«Stein ist ein Schlüsselstandort»
29.08.2019 SteinVeränderungen bei der Novartis
Vor einem Jahr wurde bekannt, dass der schweizweite Stellenabbau bei Novartis auch Stein mit 700 Stellen trifft. Zurzeit wird an diesem Standort aber auch ein neues Produktionswerk aufgebaut, bei dem bereits 130 neue Stellen geschaffen wurden.
Susanne Hörth
«Wir müssen uns den Veränderungen anpassen», spricht Eric Ammann die grosse Dynamik in der Pharma-Branche an. Ammann ist bei Novartis in Stein Leiter Gesundheit/ Sicherheit/Umwelt. Verändert habe sich bei Novartis unter anderem, dass Massenprodukte bei Medikamenten vermehrt durch spezialisierte und personalisierte Medikamente ersetzt werden. Stein sei heute bereits ein Schlüsselstandort für Neueinführungen von pharmazeutischen Produkten und werde durch den Aufbau eines Werks für Zell- und Gentherapien weiter gestärkt, sagt Ammann. Seit Sommer 2018 leitet Dorothea Ledergerber den Aufbau dieses neuen Werks. Sie hält fest: «Nach nur einem Jahr Projektphase haben wir im August die erste Produktion für Leukämie-Patienten für die Zell- und Gentherapie Kymriah gestartet.»
Für das neue Produktionswerk habe man bereits rund 130 neue Stellen schaffen können, erklärt Eric Ammann. «Erfreulicherweise konnten wir bisher fast alle dieser neu geschaffenen Stellen mit internen Kandidaten besetzen.» Das spielt insofern eine Rolle, da Novartis im September 2018 bekannt gab, das schweizweit über 2000 Stellen, davon alleine am Standort Stein 700, abgebaut werden. Für die davon betroffenen Mitarbeiter wolle man Hand bieten. Ammann zählt als Beispiel Überbrückungslösungen für 55+, Vorruhestand für 58+, sowie Unterstützung bei der internen und externen Stellensuche auf.
«Wir legen grossen Wert darauf, für betroffene Mitarbeitende Lösungen zu finden»
Eric Ammann über die Herausforderungen und Veränderungen bei der Novartis Stein
Eric Ammann, bei der Novartis in Stein unter anderem Leiter Gesundheit/Sicherheit/Umwelt, wird am Wirtschaftsforum Fricktal die Begrüssung und Einführung zum Standort Stein übernehmen. Mit der NFZ spricht er über die Dynamik in der Pharma-Branche wie auch über den Auf- und Abbau von Stellen am Standort Stein.
Susanne Hörth
NFZ: Herr Ammann, in der Einladung zum Wirtschaftsforum steht, Werksleiter Pablo de Matos werde begrüssen und das Werk in Stein etwas vorstellen. Nun ist Herr de Matos ja nicht mehr in Stein tätig. Wer ist sein Nachfolger? Eric Ammann: Antonio De Gregorio hat die Funktion als Werksleiter für feste Formen (Werk Stein Solids) von Pablo de Matos übernommen.
Nicht nur bei der Werksleitung gibt es Veränderungen. Am Standort Stein ist stets viel in Bewegung. Wie erleben Sie das Werk, welchen Herausforderungen muss es sich aktuell stellen?
Der Standort Stein ist wie die gesamte Pharma-Branche sehr dynamisch. Da sich unser Umfeld ständig verändert, müssen wir mit diesen Veränderungen gehen. Ich sehe dies als grosse Chance für unseren Standort und Novartis, auch in Zukunft zu den Besten zu gehören und Patienten weltweit mit innovativen Medikamenten und Therapien zu versorgen. Unsere grösste Herausforderung ist derzeit die Transformation: Novartis bereitet sein Produktionsnetzwerk (Novartis Technical Operations) für die Zukunft vor, in dem es seine Produktionsstandorte dem sich verändernden Produktportfolio anpasst: Massenprodukte weichen immer mehr innovativen, spezialisierten und personalisierten Medikamenten in kleinerer Stückzahl. Anstelle von traditionellen Darreichungsformen wie Tabletten, Kapseln oder Ampullen treten vermehrt Biotech-Medikamente und personalisierte Therapien. Was wir mit Stolz sagen können: Stein ist bereits heute ein Schlüsselstandort für Neueinführungen von pharmazeutischen Produkten und wird durch den Aufbau eines Werks für Zell- und Gentherapien weiter gestärkt.
Eine positive Nachricht für den Standort Stein. Gibt es auch Bereiche, bei denen Ihr Unternehmen zunehmend mehr gefordert ist?
Ein anderes Thema, das uns dauerhaft beschäftigt, ist der Fachkräftemangel. Zwar können wir am Dreiländereck von der Nähe zum Pharma- und Biotech-Cluster Basel sowie zu Universitäten und Fachhochschulen profitieren. Trotzdem gestaltet es sich schwierig, Mitarbeitende mit bestimmten fachlichen Fähigkeiten und Erfahrungen für die neuen Technologien und Prozesse zu finden, wie zum Beispiel Automatiker und Ingenieure.
Vor ziemlich genau einem Jahr wurde bekannt, dass die Novartis in der Schweiz bis 2022 über 2000 Stellen abbauen will, davon alleine am Platz Stein 700. Bekannt war schon damals, dass ebenfalls in Stein 450 neue Stellen im Bereich Cell&Gene Produktion geschaffen werden sollen. Was ist in dem Jahr seit dieser Ankündigung geschehen?
Einhergehend mit der Transformation innerhalb von Novartis Technical Operations ist auch Stein, wie im September 2018 kommuniziert, von diesem Stellenabbau betroffen. Demgegenüber haben wir bereits rund 130 Stellen im neuen Werk für Zell- und Therapien in Stein aufgebaut und werden unsere Kapazitäten in diesem Bereich weiter wie geplant erweitern. Erfreulicherweise konnten wir bisher fast alle dieser neu geschaffenen Stellen mit internen Kandidaten besetzen.
Was wird für die anderen Mitarbeiter getan?
Wir legen grossen Wert darauf, für betroffene Mitarbeitende Lösungen zu finden, wie zum Beispiel Überbrückungslösungen für 55+, Vorruhestand für 58+, sowie Unterstützung bei der internen und externen Stellensuche. Um die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden zu minimieren, hat Novartis mit den Sozialpartnern einen neuen Sozialplan ausgehandelt. Umso wichtiger ist es deshalb in dieser Zeit, dass wir unsere Mitarbeitenden weiterbilden. So gibt es zum Beispiel Überbrückungsprogramme, in denen wir Mitarbeitende aus Bereichen, die vom angekündigten Stellenabbau betroffen sind, etwa für Tätigkeiten in der Zell- und Gentherapie fit machen.
Im Juli dieses Jahres teilte die Novartis mit, dass sie der Lonza eine Produktionsanlage mit zwei Gebäuden am Standort Stein verkauft hat. Die Mitarbeiter der betroffenen Produktion würden von der Lonza übernommen. Um wie viele Mitarbeiter handelt es sich?
Alle 30 Produktionsmitarbeiter sind erfreulicherweise zum Chemie- und Pharmakonzern Lonza übergetreten. Lonza produziert dort in diesen Gebäuden nun als Lohnhersteller (CDMO) Medikamente für klinische Studien von Drittfirmen, auch für Novartis.
Kann die Novartis durch die Ansiedlung der Lonza in Stein Synergien nutzen?
Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit Lonza und sehen darin eine grosse Chance – sowohl für die Mitarbeitenden wie auch für den Standort. Die Ansiedlung eines weiteren global agierenden Arbeitgebers erhöht unbestritten die Attraktivität des Standortes Stein und der Region Fricktal. Zudem eröffnet sich die Möglichkeit, Synergien bei der gemeinsamen Nutzung von Dienstleistungen, Infrastrukturen und Energien zu erzielen.
Novartis ist ein sehr wichtiger Arbeitgeber in der Region. Wird er das auch noch in zehn Jahren sein?
Durch die Transformation und insbesondere durch die Einführung neuer Therapieformen rüsten wir uns in Stein für die Zukunft. Wir sind überzeugt, dass wir dadurch in zehn Jahren ein wichtiger Standort für Novartis und damit ein wichtiger Arbeitgeber in der Region sein werden.
«Eine Welt ohne digitale Helfer wäre schwer vorstellbar»
Dorothea Ledergerber von der Novartis Stein über die Vorteile der elektronischen Vernetzung
«Natürlich ersetzt eine Skype-Konferenz nicht die persönlichen Kontakte, die in der heutigen Zeit sehr wichtig bleiben: Wir Menschen bleiben soziale Wesen, die sich in Gruppen organisieren und austauschen», sagt Dorothea Ledergerber. Dennoch ist sie überzeugt, dass die Digitalisierung im Unternehmen vieles vereinfache.
Susanne Hörth
Am 5. September lädt der Planungsverband Regio Fricktal zum Wirtschaftsforum Fricktal ein. Im Fokus steht das Thema Daten, damit zusammenhängend die Chancen, Risiken und Herausforderungen. Aus verschiedenen Blickwinkeln heraus wird das Thema am Forum beleuchtet. Gastgeber des diesjährigen Forums ist die Novartis in Stein. Dorothea Ledergeber, Project Director bei Novartis Stein, wird in ihrem Referat das komplexe Daten-Thema aus Sicht des Pharmakonzerns aufzeigen. Die Referentin gewährt zuerst einen Einblick in das neue Gebiet der Zell- und Gentherapie Anschliessend erklärt sie, wie bei solchen personalisierten Therapien mit Daten umgegangen wird. Im Gespräch mit der NFZ geht sie bereits auf einige Punkte ein.
