjordanland und Ostjerusalem erlebt die Zivilbevölkerung beider Seiten immer wieder gewalttätige Übergriffe und Verletzungen der Menschenrechte sowie des humanitären Völkerrechts. Durch zahlreiche Checkpoints ist die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung stark eingeschränkt. Auf Bitten der lokalen Kirchen und Menschenrechtsorganisationen wurde 2002 das «Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel» (EAPPI) ins Leben gerufen. Seither sind Menschenrechtsbeobachterinnen aus verschiedenen Ländern in Palästina und Israel präsent. In der Schweiz ist HEKS unter dem Patronat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) für die Teilnahme von Freiwilligen am Programm verantwortlich. Das Ziel von «EAPPI» ist es, Palästinenser und Israelis in ihrem gewaltlosen Engagement für Frieden und für die Einhaltung von Menschenrechten zu unterstützen und mit weltweiter Sensibilisierungsarbeit zu einem Ende der Besetzung beizutragen. Ausserdem tragen die internationalen Beobachterinnen durch ihre Präsenz an konfliktträchtigen Orten zum Schutz der Zivilbevölkerung bei. Ihre Arbeit erhöht den Druck auf die Verantwortlichen, sich an internationale Standards zu halten. (Quelle: heks.ch)