«Es ist wichtig, die Emotionen zu leben»

  03.02.2019 Frick

70 Prozent der Paar-Beziehungen geraten beim «Elternsein» aus dem Lot

Sara und Peter Michalik sind bestens vertraut mit dem Beziehungs- und Eltern ABC. Am 7. Februar zeigen sie in Frick, wie man auch als Eltern eine starke und liebevolle Paarbeziehung pflegen kann und wie wichtig dies ist. Im Gespräch mit der NFZ verrät Peter Michalik unter anderem, wie wirkungsvoll eine «Kaffeepause» sein kann.

Bernadette Zaniolo

NFZ: Sie sind ein «Scheidungs»-Kind und haben selber eine «gescheiterte» Ehe hinter sich. Sind Sie jetzt (dadurch) «gescheiter» geworden?
Peter Michalik:
Wenn «gescheiter» der richtige Begriff ist, ja. Sicher hat es mich geprägt. Im Elternhaus war es mehr Schein als Sein. Heisst: gegen aussen war alles bestens. Innen herrschte jedoch Rosenkrieg. Als Kind war ich der Situation ausgesetzt. Durch das permanente Streiten meiner Eltern, habe ich im Laufe der Zeit eine besondere Wahrnehmung entwickelt, um herauszufinden, «wie ist die Stimmung heute?» Und ich probierte in diesem emotional aufgeladenen zu Hause zu «überleben» und mich zu schützen. Das gelingt oft nur, wenn man die eigenen Emotionen in Griff hat. Und so habe ich gelernt, mich emotional abzugrenzen. Wenn man aber Emotionen nicht zulässt, dann wird man «gefühllos», ein Zahlen-Daten-Fakten-Mensch. Es ist aber wichtig, die Emotionen zu leben.

Oft erlebe ich, dass Männer sich da ein wenig schwer tun, die emotionale Seite zu leben und zu zeigen. Eventuell liegt es daran, dass bereits bei Jungs Gefühle negativ bewertet werden. Zum Beispiel: «Jungs weinen nicht». Das hat Auswirkungen.

Sie waren zweimal im Kloster, einmal nur ein Wochenende und einmal sogar zweieinhalb Jahre. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich stand damals, mit 33 Jahren, mitten im Leben. Ich hatte einen guten Job, eine schöne Wohnung, drei bis vier Mal Ferien im Jahr, zwei Autos und vieles andere, wovon ich in der Jugend geträumt habe und ich war unglücklich. Im Kloster fand ich meinen inneren Frieden. Man bekommt Raum für sich und konzentriert sich auf sich. Es war eine sehr wertvolle Zeit. Ich bin wieder Mensch geworden.

Der Vortrag in Frick am 7. Februar steht unter dem Titel «Elternsein – Liebespaar bleiben/Strategien für glückliche Paare». Gibt es tatsächlich Erfolgsrezepte?
Ja, die gibt es. Eines davon ist: Die Zeit bewusst miteinander verbringen. In einer Umfrage zu unserem Buch «Überraschungen – 150 Eltern packen aus» geben 75 Prozent der Eltern mangelnde Zeit als Stressfaktor ihrer Beziehung an. Wenn man sich dessen bewusst ist und die Zeit im Auge behält, kann man die gemeinsame Zeit anders gestalten. Das hat einen grossen Einfluss auf die Beziehung.

Sie haben seit 2013, zusammen mit Ihrer Frau, in Aarau eine eigene Praxis. Was erleben Sie im Alltag in Bezug auf die Paarbeziehung, wenn ein Liebespaar Eltern wird?
Wir erleben das gleiche, wie andere Paare auch. Als Paarberater wissen wir genau, was man in der Beziehung tun muss, das heisst aber noch nicht, dass man es auch immer tut. Auch wir erleben Höhen und Tiefen. Deshalb ist die Scheidungsrate bei den Paarberatern in etwa gleich hoch, wie die Scheidungsrate allgemein. Es geht nicht um das WAS, sondern um das WIE. Nur Wissen bringt noch keine Veränderung. Sobald wir merken, es fühlt sich in der Beziehung nicht mehr gut an, müssen wir anfangen aktiv etwas zu verändern.

Gibt es Zahlen, wie viele Elternpaare sich «auseinanderleben», weil sie die eigene Beziehung nicht mehr pflegen?
Die Scheidungsrate ist in den letzten Jahren etwas gesunken, knapp unter 50 Prozent. Erfahrungsgemäss sind es 70 bis 80 Prozent Paare, die merken, dass sich die Beziehung nicht mehr gut anfühlt. Aussagen wie: «Wir sind uns fremdgeworden, die Gespräche drehen sich nur noch um Job und Kinder, Leidenschaft fühlt sich anders an» sind die Folge. Es passiert schleichend und es wird einem erst bewusst, wenn die Krise da ist.

