Zu Besuch im «Huus zur vergangene Zyt»
07.08.2016 Kurioses, Tradition, Oberes Fricktal, SulzVon Dieter Deiss
Auf dem Hausplatz steht ein auffallend gelber Kompressor aus den Dreissigerjahren. Ein Schild am Haus trägt die Inschrift «s’Huus zur vergangene Zyt». Beim Eintritt in die Scheune, stechen einem zunächst die vielen Traktoren ins Auge. Beim genaueren Hinsehen entdeckt man nebst den beiden alten Militärmotorrädern den Wänden entlang alte Werkzeuge, Gefässe, Wanduhren, Öllampen, Handlampen, Flachskämme, Hanfseile, Teller und Kannen, kurz - eine Sammlung von schier unglaublichem Ausmass. Hier hat jedes Ding, vom grossen Traktor bis zum kleinsten Werkzeug seinen Platz. Alles wirkt äusserst gepflegt.
Statt ins Kino zur Alteisensammlung
«Seit 38 Jahren sind wir zusammen», erzählen Esthi und André Weiss, die Besitzer dieses Museums und Esthi fügt an: «Andere Burschen gingen mit ihrer Freundin ins Kino, André ging mit mir zum Alteisenhändler und zu Alteisensammlungen.» Angefangen hatten sie mit kleineren Gegenständen. «Als unser Sohn Michael Landmaschinenmechaniker lernte, kamen plötzlich auch grosse Maschinen, insbesondere Traktoren, in unsere Sammlung», erzählt André. Als Vierte im Bunde ist Tochter Nadine, gelernte Autolackiererin, unter anderem zuständig für die Farben. Was hier schon entstanden ist und laufend weiter entwickelt wird ist Teamwork der ganzen Familie.
«Jede Maschine, jeder Traktor, der hier drin steht, ist fahrtüchtig», erzählt André. «Wenn wir einen alten Traktor erwerben, wird dieser als Erstes wieder zum Laufen gebracht.» Halbheiten gibt es bei der Familie Weiss nicht, da muss am Schluss sogar der alte Bührer-Traktor exakt mit dem Original-Grün der Firma Bührer lackiert werden. Für die Landesausstellung von 1939 habe man eine Ausnahme gemacht, und den Traktoren der Jahrgänge 1936-1939 eine braune Farbe verpasst. Auch davon steht ein Exemplar in der Scheune. Man findet aber auch einen grauen Bührer. «Dies ist ein Industrietraktor,» erzählt André. Für den Zirkus Knie hätte Bührer zudem die Traktoren rot lackiert. «Die Geschichte unserer Traktoren und Maschinen ist für uns wichtig. So besitzen wir von einem Bührer mit Jahrgang 1931 noch die Originalpapiere», erzählt Esthi.
Ein Eckert-Traktor aus Leibstadt
Eine ganz besondere Rarität ist der Eckert-Traktor, hergestellt um 1934 von der damaligen Firma Eckert in Leibstadt. Diesen Traktor hat die Familie von einem Sulzer Besitzer gekauft mit der Auflage, dass der Traktor in Sulz bleiben muss. «Diese Auflage können wir natürlich problemlos erfüllen», meinen Esthi und André, «denn wir verkaufen grundsätzlich nichts, wir treiben keinerlei Handel.» Unterdessen ist auch Tochter Nadine zu uns gestossen und ergänzt: «Wir haben keine 0815-Traktoren!»
Raritäten gibt es aber noch viele zu bewundern. So steht ganz hinten ein scheinbar verrosteter Traktor. Es ist ein amerikanischer Mc Cormick aus dem Jahre 1925. Dieser sei in Amerika 50 Jahre ohne jegliches Dach auf dem offenen Feld gestanden, bevor er dann über Holland und Deutschland letztlich den Weg zur Familie Weiss gefunden hat. Mechanisch wurde er wieder auf Vordermann gebracht. Absichtlich habe man sein Äusseres unverändert dem Rost überlassen, was zu diesem Traktor gehöre. Ebenfalls aus den USA gibt es einen alten Raupentraktor aus dem Jahre 1921 zu bewundern. Daneben steht eine selbstfahrende Bandsäge aus den Dreissigerjahren samt Werkzeugen. Ganz vorne beim Eingang findet sich ein Rapid-Einachser von 1928. In der Betriebsanleitung wird sein Gewicht mit 300 Kilogramm angegeben und dem Hinweis: «Die Maschine sollte nur von kräftigen Bauern bedient werden.»
Klöppel einer Kirchenglocke
Nebst den Fahrzeugen gibt es aber auch unzählige grosse und kleine Kostbarkeiten. So etwa der imposante Klöppel, vermutlich von einer Glocke aus der Sulzer Kirche, den André beim Alteisen entdeckt hatte, oder der mächtige, rund 80 Kilogramm schwere Blasbalg aus einer Sulzer Nagelschmiede, der von Ittenthal wieder den Weg nach Sulz fand. Dieser trägt noch das Schild des Herstellers «Z. Kummer, Luzern». An all diesen Sachen hängen viele Erinnerungen.
Ins Auge stechen aber auch die prächtig geformten Holzsäulen, die einen grossen Stützbalken der Scheune tragen, mit der sorgfältig gestalteten Inschrift: «An Gottes Segen ist Alles gelegen.» André Weiss ist gelernter Zimmermann und kennt auch hier keine Halbheiten. Tochter Nadine bringt es auf den Punkt: «Papi ist ein «Sebesiech», ich bin stolz auf ihn!»
Ausbau zum Museum
Im Moment ist Familie Weiss am Ausbau des Wohnhauses neben der Scheune. Dieses soll so hergerichtet werden, wie es vor rund hundert Jahren ausgesehen hat. «Vom Holzbackofen bis hin zur Aargauertracht wird hier alles zu finden sein», schwärmt Esthi von der Zukunft. Sie selber hat auch schon eine grosse Sammlung von alten Kleidern und Schuhen. Zwei grosse Ziele hat Familie Weiss: Mit dem Sammeln all dieser alten Gegenstände möchte man diese wertvollen Zeugen unserer Vorfahren vor der Entsorgung bewahren und der Nachwelt erhalten. Eltern, Nadine und Michael hoffen insbesondere, dass es ihnen dereinst möglich sein wird, die gesamte Liegenschaft und damit auch die ganze Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Tatsächlich schlummert hier ein gewaltiger Schatz, den freilich kaum jemand kennt. Die Sammlertätigkeit der Familie ist allerdings längst nicht abgeschlossen und wird wohl auch nie enden: «Wer alte Sachen hat, von denen er das Gefühl hat, dass diese im Huus zur vergangene Zyt besser aufgehoben wären, möge sich doch bei uns melden», meinen ergänzend Esthi und André. Die Ausstellung kann nach Vereinbarung besichtigt werden.