Eine starke Frau

  24.02.2019 Möhlin

Die Szene ist von Männern dominiert, doch zunehmend lassen die Frauen auch ihre Muskeln spielen. Die Rede ist vom Bankdrücken. Mittendrin statt nur dabei ist Irene Pignataro aus Möhlin. Sie hat es bis an die nationale Spitze geschafft, krönte ihre Leistungen zuletzt mit dem Gewinn des Schweizermeistertitels. Gewiss, ohne richtig viel Dampf in den Oberarmen lässt sich beim Bankdrücken kein Blumentopf gewinnen. Die NFZ hat Pignataro zum Gespräch getroffen. Dabei hat sich gezeigt: Nicht nur des sportlichen Erfolgs wegen darf man getrost von einer starken Frau reden. (rw)


Der Sport als Analogie zum Leben

Irene Pignataro aus Möhlin ist Schweizermeisterin im Bankdrücken

Sie ist 44, ehrgeizig und stur zugleich, wie sie von sich selber sagt. Irene Pignataro, Tochter einer italienischen Einwandererfamilie, spricht mit der NFZ darüber, wie sie schwere Gewichte stemmt – und das Leben.

Ronny Wittenwiler

Genauen Beobachtern war es aufgefallen, am 2. Januar, abends, in der Mehrzweckhalle Fuchsrain. Irene Pignataro kramte ein Taschentuch hervor. «Ja, das war schon sehr emotional», sagt sie nun zur NFZ, auf jenen Moment angesprochen. Pignataro wurde – wie viele andere Sportler – am Neujahrsapéro der Gemeinde Möhlin für ausserordentliche Leistungen im 2018 geehrt. Schweizermeisterin im Bankdrücken war sie da geworden. Bankdrücken: eine Randsportart, gewiss, man liegt auf dem Rücken, stemmt die Langhantel in die Höhe, die Arme brennen, jeder Muskel ist angespannt, und man hofft auf einen gültigen Versuch.

Mit Willenskraft
77,5 Kilogramm schaffte Pignataro an den Schweizermeisterschaften; in ihrer Kategorie bis 70 Kilogramm Körpergewicht. Und ja, eigentlich hätte man es ahnen können: Reich macht ein solcher Titel nicht. Aber glücklich. Das ist doch schon mal was, denn, was wäre das Leben ohne das Glücklichsein. Irene Pignataro ist auf ein Hörgerät angewiesen, sie kam ohne Schilddrüse zur Welt, ihr Stoffwechsel ist damit verlangsamt, ohne Medikamente geht es nicht, bereits ein Leben lang. Offen spricht sie darüber. «Es gibt immer Höhen und Tiefen», sagt sie. «Aber das ist doch bei jedem so. Ich versuche jedenfalls, ein positiver Mensch zu sein.» Es dünkt, als wäre das Bankdrücken ihre persönliche Analogie zum Leben: bereit, dieses zu stemmen, auch wenn manchmal das eine oder andere Gewicht zusätzlich drückt. Immer wieder bringt sie sich selbst zum Lachen während des Gesprächs. «Je älter man wird, desto weniger ist das eine Frage des Wollens, sondern des Könnens.» Es ging darum, ob sie jemals ihren eigenen Schweizerrekord von 85 Kilogramm noch wird pulverisieren wollen. «Ich bin schon ehrgeizig. Und extrem stur. Aber ich versuche auch, vernünftig zu sein.»

«Das bedeutet mir sehr viel»
Pignataro bezieht eine kleine IV-Rente und arbeitet an vier Tagen pro Woche in der MBF in Stein an einem geschützten Arbeitsplatz. Dreimal pro Woche trainiert sie im Fitnessstudio und solange es die Gesundheit erlaubt, komme ein Aufhören nicht infrage. Dem Lampenfieber vor den Wettkämpfen zum Trotz. «Das bekomme ich jetzt aber langsam in den Griff», sagt sie, muss erneut über sich selber schmunzeln und man fragt sich: Lampenfieber – weshalb eigentlich? Bislang jedenfalls ging es nie schief. In jedem Wettkampf im Bankdrücken, zu dem Pignataro angetreten war, klassierte sie sich unter den besten drei. Kein Wunder lassen es die männlichen Kollegen um sie herum längst sein. «Früher kam das schon mal vor, dass jemand unbedingt armdrücken wollte. Heute nicht mehr.» Doch wozu eigentlich armdrücken? Für die Leistung der 44-Jährigen passt doch viel eher ein «Daumen hoch». So geschehen am Neujahrsapéro. Als sie plötzlich zum Taschentuch griff wegen der Emotionen. «Möhlin ist meine Heimat. Diese Anerkennung hat mir sehr viel bedeutet.» Sagt Pignataro und lächelt.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote