Der Wind hat gedreht
06.09.2019 MöhlinGekommen, um zu bleiben: der FC Möhlin in der 2. Liga
Mit zehn Punkten aus den ersten vier Spielen legte der Aufsteiger einen nahezu perfekten Start hin. Wie kam das?
Ronny Wittenwiler
Am 2. Juni 2019 endete für den FC Möhlin-Riburg/Acli eine Leidenszeit. Nach einem Auswärtssieg (7:2) beim FC Türkgücü konnte sich die Mannschaft von Cheftrainer Orazio Ferranti als Aufsteiger feiern lassen. Nach dreissig Jahren – so lange dauerte das gefühlt ewig währende Leiden in Echtzeit – kehrte Möhlin wieder in die zweite Liga zurück. Bis in die Morgenstunden sollen die Blauweissen an jenem Sonntag gefeiert haben.
«Glauben, dass wir mehr können»
Drei Monate später ist ein allfälliger Kater vorüber, die Stimmung aber, sie ist noch immer prächtig. Der Liganeuling steht nach vier Spielen bei zehn Punkten und hat damit ein Zeichen gesetzt. Dieser FC Möhlin, für seine eigenen Ansprüche wohl lange genug in den regionalen Niederungen herumgedümpelt – er ist gekommen, um zu bleiben. «Was wir uns von Anfang an sagten: Wir wollen nicht einfach mal ein bisschen schauen, wie es so ist in der zweiten Liga und dann doch gegen den Abstieg kämpfen. Wir glauben, dass wir mehr können.» Das sagt Manuel Bertschi, und er sagt das ohne jegliche Arroganz, aber mit diesem neuen Selbstverständnis, das sich der FC Möhlin, so scheint es, in den letzten Monaten, vielleicht auch Jahren, zugelegt hat.
Eigengewächse
Bertschi, Kapitän der Aufsteigermannschaft, 31, hat auf diese Saison hin vom Spielfeld an die Seitenlinie gewechselt, als Assistenztrainer. Diesem Team einfach so den Rücken kehren, das wollte er nicht. «Ich habe diese Mannschaft als Spieler lange begleitet und freue mich, wie sie sich entwickelt hat. Ich fühle mich mit dieser Mannschaft verbunden.» Solche Aussagen allein bringen zwar noch keine Punkte, doch zeugen sie vom Geist, der in diesem Team herrscht. Es ist ein bemerkenswert junges Team, eines, das nicht nur zusammengewachsen, sondern auch zusammen gewachsen ist. «Über neunzig Prozent der Spieler sind Möhliner oder haben mindestens bereits bei den Junioren hier gespielt», sagt Bertschi. Sie erhalten nun die Gelegenheit, ihre Zweitliga-Tauglichkeit unter Beweis zu stellen. Der Anfang ist gemacht.
Der neue FC Möhlin
«Dieser Start gibt uns Selbstvertrauen», sagt Bertschi, der zu wissen scheint, woher dieses neue Selbstverständnis beim FC Möhlin unter anderem herrührt. «Einen enorm grossen Anteil an diesem Erfolg hat der Trainer.» Orazio Ferranti, einst selber Profi, hat aus den jungen Mannen Furchtlose geformt. Oder wie es Bertschi formuliert: «Man hat sich in Möhlin früher oft etwas versteckt. Orazio brachte uns bei, dass man keine Angst zu haben braucht und Spiele gewinnen kann, von denen man zuerst nicht glaubt, dass man diese gewinnen kann.» In der vergangenen Saison bekamen das im Cup übrigens auch hochkarätige Zweitligateams zu spüren. Es war vielleicht so etwas wie eine Vorankündigung.
«Das kann kein Zufall sein»
An diesem Dienstagabend leitet Bertschi die Übungseinheit für den abwesenden Cheftrainer. Drei Tage zuvor hat die Mannschaft im Derby den FC Wallbach besiegt. Bevor es losgeht, richtet Bertschi ein paar wohlüberlegte Worte an das Team, die er kurz zuvor auch der NFZ zu Protokoll gibt: «Diese Mannschaft hat zuletzt so viele sportliche Highlights aneinandergereiht, dass das alles kein Zufall mehr sein kann.» Dennoch, und auch das soll gesagt sein, ist man beim FC Möhlin weit davon entfernt, in grenzenlose Euphorie zu verfallen. «Die bisherigen Spiele waren alle umkämpft», sagt Bertschi. Gegen Gelterkinden wäre ein Sieg möglich gewesen statt «bloss» ein Unentschieden, «dafür hätten wir gegen Wallbach genauso gut auch verlieren können.»
Ohnehin, niemand in dieser Liga wird dem FC Möhlin die Punkte auf dem Silbertablett servieren. Doch weiss die Mannschaft nach vier Spielen bereits ganz gut, wie man sie sich krallt. Es dünkt, als wären die Zeiten vorbei, als man etwas wehmütig, vielleicht gar ein wenig neidisch, nach Rheinfelden schielte, nach Wallbach, nach Frick, wo überall 2. Liga-Fussball gespielt wurde, bloss in Möhlin nicht. Frick ist auf diese Saison hin abgestiegen. Rheinfelden bereits in der Saison zuvor. Der Wind über den regionalen Fussballplätzen hat mittlerweile etwas gedreht. Möhlin steht nicht mehr im Abseits.