Wahrheiten und Lüge in Zeiten von Fake News
12.10.2018 AargauUmfrage bestätigt: Fake News sind Gefahr für Demokratie
Wie halten es die Menschen in der Schweiz mit der Wahrheit? Können sie gut lügen? Welche Quellen vertrauen sie besonders? Eine Studie kommt zu interessanten Schlussfolgerungen.
Mit Blick auf die neue Ausstellung «FAKE. Die ganze Wahrheit» im Stapferhaus Lenzburg hat die Forschungsstelle sotomo zusammen mit dem Stapferhaus 8640 Personen in der Schweiz befragt. Die repräsentativ gewichtete Online-Befragung, die vom 18. bis zum 30. Juli 2018 durchgeführt wurde, macht eine verbreitete Sehnsucht nach Wahrheit sichtbar. Die Erhebung zeigt, dass besonders jüngere Erwachsene ihren eigenen Wahrheitsansprüchen im Alltag nicht immer zu entsprechen. Sie zeigt, dass es zwar ein hohes Vertrauen in Quellen mit dem Siegel des Offiziellen und Staatlichen gibt, dass bei Alltagsentscheidungen viele jedoch eher auf ihr Bauchgefühl statt auf Fachwissen vertrauen. Insbesondere zeigt diese Studie jedoch, dass aus Sicht der Befragten die Verbreitung von Unwahrheiten und falschen Nachrichten eine reale Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellen.
Von «Fake News» betroffen
Viele Schweizerinnen und Schweizer sind zwar der Meinung, dass es mit dem Internet leichter geworden sei, Unwahrheiten aufzudecken. Dennoch ist eine grosse Mehrheit von ihnen pessimistisch, wenn es um den Beitrag des Internets zur Wahrheitsfindung geht. So sind die meisten überzeugt, dass seit dem Aufkommen des Internets der Anteil an Unwahrheiten auch in den klassischen Medien zugenommen hat. Als wichtigster Grund für die Verbreitung von Unwahrheiten werden allerdings nicht die klassischen, sondern vielmehr die sozialen Medien gesehen. Dennoch müssen die klassischen Medien damit leben, anstatt als Korrektiv zu gelten, selbst zunehmend in «Fake-News»-Verdacht zu geraten. Dabei sind «Fake News» keine unbeabsichtigten Faktenfehler, sondern bewusst fabrizierte Falschnachrichten. Aus Sicht der Bevölkerung handelt es sich beim Phänomen «Fake News» um eine ernstzunehmende Angelegenheit. Ein überwiegender Anteil ist der Ansicht, dass die Verbreitung von Unwahrheiten und falschen Nachrichten zu einer Gefahr für die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt geworden ist. Ganze 83 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich auch selber zumindest gelegentlich von falschen Nachrichten in ihrer politischen Meinungsbildung beeinträchtigt sehen. Geht es um mögliche Gegenmassnahmen, sehen die meisten die öffentlichrechtlichen Medien gefordert. Auch der Staat wird oft als wichtiger Akteur gesehen. Geht es um konkrete Massnahmen, so findet allerdings nur eine einzige Forderung eine klare Mehrheit. Nämlich jene, dass in der Schule vermehrt Gewicht auf das Erlernen eines kritischen Umgangs mit Quellen gelegt werden soll. Vor harten Verboten und kostenintensiven Massnahmen schreckt eine deutliche Mehrheit zurück. Die schweizerische Bevölkerung möchte, dass sich die öffentlichen Akteure dem Thema «Fake News» stellen. Sie möchte jedoch keine Kontroll- und Überwachungskultur. Wenn es um Wahrheit geht, dann vertraut die Schweizer Bevölkerung trotz aller Skepsis den öffentlich-rechtlichen Medien sowie amtlichen Statistiken am meisten. Wenn es um Berufe mit einer wichtigen Rolle bei der Beurteilung von richtig und falsch geht, so nehmen Ärzte und Ärztinnen den Spitzenplatz ein.
Vom Umgang mit Lüge und Wahrheit
Nicht nur inbezug auf News und andere Informationen, sondern auch in ihrem Alltag sind für die Menschen in der Schweiz Wahrheit und Redlichkeit wichtig. Eine Mehrheit meint, dass eine Welt, in der immer alle die Wahrheit sagen, nicht etwa ein Albtraum, sondern eine bessere Welt wäre. Der Wunsch nach totaler Transparenz wird allerdings schnell relativiert, wenn konkret nach den Bereichen gefragt wird, in denen man immer mit der ganzen Wahrheit konfrontiert werden möchte. Nur ein Viertel wünscht immer über die Gemütslage der Kollegen und Kolleginnen Bescheid zu wissen. Nur 56 Prozent beharren explizit darauf, in Sachen Treue in der Partnerschaft immer alles ganz genau mitzubekommen. Auffällig ist dabei: Jüngere Personen wollen häufiger mit der Wahrheit konfrontiert werden als ältere. Dies gilt insbesondere für das Thema Treue in der Partnerschaft. Den meisten ist durchaus bewusst, dass sie selbst nicht immer ihrem Wahrheitsideal entsprechen. Über 90 Prozent geben einen Bereich an, in dem sie sich häufig genötigt sehen, nicht die Wahrheit zu sagen. Am meisten ist die bei privaten Einladungen und Verpflichtungen der Fall. Immerhin 43 Prozent schätzen sich selbst als geübte Lügner ein, denen man es nicht gleich ansieht, wenn sie nicht die Wahrheit sagen. Wirklich schwer fällt es den meisten nur in der Partnerschaft und gegenüber den eigenen Kindern zu lügen. Obwohl, wie erwähnt, junge Erwachsene besonders häufig angeben, mit der ganzen Wahrheit konfrontiert werden zu wollen, schätzen sie sich besonders häufig als geübte Lügner und Lügnerinnen ein. Das Spannungsfeld von Wahrheit und Lüge scheint besonders im Alltag von Jüngeren ausgeprägt zu sein, während sich diese beiden Pole mit steigendem Alter immer weniger aneinander reiben. Womöglich versöhnt man sich mit steigendem Alter mit dem Gedanken, dass sich Wahrheit und Lüge nicht immer ganz klar auseinanderhalten lassen. (nfz)
Die Ausstellung im Stapferhaus in Lenzburg ist ab 28. Oktober geöffnet.