Manne mit Speuz

  28.07.2019 Hellikon

Es begab sich am 1. August 1919. Zehn Mannen gründeten den Turnverein Hellikon. Noch heute lautet die Devise: Freunde sollt ihr sein. Und Freundinnen.

Ronny Wittenwiler

Das Kind ist geboren. Martin Waldmeier, Vater einer zweieinhalbjährigen Tochter, freut sich. Soeben ist die Jubiläumsschrift fertig geworden. 220 Seiten, über 600 Fotos, viele in Schwarzweiss, erzählen die bunte Geschichte eines Vereins, die vor einhundert Jahren zehn visionäre Mannen zu schreiben begannen. Sie gründeten am 1. August 1919 den Turnverein Hellikon. Otto Schlienger war der erste Präsident, auch Martin Waldmeier war mal Präsident, elf Jahre lang, nun arbeitete er mit vier weiteren Personen an einer Chronik, die auf dieses erste Jahrhundert TV Hellikon zurückblickt. Die Macher lassen dabei die Gründerväter noch einmal hochleben, sie erinnern aber auch daran, wie sieben Jahre zuvor, 1912, ein junger Lehrer namens Johann Ruflin am 27. April seine Stelle in Hellikon antrat. Er legte quasi den Grundstein, wie der geneigte Leser erfährt: «In voller Überzeugung, wie wichtig auch die Körpererziehung für die Landbevölkerung sei, rief er im gleichen Jahr die Jünglinge, wie er sie nannte, herbei, um sie zur Bildung einer Vorunterrichtssektion aufzumuntern.»

Die Menschen hinter dem Verein
Nachdem die NFZ Martin Waldmeier zum Gespräch getroffen hatte, erhält die Redaktion wenige Tage später eine E-Mail von ihm: «Wir haben ja oft über mich gesprochen. Der Bericht sollte aber vor allem vom TV Hellikon handeln, der Geschichte und der Entwicklung des Vereins und der Turnerei. Ich bin ja nur der Überbringer der Geschichte.» Wie wahr, doch ist damit, mit dieser Bemerkung, schon vieles mehr gesagt über diesen TV Hellikon, als es auf den ersten Blick scheint. Das Beispiel ist geradezu exemplarisch. Der Verein dort oben im Tal hat nicht nur die Zeit überdauert, er hat sie wesentlich mitgeprägt und schliesslich sind es doch gerade seine Menschen, die den TV Hellikon zu dem machen, was er gewesen ist, was er heute ist. Heute ist der TV Hellikon ein Verein mit einem modernen Dress, mit Frauen und Männern, mit Buben und Mädchen, die fürs Vereinsfoto praktisch allesamt ein Lächeln auf den Lippen tragen.

Die Lockerheit im 2019 als Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Wandels. Die letzten einhundert Jahre des TV Hellikon in Wort und Bild erzählen mehr als bloss die eigene Geschichte. So lesen wir in der aktuellen Chronik, wie anno 1944 das Fest zum 25-jährigen Bestehen ins Wasser fiel. «Die Feier, welche 1944 hätte stattfinden sollen, musste wegen der Grenzbesetzung durch die Wehrmänner auf das Jahr 1945 verschoben werden.» Auf Fotos jener Zeit blickt man in ernste Gesichter.

Eine andere Sprache
Martin Waldmeier und sein Chronisten-Team sind in den letzten zwei Jahren tief in die DNA des Vereins vorgedrungen. Die druckfrische Jubiläumsschrift legt den Blick frei auf den Wandel. «Das Turnen hat sich in den letzten einhundert Jahren stark verändert», sagt Waldmeier. «Steht heute der Spass im Zentrum, so hatte das Turnen damals gar einen militärischen Hintergrund.» Die Rede war von «körperlicher Ertüchtigung», der sogenannt «turnerische Vorunterricht» war nicht zuletzt darauf ausgelegt, die «Jünglinge» für den bevorstehenden Militärdienst fit zu machen.

Doch so sehr sich die Zeiten und mit ihnen auch die Klamotten geändert haben, eines ist in den hundert Jahren Vereinsgeschichte gleich geblieben. «Die Kameradschaft von einst wird auch heute noch grossgeschrieben. Bloss sprechen wir heute vielleicht von Freundschaft und Geselligkeit», sagt Waldmeier. Der Turnverband, man höre und staune, schrieb sich dieses Zusammengehörigkeitsgefühl nicht bloss auf die Fahne, sondern gleich in die Statuten. Die Kameradschaft als Order für eine Verbundenheit untereinander, auch die Helliker wussten diese stets zu pflegen, «wobei», sagt Martin Waldmeier und lacht: «Der Wandel zeigt sich allein schon bei den Turnfahrten.» Heute heissen die Destinationen schon mal Berlin, Hamburg oder Mallorca. Früher war es eine Wanderung, von Hellikon ausgehend.

Bei den Besten
Dass die Helliker Geselligkeit auch ganz spontan und ohne Vorschrift rasch Betriebstemperatur erreicht, soll ja nicht bloss ein Gerücht sein. Und so schneiden die Turnerinnen und Turner selbst in der B-Note ganz ordentlich ab, wenn es darum geht, nach sportlicher Betätigung auch dem vierten Wettkampfteil im Festzelt beizuwohnen. Gleichwohl wäre ihnen Unrecht getan mit der Behauptung, die körperliche Ertüchtigung der Turnerfamilie würde sich bloss darauf beschränken. Gerade eben setzten die Helliker ein sportliches Ausrufezeichen für die weitere Geschichtsschreibung. René Isch-Waldmeier kehrte als Sieger vom Eidgenössischen Turnfest in Aarau zurück, über siebenhundert Turner liess der Vierzigjährige hinter sich (die NFZ berichtete).

Immer wieder wusste Hellikon erfolgreiche Turner in seinen Reihen, erntete Lorbeeren und kehrte mit Kränzen und Schweizermeistertiteln heim, durfte sich feiern lassen. Wenn man so will: Neben der Musikgesellschaft, dem anderen prägenden Verein im Dorf, gaben auch die Turner schon immer den Ton an. Möglich gemacht haben das unzählige Menschen, die sich in den vergangenen einhundert Jahren mit Herzblut und Ehrenamt engagiert haben. Aus wahrer Liebe zum Verein und echter Freundschaft zu den Mitgliedern. Einer davon ist Martin Waldmeier. Auch wenn er sich bloss als Überbringer der Geschichte sieht.

Martin Waldmeier war vierzehn Jahre im Vorstand des TV Hellikon, wovon elf Jahre als Präsident. Seit 23 Jahren ist er Jugileiter. Zuletzt amtete er sieben Jahre als Präsident des Kreisturnverbands. Er gehört zur Turnerfamilie Hellikon wie rund zweihundert andere Männer, Frauen und Kinder, inklusive Frauenturnverein. Somit hat rund jede vierte Person in Hellikon mit dem Turnverein zu tun.

www.100.tvhellikon.ch


Chronik erscheint am Jubiläumsabend

Der TV Hellikon feiert an drei Tagen sein 100-Jahre-Jubiläum: Am Mittwoch, 31. Juli, integriert in die Bundesfeier mit Festredner und Regierungsrat Alex Hürzeler, wird an diesem Jubiläumsabend die Chronik vorgestellt. Highlights aus den letzten 100 Jahren werden immer wieder ein Thema sein, unter anderem mit der Präsentation von vielen Fotos und altem Filmmaterial. Am Freitag 2. August und Samstag 3. August finden Konzerte (Party!) statt. Sämtliche Details zum grossen Jubiläumswochenende im Internet. (rw)


 


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