«Das Dorf hat seinen Charakter nie verloren»
29.09.2018 ZuzgenMilena Sacher und Severin Gysin studieren in Basel und Zürich, doch zu Hause fühlen sie sich in ihrer Heimatgemeinde Zuzgen. Auf dem Spaziergang durch das Dorf kommen viele Erinnerungen auf.
Valentin Zumsteg
Dort, wo sich ein grosser Teil des öffentlichen Lebens von Zuzgen abspielt, dort treffen wir die 21-jährige Milena Sacher und den 23-jährigen Severin Gysin: Auf dem Areal von Schulanlage und Gemeindeverwaltung werden viele Veranstaltungen durchgeführt – und die beiden sind meistens dabei. Sie engagieren sich in Vereinen und schätzen den Zusammenhalt im Dorf.
«Immer ein offenes Ohr»
«Zuzgen ist Heimat für mich. Egal, wo ich war auf der Welt, ich wollte nie woanders bleiben. Ich bin immer wieder gerne zurückgekommen», erklärt Milena Sacher. Hier kennt sie die Menschen, die Landschaft und fast jeden Winkel. Ähnlich tönt es von Severin Gysin: «In Zuzgen ist alles übersichtlich und vertraut. Hier finde ich immer ein offenes Ohr und Herz.» Er erinnert sich gerne an die Jugend und die vielen Freunde aus dem Dorf. «Wir haben oft draussen gespielt, vor allem in unserem Quartier.» Auch Milena hat schöne Erinnerungen an ihre Kindheit: «Es war toll, in Zuzgen aufzuwachsen. Wir waren viel im Freien und im Wald.» Severin und Milena kennen sich von Kindsbeinen an, ihre Eltern sind befreundet. Zudem spielen beide bei der Musikgesellschaft Concordia Wegenstetten und in der Jugendband Wegenstettertal.
ist in den vergangenen Jahren zwar gewachsen, doch nie sprunghaft. Zählte die Gemeinde 2008 rund 850 Einwohnerinnen und Einwohner, sind es aktuell rund 900. «Es gab immer wieder Veränderungen und neue Häuser, aber das Dorf hat nie seinen Charakter verloren», findet Milena. Die stärkste und augenfälligste Veränderung sei in den vergangenen Jahren der Neubau des Schulhauses gewesen. Dass die Gemeinde hier Millionen investiert hat, auch wenn die Zukunft der eigenen Schule ungewiss ist, finden die beiden richtig.
«Die Schweiz des Wegenstettertals»
«Zuzgen ist eigentlich ein stadtnahes ‹Kaff›. Ich meine das positiv. Wir wohnen hier im Grünen, sind aber schnell in Basel und Zürich», sagt Severin. Die Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr beurteilen beide als gut. Milena studiert in Basel Psychologie, Severin ist an der ETH in Zürich. Beide sind häufig mit Bus und Bahn unterwegs. «Wenn Freunde von auswärts nach Zuzgen kommen, dann staunen sie immer über die Ruhe hier. Ihnen gefällt die Natur. Sie finden das sehr idyllisch. Wenn man selber hier wohnt und aufgewachsen ist, dann scheint das normal», sagt Milena.
Zuzgen pflege mit den Gemeinden im Tal einen guten Kontakt, es gebe weniger Reibereien als zwischen Hellikon und Wegenstetten. «Zuzgen ist neutral. Wir sind so etwas wie die Schweiz des Wegenstettertals», schmunzelt Milena. Dass die Gemeinde in absehbarer Zeit mit Nachbardörfern fusionieren wird, dass kann sie sich hingegen nicht vorstellen. «Zuzgen ist ein lebendiges Dorf, wir müssen nicht fusionieren. Hier sind die Vereine aktiv und es läuft einiges», erklärt sie. «Das ist im Moment kein Thema. Die aktuelle Lage ist nicht prekär. Und wenn es in 10 oder 20 Jahren Sinn macht, dann findet man mit den anderen Gemeinden sicher eine Lösung», erklärt Severin dazu.