Sie haben zusammen mit Ihrer jetzigen Frau drei Kinder im Alter von 10, 13 und 21 Jahren. Wie pflegen Sie selber ihre Beziehung?
In dem wir wirklich versuchen uns bewusst Zeit zu nehmen und uns bewusst zu begegnen. Es geht darum, die Zeit für ein paar Minuten anzuhalten und sich wieder als Mann und Frau wahrzunehmen. Das kann zum Beispiel einfach nur eine Viertelstunde zusammensitzen und Kaffee trinken sein. Das aber ganz bewusst. «Ich bin da, du bist da». «Wie geht es dir?» So Kaffee zu trinken hat eine andere Qualität und Wirkung. Eine kurze aber intensive Begegnung kann über eine ganze Woche wirken. Es geht darum, sich als Paar in kleinen «homöopathischen» Dosen immer wieder zu begegnen.

Sie arbeiten auch noch zusammen in der gleichen Praxis. Eine zusätzliche Herausforderung?
Es ist wichtig, die Zeit die wir miteinander verbringen, zwischen Geschäft und Privat zu trennen. Genauso wichtig ist es, die Zeit als Eltern und Paar zu trennen. Als Eltern können wir gerne über Kinder, Job und Haus reden. Als Paar reden wir über uns als Mann und Frau. Was beschäftigt den anderen, was sind seine Wünsche und Bedürfnisse. Das ist das «grosse» Geheimnis.

«Wir zeigen Ihnen, wie Sie ganz konkret bei Ihrer Paarbeziehung und Ihren Ressourcen ansetzen können, weil wir überzeugt sind, dass Sie die besten Eltern sind, wenn Sie eine starke und liebevolle Paarbeziehung haben», heisst es auf der Einladung zum Vortrag in Frick. Können Sie unseren Lesern bereits jetzt einen «Geheimtipp» verraten?
(lacht). Nichts ist so gut erforscht, wie Paare. Die «Kunst» ist es, eine gewisse Neugier zu bewahren. Oft höre ich: «mein Mann/meine Frau weiss gar nicht, was mich bewegt.» Oder: «Wir haben keine Zeit». Die einfachste Lösung ist: «Sich diese Zeit zu nehmen». Denn sie ergibt sich nicht von alleine. Nur darauf zu hoffen, dass sich diese «schöne» gemeinsame Zeit ergibt, reicht einfach nicht aus. Genau das ist das Thema unseres Vortrags: «Wie» können Sie das, was Sie bereits über Beziehung wissen, umsetzen, wenn die Zeit knapp ist, der Partner lange arbeitet, die Kinder einem fordern und Sie am Abend total erschöpft sind?

Aber Hand aufs Herz: Der Psychologe und Psychotherapeut wird oft als «Seelenklempner» abgestempelt. Wenn in einer Beziehung dann etwas nicht funktioniert, heisst es schnell einmal: Du kannst ja hingehen, aber ich brauche dies nicht. Wieso ist es wichtig, dass zum Beispiel in Frick nicht nur Mütter sondern bestenfalls auch der Vater mitkommt?
Ich erlebe oft, dass nur die Frau oder der Mann zur Beratung kommen wollen. Ich rate davon ab. Aus meiner Erfahrung betreffen Paarprobleme immer das Paar und sollten gemeinsam, als Paar gelöst werden. Es ist schneller und effektiver.

Sie sind auch Dozent am Institut für Körperzentrierte Psychotherapie IKP Zürich. Was lehren Sie da, beziehungsweise, was kann der Laie darunter verstehen?
Das Institut gibt es seit 30 Jahren. Körperzentriert heisst nicht nur den Verstand einzubeziehen, sondern den Menschen als Ganzes mit allen seinen Sinnen und Dimensionen. Wir können viel über den Körper wahrnehmen aber auch verändern. Ein guter Paarberater schafft es, das Beratungsgespräch auf eine andere Ebene, als das Reden, zu heben. Auf diese Weise lassen sich für Paare schneller Lösungen finden.


Eltern-Vortrag

Am Donnerstag, 7. Februar, von 19.30 bis zirka 22 Uhr, referieren Sara Michalik (Fachpsychologin für Psychotherapie FSP) und Peter Michalik (Familien-, Paar- und Eheberater IKP) in Frick. Der Vortrag unter dem Titel «Elternsein – Liebespaar bleiben/Strategien glücklicher Paare» findet in der Aula, im Oberstufenschulhaus Ebnet statt. Der Eintritt kostet 25 Franken pro Elternpaar; für Einzelpersonen 15 Franken. (bz)

www.praxis-michalik.ch


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