Auf und ab in Hellikon

  29.06.2018 Hellikon

Heute entdecken wir Hellikon: Janine Moosmann und Jimmy Hasler nehmen uns mit auf eine Tour durch ihr Dorf. Auch wenn die Gemeinde keinen Laden, keine Post und keine Bank hat, fühlen sich die beiden wohl hier. Wieso, das erklären sie unterwegs. Auf die «Helliker Löcher» kommen sie auch zu sprechen.


«Hellikon ist ein einzigartiges Dorf»

 Eine Tour mit zwei jungen Hellikern durch ihre Gemeinde

Janine Moosmann und Jimmy Hasler sind sich einig: So ein Dorf wie Hellikon ist sonst nirgends zu finden. Sie fühlen sich wohl hier. Auf einer Tour zeigen sie ihre Gemeinde.

Valentin Zumsteg

«Für Gott und Vaterland» steht über dem Eingang zum Schulhaus Hellikon. Es ist ein altes, schönes Gebäude mit einer langen Geschichte, zu der ein trauriges Kapitel gehört: 1875 stürzte bei einer Weihnachtsfeier das Treppenhaus ein, 76 Menschen – darunter viele Kinder – kamen ums Leben. Ihre Namen sind neben der Eingangstür notiert. Jeder, der das Schulgebäude betritt, kommt an ihnen vorbei.

«Freier als in der Stadt»
Hier, mitten im Dorf, treffen wir die 18-jährige Janine Moosmann und den 22-jährigen Jimmy Hasler. Beide sind in Hellikon aufgewachsen und wohnen heute noch hier. Die Primarschule haben sie in diesem Schulhaus besucht. Sie kennen sich über ihre Geschwister – aber im Dorf kennt eigentlich sowieso jeder jeden, wie sie lachend anfügen.

«Ich bin froh, dass ich in Hellikon aufwachsen durfte. Wir konnten viel draussen spielen und unternehmen. Ich glaube, man ist hier als Kind freier als in der Stadt», findet Janine. Das sieht Jimmy ähnlich: «Hier erlebt man Sachen, die man in einer Stadt nicht erleben würde. Es wird einem aber nicht so viel geboten, man muss selber etwas organisieren.» Das hat er mit seinen Kollegen getan. Während Jahren hatten sie einen überdachten Treffpunkt im Wald: «Am Anfang war es nur eine kleine Hütte. Sie ist aber immer grösser geworden. Wir haben dort gefeiert und auch mal übernachtet. Im Sommer wurde grilliert, im Winter gab es Raclette. Das war immer sehr gemütlich.» Die Gemeinde habe lange ein Auge zugedrückt, doch irgendwann haben Jimmy und seine Kollegen das kleine Gebäude zurückbauen müssen, die Gesetze liessen es nicht mehr zu. «Mein Bruder war jeweils auch dort», erinnert sich Janine.

«Ein Dorf mit Ruf»
Janine und Jimmy arbeiten auswärts, doch Hellikon mit seinen aktuell rund 780 Einwohnern ist ihnen immer noch sehr wichtig. Janine macht in Basel eine Ausbildung zur Gestalterin Werbetechnik, sie ist im zweiten Lehrjahr. Jimmy arbeitet als Maurer in Wallbach. «Hellikon ist einzigartig. Ein solches Dorf findet man in der Schweiz wohl nirgends. Die Helliker kennt man in der Region, wir haben einen Ruf. Der Zusammenhalt im Dorf ist gut», sagt Jimmy. Janine pflichtet bei. Vor allem die Fasnacht sei bekannt und ziehe Besucher aus dem ganzen Fricktal an. Hellikon könne gut Feste organisieren.

Wie ist das Verhältnis mit dem Nachbardorf Wegenstetten? «Da gibt es sicher immer wieder Sprüche und eine gewisse Rivalität, auch mit Schupfart. Doch das ist heute eigentlich nicht mehr so ernst gemeint. Es gehört einfach ein bisschen dazu», sagt Jimmy. Sticheleien gebe es ebenso zwischen den beiden Dorfteilen, wobei der Bach die Grenze darstelle.

Weder Post noch Dorfladen
So, genug geplaudert: Jetzt machen wir uns auf den Weg durch das Dorf. Die erste Station ist nicht weit, der Kindergarten beim Gemeindehaus. Beide haben gute Erinnerungen an den Spielplatz. Gleich gegenüber befindet sich der Hang, wo früher geschlittelt wurde. «Hier haben wir im Winter viele Stunden verbracht. Das ist eine bleibende Kindheitserinnerung», erzählt Janine.