Schulweg als Fitnessprogramm
Nachdem wir uns bereits ausgiebig unterhalten haben, geht es los mit dem Spaziergang. Zuerst marschieren wir die alte Lohnberg-Strasse hinauf, vorbei an vielen schmucken Einfamilienhäusern. Es geht steil bergwärts. In diesem Quartier ist Milena aufgewachsen. «Der Schulweg war immer ein Fitness-Programm», sagt sie mit einem Lachen. Es dauert nicht lange, dann lassen wir die Häuser hinter uns. Von hier aus hat man einen schönen Ausblick auf das Dorf und die umliegenden Hügel und Wälder. Würden wir weiter hinauf marschieren, kämen wir auf den Chriesiberg. «Dort kann man wunderbar grillieren», erzählt Severin. Doch wir wollen zurück ins Dorf, deswegen nehmen wir die alte Rausstrasse. Sie führt hinunter. Wir gehen am «Rössli» vorbei. Beide sind froh, dass es in Zuzgen noch ein Restaurant gibt. «Ich bin zwar kein grosser Beizengänger, aber das Rössli ist das Stammlokal der Chluuri-Zunft, bei der ich Mitglied bin», meint Severin. Auch einen Dorfladen und einen Agromarkt gibt es in Zuzgen. «Und eine Carrosserie mit Autowaschstrasse haben wir», sagt Milena mit einem Lachen. Was allerdings fehle, sei ein Bancomat, finden die beiden.
Unweit vom «Rössli» befinden sich die christkatholische und auf der anderen Strassenseite die römisch-katholische Kirche. Severin war früher Ministrant. «Im römisch-katholischen Kirchgemeindehaus fanden jeweils die Ministranten-Treffen statt.» Auch Milena hat Erinnerungen an die Kirche: «Da kommen Sonntagsgefühle auf».
Junge Familien im Quartier
Wir spazieren weiter durch das Gebiet Gassenbach. Hier stehen einige Gewerbebauten, aber es hat auch noch viele grüne Wiesen. «Da sind wir früher oft geschlittelt», erzählen die beiden und zeigen auf den «Geisshübel». Es geht weiter Richtung Leigraben. In diesem Gebiet ist Severin aufgewachsen. «Es sind wieder einige junge Familien ins Quartier gezogen. Ihre Kinder erleben jetzt das Gleiche, was ich als Kind hier erleben durfte.» Der Grossvater von Severin ist Emil Sacher, so etwas wie der Lokalhistoriker von Zuzgen. Wenn es eine Frage zum Dorf gibt, kann er sich an ihn wenden. Er kennt jede Strasse und viele Geschichten zum Dorf. Der Hauptstrasse entlang gehen wir zurück zur Schulanlage. «Die Bushaltestellen sind auch typisch für Zuzgen, denn hier trifft man viele Leute, die zur Schule oder zur Arbeit fahren», sagt Milena.
Wo sehen die beiden eigentlich ihre persönliche Zukunft? «Ich kann mir gut vorstellen, wegzugehen und irgendwann wieder ins Tal zurückzukommen. Ich fühle mich zwar wohl in der Stadt, ich möchte dort aber nicht leben – vor allem nicht, wenn ich später einmal Familie habe», sagt Milena. Severin will sich nicht festlegen: «Auch ich kann mir vorstellen, später in Zuzgen zu wohnen. Vielleicht gibt es aber auch anderswo ein schönes Plätzchen – zum Beispiel in den Bergen. Ich bin offen.»
Auf den Damm
Als wir wieder bei der Schulanlage sind, ist unsere Tour durch Zuzgen fast abgeschlossen, aber noch nicht ganz. Denn Severin hat im Gespräch zuvor etwas von einer neuen Badegelegenheit im Dorf erzählt. Diese befindet sich beim Hochwasser-Rückhaltebecken zwischen Zuzgen und Hellikon. Unterhalb des Damms ist der Bachverlauf neu gestaltet worden und dort ist so etwas wie ein kleiner «Naturpool» entstanden. Das wollen wir uns doch mal genauer anschauen: Zum Schluss fahren wir also mit dem Auto zum Damm und die beiden zeigen das natürliche Planschbecken. «Wenn es heiss ist, findet man hier Abkühlung», sagt Severin. Wir merken: Die Zuzger wissen sich zu helfen.
Jung und engagiert
Milena Sacher ist 21 Jahre alt. Sie studiert in Basel Psychologie. In ihrer Freizeit spielt sie Querflöte bei der Musikgesellschaft Concordia Wegenstetten und in der Jugendband Wegenstettertal. Daneben ist sie Mitglied im Turnverein Zuzgen.
Der 23-jährige Severin Gysin studiert an der ETH in Zürich Umweltnaturwissenschaften. Er ist ebenfalls Mitglied der Musikgesellschaft Concordia Wegenstetten und seit Anfang Jahr Präsident der Jugendband Wegenstettertal. Zudem gehört er der Chluuri-Zunft Zuzgen an. Kurz nach dem gemeinsamen Spaziergang ist er zu einem dreimonatigen Aufenthalt nach Ecuador aufgebrochen. (vzu)