NFZ: Frau Ledergerber. Könnten Sie sich eine Welt ohne Internet, Smartphone und Tablets noch vorstellen?
Dorothea Ledergerber: Während ich mich durchaus an die Zeiten ohne Smartphone und iPad erinnern kann, wäre eine Welt ohne die digitalen Helfer heute schwer vorstellbar. Die digitale Kommunikation hat sich im privaten und auch im geschäftlichen Bereich rasant entwickelt. In einer internationalen Firma der Grösse wie Novartis wäre eine derart intensive Zusammenarbeit über weite Strecken ohne E-Mail, Skype oder Videokonferenzen undenkbar. Zudem ist der unmittelbare und umfassende Zugang zu Information über Datenbanken und Internet Voraussetzung für effizientes Arbeiten. Auch im pharmazeutischen Produktionsbereich hat die elektronische Vernetzung im Rahmen der Medikamentenproduktion längst Einzug gehalten und ist aus dem Arbeitsalltag nicht wegzudenken. So erfolgt auch im Werk Zell- und Gentherapie ein Grossteil der Herstelldokumentation elektronisch.
Novartis bietet alleine auf dem Platz Stein 2000 Frauen und Männern einen Arbeitsplatz. Weltweit arbeiten in dem Unternehmen über 100000 Personen. Ein Grossteil davon dürfte dank Internet miteinander verbunden sein. Eine Vereinfachung im Arbeitsalltag oder aber auch eine Gefahr?
Ich sehe in der digitalen Kommunikation eine klare Vereinfachung. Natürlich ersetzt eine Skype-Konferenz nicht die persönlichen Kontakte, die in der heutigen Zeit sehr wichtig bleiben: Wir Menschen bleiben soziale Wesen, die sich in Gruppen organisieren und austauschen. Und speziell in der Interaktion an demselben Standort legen wir alle viel Wert darauf, uns auch persönlich zu sehen und zusammen in einem Raum zu arbeiten. Das ist nicht nur effizient, sondern auch persönlich bereichernd und macht Freude.
Sie bauen mit ihrem Team ein Biotech-Zentrum für Zell- und Gentherapie auf. Was ist darunter zu verstehen?
In Stein entsteht gerade ein neues Produktionswerk, das heisst: Neben sterilen und festen Darreichungsformen stellen wir in Stein auch personalisierte Zell- und Gentherapien für verschiedene Märkte her. Wir sind Teil eines neu aufgebauten Produktionsnetzwerks für Zell- und Gentherapien mit dem grössten Standort in New Jersey (USA). Nach nur einem Jahr Projektphase haben wir in Stein im August die erste Produktion für Leukämie-Patienten für die Zell- und Gentherapie Kymriah gestartet. Die kommerzielle Produktion werden wir im Jahr 2020 aufnehmen. Bei dieser revolutionären Therapie stellen wir pro Patient eine eigene Medikation her. Man entnimmt dazu einem schwerkranken Patienten, der meist schon verschiedene Therapien durchlaufen hat, Blutzellen, die dann nach Stein geschickt werden. Hier reichern wir einen Teil der weissen Blutkörperchen an und verändern sie genetisch, damit diese die Krebszellen im Blut des Patienten erkennen und bekämpfen können. Die veränderten Zellen werden dann zurück ins Spital geschickt und dem Patienten per Infusion verbreicht. Damit beginnt der Kampf gegen den Blutkrebs im Körper des Patienten mit seinen eigenen, genetisch veränderten weissen Blutkörperchen. Viele der todkranken Patienten haben auf diese Art die Chance auf ein neues Leben. Novartis hat weltweit bereits mehr als 1000 Patienten mit Kymriah behandelt.
Wie sensibilisieren Sie Ihr Team für den korrekten Umgang mit den personalisierten Patientendaten?
Novartis legt grossen Wert darauf, Personendaten zu schützen. Das gilt sowohl für Daten von Mitarbeitenden wie auch von Patienten. Alle Mitarbeitenden im Konzern werden regelmässig darin geschult, wie sie mit personenbezogenen Daten umzugehen haben. Auch bei der Einführung der neuen Prozesse in der Zell- und Gentherapie legen wir sehr starken Wert darauf, dass der Datenschutz gewährleistet ist und unsere Mitarbeiter diesbezüglich sensibilisiert sind. Da wir Kymriah für jeden Patienten spezifisch herstellen, ist es für uns allerdings essentiell, das Produkt im Prozessverlauf jederzeit dem richtigen Patienten zuordnen zu können. Die Spitäler und Novartis arbeiten hierzu mit einem System zum Austausch personenbezogener Daten, das vom Herstellprozess in Stein abgekoppelt ist.