Heute unterwegs in Gipf-Oberfrick
01.03.2020 Gipf-OberfrickZwei junge Gipf-Oberfricker darüber, was ihre Heimatgemeinde ausmacht
Beide machen eine Lehre, beide sind in Gipf-Oberfrick geboren und aufgewachsen: Ramona Müller und Joshua Ackle erzählen, was sie an Gipf-Oberfrick schätzen, was nicht – und warum sie sich trotzdem vorstellen können, auch mal wegzuziehen.
Andrea Marti
«Auf dem Hinweg ist mir aufgefallen, dass ich zu Fuss eigentlich nur zehn Minuten durch das ganze Dorf habe. Das war mir vorher gar nicht bewusst!» meint Joshua Ackle erstaunt. Der Gipf-Oberfricker ist achtzehn Jahre alt, macht eine Lehre als Koch und ist in Gipf-Oberfrick geboren und aufgewachsen. Für ihn ist das Dorf klein – aber nicht so klein, dass jeder jeden kennt. Auch Ramona Müller stellt fest: «Unser Dorf wächst immer mehr. In den letzten Jahren kamen immer mehr Neuzuzüger, vor allem Familien.» So sind sich die beiden denn auch einig: Für Kinder – und Familien – ist Gipf-Oberfrick ein ausgezeichneter Wohnort. «Man hat mehrere Spielplätze, Felder und Wälder als Spielflächen und dann noch den Sinnespfad», zählt Joshua auf. Und auch die Schule im Dorf sei ein Pluspunkt, fügt Ramona hinzu. Denn in Gipf-Oberfrick, so ihr Eindruck, könne die Schule «ein bisschen besser mit schwierigen Fällen umgehen, mit denen man in Frick einfach überfordert ist». Von einer Schulzusammenlegung – oder gar einer Fusion von Gipf-Oberfrick und Frick – halten denn auch beide nichts. Allein für die Vorstellung hat Ramona mehr oder weniger nur ein müdes Lächeln übrig, und Joshua findet, dass man eine Fusion im Alltag sowieso nicht bemerken würde, da Fricker und Gipf-Oberfricker Vereine sowieso vielerorts schon zusammengewachsen seien und vor allem Gipf-Oberfricker schon heute Fricker Infrastruktur wie den Bahnhof oder die Badi mitbenützen würden.
Wenig Jobs, wenig Party
Ramona und Joshua sind sich einig, dass Gipf-Oberfrick vieles bietet. Vor allem die guten Bus- und Zugverbindungen f inden die beiden praktisch, denn dank diesen ist man in gut einer Stunde nicht nur in Aarau, sondern auch in Basel oder Zürich. «Gipf-Oberfrick profitiert enorm von seiner Umgebung», meint Joshua. Dabei ist dieser Vorteil aber zugleich auch ein Nachteil: «Wenn man am Wochenende in den Ausgang will, hat man so lange nach Zürich, dass man, ist man mal da, schon fast wieder wegmuss, um noch den letzten Zug zu erwischen». Gerade für junge Leute, finden die beiden, biete Gipf-Oberfrick oft zu wenig. Zwar gebe es eine Bar und einen Jugendraum, aber einen Ort, um wirklich Partys zu feiern, fehle. «Man könnte mehr Bars eröffnen, beispielsweise irgendwo in einem Keller oder in einem Bauwagen», schlägt Ramona vor. Doch Joshua gibt zu bedenken, dass ein solches Projekt vermutlich kein halbes Jahr überleben würde. «Dann fänden alle wieder den Ausgang in der Stadt spannender.»
Hinzu kommt dann für beide noch, dass in und um Gipf-Oberfrick einfach weniger Jobs vorhanden seien als in einer Stadt. Gerade als Koch, meint Joshua, hätte man in einem Dorf wie Gipf-Oberfrick halt nicht so viele Chancen wie in einer Stadt. Und studieren gehe ohne Pendeln natürlich schon gar nicht. Deshalb können sowohl Ramona als auch Joshua nachvollziehen, warum viele Junge wegziehen. Für Joshua steht denn auch schon fest, dass er irgendwann in den nächsten Jahren vermutlich ausziehen wird. Ramona hat noch keine solchen Pläne: «Ich habe es gut zuhause und ich finde es doch schön hier!» Bei diesem letzten Satz nickt auch Joshua: Schön finden sie es halt beide, in Gipf-Oberfrick – auch wenn die Ausgangsmöglichkeiten begrenzt sind.
