Rheinfelder versenken das Steg-Projekt
22.10.2019 Abstimmungen, Kommentar, RheinfeldenEin neuer Übergang ist damit auf absehbare Zeit vom Tisch
Es ist so knapp geworden, wie viele erwartet haben: Nach einem intensiven Abstimmungskampf lehnten die Rheinfelder Stimmbürger den Zusatzkredit von 3,2 Millionen Franken für den neuen Rheinsteg mit einem Nein-Anteil von 51,9 Prozent ab.
Valentin Zumsteg
Mit grosser Spannung ist das Ergebnis zur Steg-Vorlage am Sonntag erwartet worden. Im Vorfeld wagte kaum jemand eine Prognose, da sich Befürworter und Gegner quer durch die Gesellschaft und die Parteien fanden. Das Ergebnis fällt dann auch denkbar knapp aus: 1853 Ja stehen 2000 Nein gegenüber. Damit sprechen sich 51,9 Prozent der Stimmenden gegen den Zusatzkredit von 3,2 Millionen Franken für den geplanten neuen Rheinsteg aus. Die Stimmbeteiligung liegt bei 50,7 Prozent.
«Referendum war richtig»
«Es hat sich als richtig erwiesen, dass wir das Referendum ergriffen haben», sagt Béa Bieber von der GLP. Sie will sich jetzt stark machen für «wirkungsvolle Massnahmen zur Stärkung der Rheinfelder Altstadt». Erfreut äussert sich Dimitrios Papadopoulos von der SVP: «Vernunft und Mass haben sich gegen Vision und Traum durchgesetzt. Jetzt gilt es, vorwärts zu schauen», hält er fest. Enttäuscht ist auf der anderen Seite Peter Scholer von der «IG Pro Steg». «Wir trauern. Das ist eine verpasste Chance», sagt er. Der Entscheid sei aber zu respektieren. Aus seiner Sicht gaben die stark gestiegenen Kosten den Ausschlag für dieses Nein.
«Abbruch einer zehnjährigen Arbeit»
Enttäuscht ist man auch bei der Stadt: «Der Stadtrat bedauert diesen Entscheid. Er bedeutet den Abbruch einer zehnjährigen Planungsarbeit von beiden Rheinfelden», so Mazzi. Er spricht ebenfalls von einer «verpassten Chance». «Der Steg hätte für die nächsten 100 Jahre eine positive Wirkung haben sollen.» Für Mazzi ist klar, dass das Thema «neuer Rheinübergang» damit «auf absehbare Zeit» vom Tisch ist. «Es ist praktisch unmöglich, einen kostengünstigeren Steg zu realisieren. Jetzt werden wir das Projekt abwickeln und die bisher aufgelaufenen Kosten abbuchen», so Mazzi. Für die Schweizer Seite sind das rund eine Million Franken.
2016 hatten die Rheinfelder den geplanten neuen Rheinübergang für Fussgänger und Velofahrer noch bewilligt. Damals ging man allerdings von Baukosten in der Höhe von rund sieben Millionen Euro und einem Kostenanteil der Stadt von 1,5 Millionen Franken aus. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass der Steg 12,65 Millionen Euro kosten würde und Rheinfelden/Schweiz davon gut 4,7 Millionen Franken übernehmen müsste. Die Rheinfelder Einwohnergemeindeversammlung vom 19. Juni 2019 genehmigte einen entsprechenden Zusatzkredit von 3,2 Millionen Franken mit 222 Ja gegen 181 Nein. Gegen diesen Entscheid ergriffen die SVP und die GLP erfolgreich das Referendum, deswegen konnten die Rheinfelder Stimmbürger am Sonntag nochmals über den Zusatzkredit entscheiden.
Enttäuschung auf deutscher Seite
Freud und Leid nach dem Steg-Entscheid
Mit dem Nein in Rheinfelden/ Schweiz kann der grenzüberschreitende Steg nicht realisiert werden. Klaus Eberhardt, Oberbürgermeister von Badisch Rheinfelden, bedauert diesen Entscheid.
