Herr Marquis und die Geschichte seines Lebens

  25.04.2019 Möhlin

Manchmal könnte man ein Buch schreiben

Es sind Geschichten, die das Leben schrieb. Jetzt werden sie im Wohn- und Pflegezentrum Stadelbach in Möhlin erzählt. Doch das ist vielleicht erst der Anfang.

Ronny Wittenwiler

«Zwei grosse Schlafräume, getrennt nach Buben und Mädchen. Sie hätten weder lesen, reden oder sonst irgendwas machen dürfen. Einfach nur im Bett liegen und warten, bis die Augen zufielen.»

Am Anfang war die Annäherung
Roland Marquis, Jahrgang 1938, sitzt am Tisch, hält ein Büchlein in seinen Händen, es macht ihn stolz, Wesentliches ist darin festgehalten: die Geschichte seines Lebens. Zumindest ein Teil davon. Jetzt ist er hier, Marquis, im Wohn- und Pflegezentrum Stadelbach in Möhlin, er trinkt einen Kaffee und sagt dann mit einem Lächeln: «Oh, merci pour les fleurs.» Vielen Dank für die Blumen. Marquis ist entzückt. Gerade eben hat Brigitta Ramsden, fast schon schwärmerisch erzählt, wie sie Roland Marquis als humorvollen, schalkhaften Menschen kennengelernt habe. Am Anfang war die Annäherung. Das Vertrauen kam schnell. Und dann erzählte Roland Marquis seine Geschichte. Brigitta Ramsden hat sie aufgeschrieben.

Eine Hommage
Mutter des Pilotprojekts ist Karin Viscardi. Die Baselbieterin aus Gelterkinden besuchte einen Kurs über autobiografisches Schreiben. Auch sie sitzt jetzt am grossen Tisch in der Cafeteria vom Stadelbach und erzählt von den vielen Geschichten, die hier drin und dort draussen in der Welt doch schlummern, Geschichten, die vielleicht noch eine Weile in Gedanken existieren, bis sie mit dem Leben erlöschen würden. Ihr Projekt soll die Erinnerung lebendig halten und es ist, wenn man so will, eine Hommage an ältere Menschen und ihr Wirken. Viscardi suchte und fand sechs ältere Menschen, die ihre Lebensgeschichte erzählen und von einem Zuhörenden aufschreiben liessen. Daraus ist nun ein erster Sammelband mit entsprechenden Lebensgeschichten entstanden.

«Es hat mich gepackt»
Nun laden die Protagonisten zu einer Lesung in Möhlin. Eine Premiere ist das nicht. Eine erste Lesung aus den Lebensgeschichten gab es bereits im Alters- und Pflegeheim zum Eibach in Gelterkinden. Deborah Schenker, Leiterin Aktivierung im Stadelbach, liess sich die Veranstaltung nicht entgehen. Erstens, aus Neugierde, zweitens, weil mit der Lebensgeschichte von Roland Marquis auch ein Stück Stadelbach vertreten war. «Die Geschichten haben mich total gepackt», sagt Schenker, für sie war klar, man wolle die Hauptdarsteller nun auch in Möhlin aus dem Sammelband – genauer: aus dem Leben – erzählen lassen. Und so findet das, was im Baselbiet begann, im Fricktal eine Fortsetzung. Sechs Menschen gewähren Einblicke, authentisch, ungefärbt.

Mehr als bloss ein Projekt
«Als sie mich gefragt hat, musste ich einfach mitmachen», sagt Roland Marquis und blickt zu Brigitta Ramsden, die seine Biografie aufgeschrieben hat. Hat sie es gut gemacht? «Doch, doch, hat sie», sagt er – und lächelt, so, als wäre es ein letzter Beweis: Im Zusammenspiel zwischen den beiden ist nicht bloss ein Leben auf Papier entstanden, sondern eine echte Freundschaft. Vielleicht ist die Lesung im Stadelbach kommenden Samstag erst der Anfang. Denn es sollen weitere Lebensgeschichten entstehen. Im Zusammenspiel zwischen Erzählenden und Schreibenden. Damit so manche Erinnerung lebendig bleibt. Eben doch: Manchmal könnte man ein Buch schreiben. Roland Marquis und Brigitta Ramsden: Sie haben es getan.

Vorlesung einzelner Auszüge aus den bereits fertig gestellten Lebensgeschichten: Samstag, 27. April, 15 bis 17 Uhr, im «Mühlekeller» der Villa Kym beim Wohn- und Pflegezentrum Stadelbach. Eintritt frei. Musikalische Umrahmung mit «DrumMarLand». Einführungskurs für neue Schreibende: Montag, 13. Mai, 19 bis 20.30 Uhr, im Stadelbach. Anmeldung und Information: Karin Viscardi, Gelterkinden. «info@rebisto.ch», Tel. 061 983 09 53.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote