Sara Schmid bringt das Abenteuer in die Bibliothek
19.09.2018 WittnauDie 19-jährige Wittnauerin hat einen mobilen Abenteuer-Raum entwickelt
Ein Leben ohne Bücher – für Sara Schmid unvorstellbar. Mit ihrer Maturaarbeit hofft sie, auch andere Jugendliche für Bücher zu begeistern. Ihre Idee findet Platz in einer Kiste und macht aus jeder Bibliothek einen Abenteuer-Raum.
Simone Rufli
Gymnasiasten im letzten Schuljahr stossen bisweilen an ihre Belastungs-Grenzen. Man weiss das, doch selten bekommt man es so deutlich zu sehen wie an diesem Septembernachmittag bei Sara Schmid. Wie die junge Wittnauerin den Oberen Kirchweg entlang kommt, wird schnell klar: Sara hat schwer zu tragen an ihrer Maturaarbeit. Erst im zweiten Stock des Gemeindehauses, oben in der Bibliothek, kann sie die Kiste abstellen. Die 19-Jährige öffnet den Deckel und gewährt Einblick in ihre Arbeit. Eine Papyrus-Rolle, Bücher, Schlüssel und Schlösser – mehr braucht sie nicht, um in einem gewöhnlichen Bibliotheksraum eine fantasievolle Rätselwelt entstehen zu lassen. Bevor das Spiel startet, nimmt Sara die Utensilien aus der Kiste, hängt die Schlösser in die Halterungen und verschliesst sie. Die präparierten, mit versteckten Hinweisen und Schlüsseln versehenen Bücher werden unter die Bücher auf den Regalen gemischt und los geht’s mit dem ersten Rätsel. Jedes gelöste Rätsel führt zu einem Schlüssel. Mit den Schlüsseln lassen sich nach und nach alle fünf Schlösser an der Kiste öffnen. Auf ihrem Weg durch die Bibliothek bewegen sich die Spielenden durch eine Geschichte. Und weil sich zum Schluss alles wieder so handlich in der Kiste verstauen lässt, ist das Abenteuer ortsunabhängig.
Eine mobile Variante gibt es noch nicht
Saras Vorbild ist das Prinzip von Adventure Room. Ein Team, in der Regel sechs Personen, befindet sich in einem verschlossenen Raum und hat maximal 60 Minuten Zeit, um aus dem Raum zu flüchten. Der Weg ins Freie führt über geheimnisvolle Gegenstände und Rätsel. Gefragt sind Teamarbeit und Kreativität. «Ein Raum kann jeweils nur einmal gespielt werden, danach kennt man die Geschichte und die Rätsel», erklärt Sara. 2013 wurde in Bern das erste Live-Escape-Game eröffnet. Mittlerweile gibt es 13 solcher Räume in der Schweiz, Tendenz steigend. Jeder Raum erzählt eine andere Geschichte. «Das Spiel begeistert Kinder, Jugendliche und Erwachsene», weiss die Schülerin. Sie selber hat sich schon durch manchen Raum gearbeitet. «Nicht überall reichte uns die Zeit, um alle Rätsel zu lösen.» All den Räumen ist gemein, dass sie an einem fixen Ort stehen. «Eine mobile Variante, wie ich eine gemacht habe, gibt es bisher noch nicht. Ein Velo genügt, um die Kiste von einer Bibliothek zur anderen zu transportieren.»
Und wie ist sie auf die Idee gekommen, einen Abenteuer-Raum für Bibliotheken zu kreieren? «Ich lese sehr gerne und sehr viel und hole regelmässig Bücher aus der Bibliothek. Im Moment komme ich neben der ganzen Schulliteratur allerdings kaum dazu, etwas anderes zu lesen». Dabei mag Sara ganz besonders Fantasy-Geschichten. Ihre zweite grosse Leidenschaft ist die Musik. Seit rund acht Jahren spielt sie Saxophon. Derzeit in der Jugendmusik Oberes Fricktal (JMOF) und in der Musikgesellschaft Wittnau. Einmal pro Woche nimmt sie in der Neuen Kantonsschule in Aarau Unterricht. «Und ich singe bereits das vierte Jahr im Kanti-Chor», ergänzt die junge Frau. In der Schule, bei Musik und Gesang haben sich über die Jahre viele Freundschaften entwickelt.
Grosses Ziel
Doch zurück zur Maturaarbeit. Mit dem Abenteuer-Raum hat Sara eine Möglichkeit gefunden, Abenteuer und Lesen zu verknüpfen. «Wenn es mir gelingt, mit meinem Produkt mehr Leute auf Bibliotheken aufmerksam zu machen, habe ich ein grosses Ziel erreicht.» Die Arbeit besteht aus vier Teilbereichen: Aus der technischen Produktion, einem Theorieteil, einer Diskussion und der Darstellung der Ergebnisse. «Es war nicht einfach, Material zu finden für den Theorieteil.» Zum Thema Adventure Room gebe es kaum Fachliteratur und wenn, dann ausschliesslich in englischer Sprache. «Im zweiten Teil habe ich diverse Bibliotheken befragt. Ich wollte wissen, mit welchen Problemen sie konfrontiert sind. Ob sie unter einem Benutzerrückgang leiden, worauf sie diesen zurückführen und natürlich, ob sie glauben, ich könnte mit meiner Idee etwas bewirken», erzählt die junge Frau. Neun Fragen hat sie den ausgewählten Bibliotheken verschickt, die Rückmeldungen hat sie im Theorieteil der Maturaarbeit verwertet. Sämtliche Rätsel und die Geschichte drum herum sind in ihrem Kopf entstanden. Sie hat gebastelt und eine selbsterklärende Spielanleitung erstellt. «Zu viel möchte ich nicht verraten. Am besten, man probiert das Spiel selber aus.» Wenn alles soweit ist, wird Sara ihr Werk in der Bibliothek in Wittnau vorstellen. Sie kann sich auch vorstellen, dass ihr Produkt im Rahmen einer Lesenacht zum Einsatz kommt.
Saras Produkt richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 22 Jahren. Mit dieser Altersgruppe hat sie Mitte August auch bereits drei Testphasen durchlaufen. «Das eine Mal mit Kolleginnen und Kollegen, das andere mal mit Kindern aus dem Dorf, die mir weniger oder gar nicht bekannt sind. Ich wollte eine möglichst objektive, unvoreingenommene Beurteilung.» Auch Bibliotheks-Mitarbeiterinnen haben das Spiel getestet. «Alle Rückmeldungen sind positiv», freut sich Sara.
Noch steht die Beurteilung der Arbeit durch die zuständigen Lehrpersonen aus, genauso wie die Präsentation vor Publikum in der Schule. Doch unabhängig von der späteren Benotung darf sich Sara bereits heute freuen – und zwar über das offenkundige Interesse von Bibliotheken aus der Region.
Im Juni 2019 schliesst sie die Schule in Aarau ab. «Dann gehe ich für ein Jahr als Au Pair in die USA, danach werde ich an einer pädagogischen Hochschule die Ausbildung zur Primarlehrerin in Angriff nehmen.» Das Abenteuer geht für Sara Schmid also weiter – auch ausserhalb der Bibliothek.