Fast wie Ferien daheim
27.07.2019 SteinEs sei wichtig mitzumachen, dabei zu sein, sagt der 22-jährige Pascal Häfeli. Seine 17-jährige Schwester Sarina pflichtet ihm bei. In Stein machen die beiden mit. Etwa beim TV. Hier in Stein sind sie gerne zuhause.
Susanne Hörth
«Wollen wir uns kurz da hinsetzen?» Sarina und Pascal Häfeli blicken sich an, zucken mit den Schultern und können sich dann das Grinsen nicht verkneifen. Sie nehmen auf dem von der Journalistin vorgeschlagenen Bänkli Platz, rutschen demonstrativ etwas voneinander weg und grinsen wieder. Es ist das neckisch-liebevolle Aufziehen zweier Geschwister. Auf dem Spaziergang durch «ihr» Stein lassen der 22-jährige Pascal und die 17-jährige Sarina die Journalistin immer wieder an solchen Augenblicken teilhaben. Manchmal ist es ein sich Zuzwinkern, manchmal eine Insiderbemerkung oder zwischendurch auch mal ein sanfter Stups in die Seite. Immer wieder von einem fröhlichen Lachen der beiden begleitet. Jeder für sich stark, zusammen eine verschworene Geschwistergemeinschaft. Zu diesem Bunde gehört auch noch ein weiterer Bruder. «Er ist etwas kamerascheu, er wollte nicht mitkommen», lacht Pascal.
Zurück zum Bänkli. Hier sitzen wir nun zwischen Gemeindehaus und Schule, näher zu letzterer. «Da sind wir in die Primarschule gegangen», zeigt Pascal auf die Schulanlage. «Ich habe hier auch die Sek besucht», hängt Sarina ein. Und Pascal? «Die Bez in Rheinfelden.» Das Thema Schule wird nun wieder ausgeblendet. Es geht doch um mehr, genauer um Stein. «Unser Dorf hat viel zu bieten, alles ist da», so ein sichtlich stolzer
Pascal. Sarina nickt zustimmend. Sie zählen zusammen die umfassende Infrastruktur mit Läden, Post, Bank, Geschäften und dergleichen auf. Aber auch die Nähe zur Natur, zum Rhein, die Landschaft ringsum machten das Dorf so attraktiv. «Und wenn man mal gerne etwas rausmöchte? «Dann ist man schnell in Basel oder sonst wo», erklärt Pascal. Genauso schnell ist man auch wieder zurück. Daheim. In Stein. Da, wo es ihnen gefällt. Eine Aussage, die Schwester und Bruder immer wieder unterstreichen. «Wegziehen! Warum sollten wir das wollen? Hier in unserem Dorf haben wir es doch gut», lautet zusammenfasst der einstimmige Tenor.
«Es ist wichtig dabei zu sein, mitzumachen»
«Wir sind beide im TV.» Auf die Bemerkung seiner Schwester fügt Pascal an, dass er zudem bei den Schützen mitmache, dort im Vorstand sei. Auch die Feuerwehr nimmt einen Teil der Freizeit des ausgebildeten Zimmermannes ein. «Es ist wichtig, dabei zu sein», macht er deutlich, dass zum guten Gemeindeleben das Miteinander gehört. «Der TV schweisst uns alle zusammen, wir sind wie eine grosse Familie», sagt Sarina. Diese Familie trifft sich meist in der grossen Sportanlage Bustelbach. Mittlerweile sind wir auch auf dem Weg zum «Busteli». Hier finden die Trainings statt, Wettkämpfe werden ausgetragen und auch Feste gefeiert. Apropos Feste: «Ich helfe mit, die Bundesfeier in Stein zu organisieren», sagt Pascal. «Ach ja, ich bin dann übrigens dein Springer», unterbricht Sarina spontan. Ihr grosser Bruder findet es gut: «Das ebnet den Weg. Irgendwann bist dann du bei den Organisatoren.»