Sichtfeld und Chriesifest
Doch gerade wenn die Ausgangsmöglichkeiten an einem Ort begrenzt sind, sind grössere Anlässe ein Höhepunkt für ein Dorf – und vor allem für dessen Jugend. So waren denn auch beide schon am «Sichtfeld»-Open-Air dabei, und Ramona ist dieses Jahr sogar im Dekorationskomitee. Das «Sichtfeld», so sind sich beide einig, sei ein Anlass für das ganze Dorf: Vor allem während den Aktivitäten jeweils am Samstagnachmittag, an welchem jeweils Aktivitäten für die ganze Familie angeboten werden, sei Jung und Alt auf dem Open-Air-Areal anzutreffen. Und die Konzerte am Abend, meint Joshua, seien vor allem für 14- bis 15-Jährige eine gute Gelegenheit, ein erstes Mal Open-Air-Luft zu schnuppern.
Neben dem «Sichtfeld» sind sich die beiden weiter einig, dass auch das «Chriesifest», das Gipf-Oberfricker Dorffest, welches alle zwei Jahre stattfindet, zu den Höhepunkten des Dorf lebens gehört. Denn am Chriesifest, stellt Ramona fest, treffe man immer Leute, die man schon lange nicht mehr getroffen habe – vor allem, wenn man in Gipf-Oberfrick aufgewachsen sei. Ausserdem sei es eine gute Gelegenheit für Vereine, da diese sich immer auf unterschiedliche Weise beteiligen könnten. Dass das Fest nur alle zwei Jahre stattfindet, finden die beiden zwar schade, aber verständlich: «Immerhin ist es schon ein ziemlicher Aufwand, so einen Anlass zu organisieren», ist sich Ramona bewusst. Neben diesen beiden Anlässen fallen den beiden keine Anlässe ein, die für Gipf-Oberfrick enorm wichtig wären. «Allenfalls noch die Gemeindeversammlung», meint jedoch noch Joshua. Da er erst knapp 18 ist, war er noch nie an einer Gemeindeversammlung – und hat dies auch nicht vor. Zu öde sei das Format, zu langweilig die Themen. «Dann schau ich mir lieber die ‹Arena› an», findet der 18-Jährige.
Ramona fällt beim Stichwort Gemeindeversammlung noch ein anderes Gipf-Oberfricker Dauerthema ein: Nancy Holten – die Holländerin, die in Gipf-Oberfrick die Kirchenglocken abstellen wollte und seither erstaunlich viel Medienaufmerksamkeit erhält. Holtens Einbürgerungsgesuch wurde von der Gipf-Oberfricker Gemeindeversammlung dreimal abgelehnt – und schliesslich vom Regierungsrat trotzdem bewilligt. So ganz auf Verständnis traf die Einbürgerung durch den Regierungsrat bei Joshua und Ramona nicht. Und auch sonst hat die Holländerin im Dorf immer wieder grosse Diskussionen ausgelöst. Joshua findet: Nancy Holten ist definitiv eines der grossen Dorfthemen, aber nicht nur das: «Holten kennt jeder, nicht nur hier in der Gemeinde, sondern wohl im ganzen oberen Fricktal», ist er sich sicher.
Japaner auf dem Chriesiweg
Weniger nervig, aber dafür umso amüsanter, finden die beiden die Ausstrahlung, die der Chriesiweg in Gipf-Oberfrick hat. Immer noch erstaunt erzählen sie von Extrabussen und ganzen Touristengruppen, welche letzte Jahr in Scharen den Chriesiweg besucht haben. «Sogar Japaner waren da!», erinnert sich Ramona. «Ja, die haben doch etwas mit Kirschblüten, oder?» meint Joshua dazu. So richtig besonders scheinen die beiden den «Chriesiweg» nicht zu finden – dann eher noch den Naturena-Weg, der mit Stationen über alle fünf Sinne ebenfalls Touristen aus ganz verschiedenen Regionen der Schweiz anlockt – oder ganz einfach die Sitzbänke und Feuerstelle, die in und um Oberfrick zum Verweilen, Ausruhen und zum Geniessen einladen. Auch wenn Joshua und Ramona manche Nachteile sehen und vielleicht in den nächsten Jahren irgendwann umziehen: Grundsätzlich gefällt es den beiden schon, hier in Gipf-Oberfrick. Oder, um es mit den Worten von Ramona zu sagen: «Ich finde es halt schon einfach schön hier.»