Die Neudefinition des siebten Himmels

  04.07.2018 Möhlin

Ronny Wittenwiler

Anderswo würde man von Champagner-Fussball sprechen. Was die Wasserfahrer von Ryburg-Möhlin sportlich anpackten, wurde zu Gold. Jahrelang. Präsident Pascal Sacher weiss das nur zur gut. «Der Verein schwamm praktisch ununterbrochen auf einer Welle des Erfolgs.» Wie die Götter den Olymp verteidigten die Möhliner ebenso erfolgreich den siebten Himmel des Siegens. Und dann kam übers Wochenende vom 9. und 10. Juni 2018 dieses Einzelwettfahren in Basel, das so perfekt den Stoff für diese Geschichte liefert: Der WFV Ryburg-Möhlin klassierte sich irgendwo im Nirgendwo (auf dem ungewohnten 13. Platz von 20 teilnehmenden Vereinen).

Kein Gewitter, aber Gegenwind
«Okay, der Hauptgrund waren in diesem Fall wirklich die Wetterbedingungen», sagt Pascal Sacher, lächelt, auch im Wissen, dass solche Äusserungen im Normalfall nicht zu den populärsten gehören. Doch in der Tat: Just als der Verein an den Start ging, zog ein Gewitter auf, Windböen peitschten übers Wasser, selbstverständlich in die falsche Richtung – nichts ging mehr. Und doch passt dieses Bild, richtet man den Blick beim Wasserfahrverein nach vorne. Es ist kein Gewitter, das aufziehen wird, sportlich aber zeichnet sich Gegenwind ab. «Die nationale Konkurrenz hat enorm aufgeholt», sagt Präsident Sacher. «Da sind plötzlich viele starke Fahrer auszumachen.» Berner. Basler. Die Mannen aus Birsfelden und Muttenz, solche vom Limmatclub Baden. Zwei Faktoren macht Sacher geltend: Erstens hätten diese Vereine leistungsmässig ganz einfach aufgeholt. Zweitens, nicht unwesentlich: «Sie haben in ihren Reihen nicht nur Fahrer, wie wir sie mit Reto Wunderlin und Sven Weidmann hatten und noch immer haben – sie sind auch noch zwanzig Jahre jünger.»

Wie bei Ferrari
Damit ist vieles gesagt. Bei den Aktiven vom Wasserfahrverein klafft – im Vergleich zur goldenen Ära – ein Loch. Fahrer, ob einzeln oder als Paar, zeigen solide Leistungen zwar, alles und alle überragend sind sie nicht mehr. Die leistungsmässig Stärksten im Verein starten längst bei den Senioren und den Veteranen, es sind unter anderem ebendieses Top-Duo Reto Wunderlin / Sven Weidmann (Senioren) oder die Gebrüder Thomas und Christian Hirter (Veteranen). Noch immer holen sie regelmässig die Kohlen aus dem Feuer – vorausgesetzt, sie gehen an den Start. Doch um jeweils in der Vereinswertung ganz zuoberst stehen zu können, täten dominierende Aktive ebenso Not. Hinzu kommt, dass einstige Leistungsträger wie etwa Rolf Wunderlin den Stachel an den Nagel hängten, aus gesundheitlichen Gründen, wiederum andere, nach all den Jahren, drosselten den Trainingsaufwand, so wie das bei jedem Hobbykicker ab dreissig Plus auch keine Schande ist. «Uns geht es wie Ferrari nach der Ära Schumacher», sagt Pascal Sacher. «Wir sind schon noch gut. Aber nicht mehr alleinige Spitze. Bei den Zwanzig- bis Dreissigjährigen fehlen uns die absoluten Leistungsträger.» Ein Problem, das der deutsche Fussballbund kennt. Dort aber wiegt die Dramatik ungleich schwerer.

«Es ist tatsächlich ein lachendes und weinendes Auge», sagt Sacher – und lächelt. «Natürlich wäre es toll, Präsident eines Vereins zu sein, der weiterhin von Erfolg zu Erfolg reitet. Aber im Sinne des Sports tut auch das Wissen gut, dass Konkurrenz da ist. Die Euphorie ist dann wahrscheinlich noch viel grösser, wenn wir ohne dieses Gefühl der Selbstverständlichkeit ganz vorne dabei sind.»

Die Jugend, Investition mit Zukunft
Dem Generationenwechsel zum Trotz: Schon jetzt taucht am Horizont ein Weidling mit einer überaus vielversprechenden Zukunft an Bord auf. Begonnen hatte alles – das ist mittlerweile kein Geheimnis mehr – mit der Beschaffung eines Weidlings für Kinder und Jugendliche. Mit diesem Pionierprojekt vor rund drei Jahren erlebten die Wasserfahrer einen regelrechten Boom, der in der Szene seinesgleichen sucht. «Seither sind zwischen dreissig und vierzig Mädchen und Buben zu uns gestossen, die sich fürs Wasserfahren interessieren. Alle zwischen sechs und fünfzehn Jahre alt. Wir wurden beinahe überrannt.»

Das erfülle einen mit Freude, freilich auch mit Stolz, sagt Präsident Sacher. Dieses Gefühl, in der Nachwuchsförderung eine beneidenswerte Richtung einschlagen zu dürfen, umschreibt er so: «Vereinsleben kann auch Lebensschule sein. Und diese Jungen sind in gewisser Weise auch die Basis für das Fortbestehen unseres Vereins.» Dass sich derzeit viele Wasserfahrer als Trainer und Jungfahrleiter intensiv um die Kleinsten kümmern, ihnen das Einmaleins beibringen, nicht zuletzt ist auch das eine Tatsache, die Sacher abzuwägen weiss: «Viele von ihnen setzen ihr Herzblut und ihre Freizeit nun dafür ein. Das ist nicht weniger hoch zu werten, als der blosse sportliche Erfolg des Vereins.»

Story-Killer Wasserfahrverein
Und so hat dieser Umbruch nach einer schier endlos andauernden goldenen Ära, wie so oft im Leben, zwei Seiten. Lange besetzte der Wasserfahrverein unangefochten den siebten Himmel in sportlichen Belangen. Vieles deutet daraufhin, dass im Hinblick auf die langfristige Vereinszukunft die Aussichten ebenso himmlisch sind. «Wer weiss», sagt Pascal Sacher. «Vielleicht wird aus dem einen oder anderen in zwanzig Jahren auch einmal ein absoluter nationaler Spitzenfahrer.»

Und natürlich musste es vorletzte Woche so kommen, wie es kommen musste, selbstverständlich zu dieser Geschichte so ganz und gar nicht passend: Beim Paarwettfahren in Birsfelden schafften es die Möhliner doch tatsächlich auf den sensationellen dritten Vereinsrang. Sie kamen ohne Gewitter durch den Wettkampf. Und trotzten ganz schön dem Gegenwind der mittlerweile erstarkten Konkurrenz. Wie sagte Sacher doch so schön? «Die Euphorie ist dann wahrscheinlich noch viel grösser…» Er sollte Recht behalten.


Fischessen am Wochenende

Kommendes Wochenende, 7./8. Juli, führt der Wasserfahrverein Ryburg-Möhlin wieder sein traditionelles Fischessen durch (beim Bürkli). Tanzmusik und Barbetrieb bieten den passenden Rahmen, ausserdem messen sich wieder Plausch-Mannschaften beim legendären Schlagruder-Wettkampf. Am Sonntag findet zudem ein interner Wettkampf mit dem Schülerweidling statt. Sämtliche Infos im Internet. (rw)

www.wfvryburg-moehlin.ch


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