Valentin Zumsteg
Auf deutscher Seite war alles bereit. Dort hat das Steg-Projekt sämtliche Hürden genommen. Doch gebaut werden kann er nun nicht, Rheinfelden/Schweiz sagte am Sonntag Nein zum Zusatzkredit von 3,2 Millionen Franken. Damit ist das Projekt versenkt. «Das negative Votum der Bürgerinnen und Bürger unserer Schweizer Schwesterstadt zum Bau des Rheinstegs schmerzt mich sehr», erklärt Oberbürgermeister Klaus Eberhardt. Er habe gehofft, dass der Rheinsteg als Symbol der grenzüberschreitenden Kooperation letztendlich auch die Zweifler überzeuge.
«So schwer es auch fällt»
«Selten wurde ein Projekt so stark und nachhaltig gefördert. Alle glaubten an den Rheinfelder Brückenschlag und sahen in ihm ein Leuchtturmprojekt. Es ist traurig, dass wir diese Erwartungen nicht erfüllen konnten», so Eberhardt. Er kann seine Enttäuschung nicht verhehlen: «Auch wenn der Gemeinderat auf deutscher Seite sich zwei Mal mit deutlicher Mehrheit hinter das Projekt gestellt hat, müssen wir die demokratische Entscheidung unserer Schwesterstadt akzeptieren – so schwer es auch fällt.» Eberhardt ist der Meinung, «dass damit eine grosse Chance nicht nur im Hinblick auf einen symbolischen Brückenschlag, sondern auch einer nachhaltigen und zukunftsorientierten gemeinsamen Stadtentwicklung vergeben wurde.» Gleichzeitig betont er aber, dass dieser Entscheid der guten Zusammenarbeit der beiden Rheinfelden keinen Abbruch tun werde.
Freude herrscht bei der SVP und der GLP, welche mit ihrem Referendum dafür gesorgt haben, dass die Vorlage nochmals vors Volk kam. «Der Souverän hat sich für bodenständige Vernunft entschieden», halten die beiden Parteien fest. «Wir sind über dieses Resultat erfreut und deuten es als ein starkes Zeichen dafür, dass die Rheinfelderinnen und Rheinfelder auch in Zukunft eine Finanzpolitik wünschen, die sich am Notwendigen statt am Wünschbaren orientiert.» Die Gegner blicken auch in die Zukunft: «Mit dem Verzicht auf den Steg schaffen wir uns den finanziellen Freiraum, um unvoreingenommen unsere Altstadt stärken zu können. Zielgerichtete Massnahmen sind schnellstmöglich zu definieren und zu ergreifen, um dieses gemeinsame Ziel von Befürwortern und Gegnern des Steg in Angriff zu nehmen.» Abschliessend halten sie fest: «Nach der emotionalen Abstimmungsphase ist es für uns Zeit, jene Brücken zu pflegen, die es wirklich braucht: die zwischen Menschen in Rheinfelden.»
«Finanzielle Kurzsichtigkeit»
Auch die «IG Pro Steg», die sich stark für den Bau des Stegs eingesetzt hat, äussert sich in einer Medienmitteilung: «Es gelang uns leider nicht, einer Mehrheit der Stimmenden die Vorteile eines Rheinübergangs aufzuzeigen; offenbar überzeugt die finanzielle Kurzsichtigkeit. Nun, Rheinfelden wird auch ohne Steg weiterleben – einfach mit einer verpassten Entwicklungschance.»
KOMMENTAR
Gemeinsam in die Zukunft
Der Abstimmungskampf war intensiv und emotional. Beide Seiten haben für ihre Sache gekämpft, als ginge es um das Überleben von Rheinfelden. Verständnis für die Argumente der Gegenseite war kaum zu spüren. Manchmal wurde es sogar gehässig. So gesehen hat das Steg-Projekt Rheinfelden eher gespalten als zusammengebracht. Jetzt ist der Entscheid da, der Steg wird nicht gebaut. Bleibt zu hoffen, dass die aufgerissenen Wunden schnell verheilen und man die Zukunft von Rheinfelden wieder gemeinsam – und weiterhin grenzüberschreitend – anpackt. valentin.zumsteg@nfz.ch