Eine Post, eine Bank oder einen Dorfladen gibt es in Hellikon nicht mehr. Das bedauern die beiden. «Hellikon ist das Dorf, das nichts hat», sagt Janine. «Für uns Junge ist das kein Problem, wir sind ja täglich unterwegs. Für die älteren Menschen ist es aber schade, dass es keinen Laden und keine Post gibt», ergänzt Jimmy. Immerhin: Ein Restaurant hat das Dorf noch, das «Rössli». «Das ist ein wichtiger Treffpunkt. Ich bin mit meinen Kollegen und der Guggenmusik regelmässig dort. Bevor wir in den Ausgang fahren, treffen wir uns häufig im Rössli», so Jimmy. Zufrieden sind die beiden mit den ÖV-Verbindungen Richtung Basel. «Das klappt gut. Wenn man mit dem Postauto und dem Zug Richtung Frick will, ist es mühsamer», so Janine.

Dann geht es hinauf in den Stockenrain. «Von dort hat man den besten Ausblick über Hellikon. Man sieht das ganze Dorf», erzählt Jimmy. Weil es doch ziemlich stotzig ist und der Weg relativ weit, nehmen wir das Auto. Tatsächlich: Hier kann man fast die ganze Gemeinde, die sich im Tal zwischen Wabrig und Neulig erstreckt, betrachten. Janine und Jimmy zeigen in die Ferne, wo sie wohnen. Hellikon liegt wunderbar im Grünen, die Natur und der Wald sind nirgends weit. Auch im Dorf gibt es noch viele grüne Flecken, die Verdichtung hat hier noch kaum begonnen.

«Die Löcher werden belächelt»
Nach dem Ausblick geht es hinüber auf die andere Seite. «Hellikon ist auch bekannt für die Hauptstrasse, die wegen Einsprachen noch nicht saniert ist», sagt Jimmy mit einem Schmunzeln. Durch den Wald fahren wir hinauf ins Gebiet Neulig. 2009 hat die Gemeinde überregional Bekanntheit erlangt, weil sich auf einem Feld der Boden aufgetan hat und zwei Krater entstanden sind. Es gab viele Schlagzeilen und Fernsehberichte. Schaulustige kamen von weither. Mittlerweile hat «Pro Natura» das Land um die Löcher gekauft. Hier sollen geologische Prozesse aufgezeigt werden, so die Absicht. Vorübergehend stand ein kleiner Turm vor Ort, damit die Interessierten in den Krater schauen konnten. Heute ist noch ein Spiegel installiert, der einen Blick in die Tiefe erlaubt. Allzu spektakulär ist das aber nicht. «Am Anfang fanden wir die Löcher interessant. Mittlerweile wird das Thema im Dorf aber belächelt. Solche Krater gibt es in Hellikon im Wald schon lange», sagen Janine und Jimmy. Sie zeigen sich wenig beeindruckt von der löcherigen Wiese.

Eine Fusion scheint unvorstellbar
Nach dem Ausflug in die Höhe geht es wieder hinunter ins Dorf. Auf dem Sportplatz turnen gerade eine paar Frauen. Die Sonne scheint und die Gemeinde wirkt in diesen Abendstunden sehr idyllisch. Hier endet unsere kleine Tour. Zum Schluss bleiben aber noch zwei Fragen: Wie sehen Janine und Jimmy die Zukunft von Hellikon? «Ich glaube nicht, dass es irgendwann zu einer Fusion mit den Nachbargemeinden kommen wird. Ein paar Helliker werden sicher alles unternehmen, damit dies nicht nötig wird», erklärt Jimmy. Auch Janine kann sich nicht vorstellen, dass Hellikon irgendwann Teil einer grösseren Gemeinde wird. Das würde dem Helliker Selbstverständnis widersprechen.

Und wo sehen die beiden ihre persönliche Zukunft, in Hellikon oder anderswo? «Ich kann mir beides vorstellen», sagt Janine. Und Jimmy ergänzt: «Wer weiss schon, was die Zukunft bringt. Ich glaube aber, dass ich dem Dorf immer verbunden bleiben werde.»


Auf die Pauke hauen
Janine Moosmann ist 18 Jahre alt. Sie absolviert derzeit eine Ausbildung zur Gestalterin Werbetechnik in Basel. Der 22-jährige Jimmy Hasler arbeitet als Maurer in Wallbach. Er ist ein talentierter Schwinger, «derzeit aber leider verletzt», wie er sagt. Daneben haut er in seiner Freizeit bei der «Gugge Hellikä» auf die Pauke. (vzu)


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