Die Wand eines Garderobengebäudes ist versprayt. «Das sind leider die negativen Seiten von Stein. Es war ja überall in den Medien zu lesen», bedauert Sarina. Das «Busteli» liegt inzwischen hinter uns. Wir überschreiten ein kleines Brückchen und sind am Ort, an den sich Pascal schon seit vielen Jahren immer wieder gerne und regelmässig zurückzieht. Umgeben von hohen Bäumen befinden wir uns in einem lauschigen Biotop. Erst kürzlich habe hier ein grösserer Pflegeinsatz des Naturschutzvereins stattgefunden. Der Ort ist tatsächlich wunderschön, stimmig und irgendwie ganz weit ab von der Zivilisation. Die Geschwister wollen noch die beiden Weiher zeigen, die unweit vom Biotop errichtet worden sind. Pascal geht aber nochmals zurück. Er hat eine liegengelassene Tetra-Packung unter einer Bank entdeckt. Die will er im Abfallkübel entsorgen.
Kurze Zeit später gesellt er sich zu uns auf die hölzerne Aussichtsplattform. Von hier öffnet sich der Blick nicht nur über die beiden neuen Weiher, sondern über die gesamte Landschaft. In der Ferne das Dorf. Pascal und Sarina zeigen in Richtung einer grossen Überbauung. Irgendwo dahinter, da wo der Wald beginnt, befindet sich der Friedensplatz. Das ist ein weiterer Ort, an dem sich die Geschwister sehr gerne aufhalten. Leider, bedauern sie unisono, würde die gerade entstehende neue Überbauung die bisherige Aussicht vom diesem Friedensplatz etwas versperren. Dass in Stein viel gebaut wird, können sie teilweise nachvollziehen. Schliesslich besteht die Nachfrage nach Wohnraum. Wohnblöcke finden beide aber trotzdem weniger schön. Umso mehr schätzen sie, dass Stein nach wie vor ein Dorf mit vielen Einfamilienhäusern ist. Ein Dorf, in dem man nicht nur die direkten Nachbarn, sondern auch die etwas weiter weg Wohnenden kennt.
Unser nächstes Ziel ist die Holzbrücke. Auf dem Weg zum Auto bückt sich Pascal wieder, nimmt Abfall auf und wirft ihn in einen nahestehenden Kübel. «Typisch Steiner» so seine Schwester. «Nein, ich mag einfach nicht, wenn achtlos Zeug weggeschmissen wird.»
«Güsel» wird auch bei der alten Holzbrücke und dem Rheinufer wieder zum Thema. Die Geschwister glauben nicht, dass es Steiner sind, die ihren Abfall am Uferweg einfach liegenlassen. «Die kommen schliesslich regelmässig hierher und wollen saubere Plätze vorfinden.» So auch sie, wenn sie sich am Ufer aufhalten. «Geht ihr im Rhein schwimmen.» Bejahendes Kopfnicken im Doppelpack. Natürlich! Was für eine Frage.
Zur längsten gedeckten Holzbrücke Europas stellen sie fest, dass sie diese manchmal kaum noch so wirklich wahrnehmen. Sie gehört einfach zu Stein dazu. «Stolz sind wir natürlich trotzdem darauf.» Die Holzbrücke verbindet nicht nur Stein und Bad Säckingen, die Schweiz und Deutschland; eine Verbindung hat der hölzerne Rheinübergang ebenfalls zur Familie Häfeli. «Als sie bei uns noch einziger Übergang nach Deutschland war, also auch der ganze Verkehr darüber rollte, arbeitete unser Grossvater als Zöllner hier. Den Namen Häfeli kennt man in Stein deshalb schon viele Jahre», erzählen die Geschwister mit sichtlichen Stolz. Zum nahen Bad Säckingen sagt Sarina: «Wenn man über die alte Holzbrücke dorthin geht, ist es fast wie ein wenig Ferien. Wie, wenn wir am Mittelmeer wären.» Das Meer ist für einmal halt der Rhein. Und diesen empfinden der gelernte Zimmermann und die angehende Kauffrau nicht als Grenze.
Die Geschwister stehen am Geländer oberhalb des Rheinuferweges. Das Sonnenlicht zaubert glitzernde Punkte auf die Wasseroberfläche. In der Ferne hört man das Lachen von Leuten auf einem Boot. Beim Eingang zur überdachten Holzbrücke lassen sich ein paar Touristen fotografieren. Ja, denkt sich die Journalistin. Es ist wirklich fast wie Ferien am Wasser, hier in Stein. Beim Zurückgehen wiederholt Pascal, was er zuvor schon gesagt hat: «Warum sollten wir weggehen, wenn es doch so gut ist?»