Soll die Gesamtfläche der Bauzonen auf dem heutigen Stand eingefroren werden?

  20.01.2019 Abstimmungen

Am 10. Februar stimmen wir über die «Zersiedelungsinitiative» ab

Kulturland schützen – Zersiedelung stoppen - Pro

Andreas Fischer, Grossrat Grüne, Möhlin

Noch immer wird in der Schweiz jede Sekunde fast ein Quadratmeter Grünfläche überbaut. Bisherige Massnahmen wie neue Raumplanungsgesetze konnten diese Entwicklung leider nicht stoppen. Die Zersiedelungsinitiative bietet eine einmalige Chance, das noch vorhandene Kulturland zu schützen und die schönen Landschaften der Schweiz zu bewahren.

Wir alle kennen das Bild: Wer durch die Schweiz reist, sieht allerorten Neubauquartiere an Siedlungsrändern. Die Dörfer und Städte fransen aus. Abgesehen von der oft zweifelhaften Ästhetik – von einigen auch «Hüslipest» genannt – fressen diese Wucherungen wertvolles Kulturland. Wir entziehen damit der Schweiz wertvolle Ernährungsgrundlagen im wahrsten Sinne des Wortes. Dem will die Zersiedelungsinitiative – aufgeworfen von den Jungen Grünen – entgegenwirken. Sie verlangt, dass die Gesamtfläche aller heute vorhandenen Bauzonen nicht mehr vergrössert werden darf. Sie zementiert jedoch keineswegs die vorhandenen Zustände: Soll irgendwo neues Bauland eingezont werden, muss die gleiche Fläche an anderer Stelle ausgeschieden werden. So könnte zum Beispiel eine Gemeinde A, die keine freien Bauflächen mehr hat, mit Gemeinde B einen Abtausch vornehmen, wobei letztere dafür entschädigt würde. Es ist also Unsinn zu behaupten, dass die Initiative dazu führen würde, dass vor allem dort gebaut würde, wo es noch Bauland gibt.

Nachhaltiger Kulturlandschutz
Schlagen die Jungen Grünen etwas völlig Neues vor? Keineswegs! Sie haben ein Prinzip wiederaufgegriffen, dass im Schweizer Wald seit bald 150 Jahren gilt. Wird eine Fläche gerodet, muss an gleicher Stelle oder andernorts aufgeforstet werden. Diese Idee, nur so viel zu verbrauchen, wie wieder nachwächst, gilt als Geburtsstunde der Nachhaltigkeit und es würde der Schweiz sehr gut anstehen, unser nicht «erneuerbares» Kulturland auf ähnliche Weise zu schützen. Damit wäre auch der Landwirtschaft geholfen, die dem Verlust von Äckern und Weiden derzeit vielerorts machtlos zusehen muss. Ihre Gebäude geniessen übrigens Bestandesgarantie.

Bauland ist in der Schweiz noch mehr als genug vorhanden: Die Reserven sind so gross wie der Kanton Schaffhausen und genügen damit locker für den zukünftigen Platzbedarf von Bevölkerung und Wirtschaft. Oft sind die eingezonten Gebiete jedoch am falschen Ort. Mit der Initiative würde ein Instrument geschaffen, um Bauzonen gewinnbringend für alle umzulagern. Nicht zuletzt wird eine qualitätsvolle Verdichtung nach Innen unter Beachtung der geltenden Schutzbestimmungen gefordert. Dies wäre eine Riesenchance, um historische Dorfkerne aufzuwerten und ihnen wieder Leben einzuhauchen.

Fazit
Die Zersiedelungsinitiative bewahrt die schönen Landschaften in der Schweiz und damit auch unsere Lebensqualität. Durch einen haushälterischen Umgang mit dem Boden wird auch weiterhin genug Wohnraum für alle geschaffen, ohne dass dafür Grünflächen geopfert werden müssen. Deshalb lege ich am 10. Februar ein überzeugtes Ja für den Schutz unseres Kulturlandes in die Urne.


Die Initiative ist überflüssig und schädlich - Contra

Werner Müller, Grossrat CVP, Wittnau

Die Zersiedelungsinitiative will die weitere Ausdehnung von Bauzonen stoppen, indem deren Gesamtfläche auf unbefristete Zeit eingefroren wird. Die Ausscheidung neuer Bauzonen soll nur noch dann zulässig sein, wenn eine mindestens gleich grosse Fläche von vergleichbarem, landwirtschaftlichem Ertragswert ausgezont wird. Zudem sollen ausserhalb der Bauzonen nur noch Bauten für die bodenabhängige Landwirtschaft oder standortgebundene Bauten von öffentlichem Interesse bewilligt werden.

Die Siedlungsfläche in der Schweiz hat sich in den letzten Jahrzehnten stark ausgedehnt. Das von den Initiantinnen und Initianten anvisierte Ziel einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung ist deshalb zweifellos die richtige Stossrichtung. Die undifferenzierte Initiative ist jedoch viel zu extrem, mit weitreichenden negativen Auswirkungen. Das Einfrieren der Bauzonen, ohne jegliche zeitliche Beschränkung, berücksichtigt weder die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft, noch die Eigenheiten der Kantone und Regionen. Ganz allgemein gesagt, ist es unnötig und kontraproduktiv, das geltende Raumplanungsrecht zu verschärfen.

Die Kernanliegen der Initiative werden nämlich durch die 2013 vom Stimmvolk angenommene Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) neu geregelt. Mit dieser Revision wurden griffige Massnahmen gegen die Zersiedelung, wie etwa die Verkleinerung von zu grossen Bauzonen, eingeleitet. Ein zentraler Punkt dieser RPG-Revision war, die Förderung der Siedlungsentwicklung nach innen (Verdichtung), um dadurch Landschaft und Kulturland zu schonen. Die revidierten Gesetzesbestimmungen sind am 1. Mai 2014 in Kraft getreten. Seither haben die Kantone ihre Planungs- und Baugesetze überarbeitet und an die neuen bundesrechtlichen Vorgaben angepasst. Die Initiative greift hier unnötigerweise in diesen laufenden Prozess ein.

Der Bauzonen-Stopp bestraft ausgerechnet Kantone und Gemeinden, die in der Vergangenheit haushälterisch mit ihrem Boden umgegangen sind und zurückhaltend Bauzonen geschaffen haben. Daher würde in vielen Gebieten ein Entwicklungsstillstand entstehen. In Ballungsräumen würde die Initiative zudem zu einer massiven Verknappung von Bauland führen. Als Folge davon, ist mit einem markanten Anstieg der Grundstückspreise zu rechnen. Dies würde die Situation der Schweiz als Hochpreisinsel weiter verschärfen. Mit nachteiligen Folgen für Investoren, unbezahlbarem Wohneigentum und steigenden Mietpreisen.

Was das Bauen ausserhalb der Bauzonen betrifft, hätte eine Annahme der Initiative auf die Landwirtschaft tiefgreifende Auswirkungen. Bauten und Anlagen für die bodenunabhängige Produktion wären in der Landwirtschaftszone neu grundsätzlich unzulässig. Es wäre kaum mehr möglich, einen Betrieb zu erweitern und damit zum Beispiel Eier, Geflügel oder erneuerbare Energie zu produzieren. Die Bauern müssten dafür auf viel teureres Bauzonenland ausweichen.

Aus all diesen Gründen ist die Initiative klar abzulehnen. Denn die notwendigen Instrumente für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung sind heute bereits vorhanden.


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