Wie eine Rampe ein Leben erleichtert
17.06.2017 Jugend, Unteres Fricktal, Schule, RheinfeldenVon Asmita Schöttli
Zurzeit absolviert Sarah Silja Linsig das von ihrer Fachmaturitätsausbildung obligatorische Praktikumsjahr im Therapie Schulzentrum Münchenstein (TSM). Dies ist eine Schule für Kinder und Jugendliche mit einer Sehschädigung, Körper- oder Mehrfachbehinderung. «Als ich vierzehn Jahre alt war ist mein Neffe aufgrund seiner körperlichen Behinderung dort in den Kindergarten gegangen», sagt die Praktikantin. Die Schule veranstalte jedes Jahr eine «Herbstmesse», wo die Kinder ihre Stände selbst aufbauen und bedienen können. Natürlich habe sie diese «Mäss» mehrere Male besucht und so eine persönliche Beziehung zum TSM gewonnen. Darum habe sie diesen Ort bewusst für eine Schnupperlehre und dann für ihr jetziges Praktikum ausgewählt. Der sozialpädagogische Arbeitsbereich begann Sarah Silja schon früh zu interessieren. «Ich habe meinen Neffen oft zur Physiotherapie begleitet» erzählt sie. Das Handicap ihres Neffen ist ein Grund, wieso der Praktikantin Menschen mit Behinderung sehr am Herzen liegen. Ein weiterer ist Sarah Siljas verstorbener Bruder. Er habe an schwerer Cerebralparese gelitten, einer Art Lähmung des Gehirns, welche Störungen des Nervensystems und der Muskulatur zur Folge hat. «Ich habe ihn nicht gekannt, aber er war und ist in den Worten meiner Eltern und Verwandten immer präsent.»
Behinderten eine Stimme geben
Menschen mit Behinderung zu helfen und ihnen eine Stimme zu geben, das sei das Ziel ihres Praktikums sowie ihrer Fachmaturitätsarbeit. Sarah Silja betreut die Kinder im TSM und erlebt Tag für Tag, mit welchen Schwierigkeiten Kinder mit Behinderung und auch deren Eltern zu kämpfen haben. Unter anderem hat die Schülerin in ihrer Arbeit untersucht, wie «rollstuhlfreundlich» der öffentliche Verkehr in der Stadt Basel ist. «Es gibt Tramhaltestellen, wie beispielsweise die «Schifflände», wo es kein Trottoir gibt und so der Höhenunterschied vom Tram auf die Strasse für Rollstuhlfahrende zu hoch ist. Für einige Rollstuhlarten ist es dort unmöglich, ein- beziehungsweise auszusteigen», sagt Sarah Silja. Sie erinnert an das Behindertengleichstellungsgesetz, laut dem bis 2023 jegliche öffentlichen Orte für Rollstühle zugänglich gemacht werden sollten. «Wenn Rollstuhlfahrende aufgrund fehlender Massnahmen nicht von A nach B kommen, sehe ich dies als Diskriminierung», so Sarah Silja. Die Basler «Trämli» als solche findet die 19-jährige sehr behindertengerecht ausgerüstet. Es komme nur noch selten vor, dass man ein Tram ohne Rampe antreffe.
Nicht nur während des Praktikums, auch in ihrer Freizeit engagiert sich Sarah Silja für Menschen mit Behinderung. Sie begleitet und unterstützt behinderte Jugendliche bei ihrem Sporttraining, dem sogenannten «E-Hockey». Dies ist die offizielle Bezeichnung für das Hockeyspielen der Rollstuhlfahrenden. Nicht nur Sarah Silja, auch ihre Mutter arbeitet in einer Behindertenorganisation. Mit ihrem langjährigen Wissen und ihrer grossen Erfahrung konnte Sarah Siljas Mutter sie beim Erstellen der Fachmaturitätsarbeit gut unterstützen und beraten.
Eltern zu Recht stolz auf Sarah Silja
Die Familie ist natürlich stolz auf die Leistung von Sarah Silja und auch ihr selbst habe die Auszeichnung der Arbeit sehr viel bedeutet. «Es ist toll, wenn man eine derart positive Anerkennung für etwas bekommt, wofür man so lange gearbeitet hat», sagt sie. Eine solch tolle Rückmeldung für ihre Fachmaturitätsarbeit habe Sarah Silja nicht erwartet. Neben dem Zertifikat und einem Pro-Innerstadtgutschein wurde ihr eine persönliche Laudatio von ihrer Betreuungsperson gewidmet. Diese hat erwähnt, wie sehr Sarah Siljas Arbeit ihr Bewusstsein für vermeintlich unscheinbare Dinge, wie fehlende oder eben vorhandene Rampen an Tram und Bus, sensibilisiert hat. Mit dieser Aussage habe die Betreuungsperson das Ziel der Fachmaturitätsarbeit auf den Punkt gebracht: «Dass die Leute beginnen sich zu interessieren, genau dafür hat sich meine Arbeit gelohnt», so die Fachmaturandin.
Zukunft: Fachhochschulabschluss und einmal selbst eine Familie haben
Und wo sieht sich Sarah Silja Linsig in zehn Jahren? Auf diese Frage antwortet sie locker und spontan: «Mit 29 Jahren hoffe ich, dass ich eine Familie habe oder immerhin an der Familienplanung dran bin. Ich möchte in zehn Jahren an der Fachhochschule in Basel «Soziale Arbeit» studiert haben und als Sozialpädagogin arbeiten.» Der Studiengang sei sehr vielfältig, man kann sich beispielsweise auf bestimmte Altersklassen spezialisieren oder auf die Integration von Migranten. «Ich habe mir eine Zeit lang überlegt, später vielleicht mit Jugendlichen zu arbeiten», jedoch möchte sich die 19-jährige Rheinfelderin noch nicht festlegen. Sie ist motiviert und offen für das, was beruflich noch auf sie zukommt.