Daheim am Rhein – in Stein
28.08.2016 Lifestyle, Unteres Fricktal, SteinVon Stefan Salzmann
Kaba Müller sitzt mit ihrem Mann Hans auf der Terrasse vor ihrer Wohnung. Gemeinsam geniessen sie die Aussicht, auch wenn das Wetter heute etwas bewölkt ist. Direkt bei der Holzbrücke, nahe am Rhein mit Blick auf Bad-Säckingen (DE) und seinem ehrwürdigen Wahrzeichen, dem Fridolinsmünster. Zum Wohnen gibt es in Stein keine schönere Lage. Die beiden sind sich dessen bewusst und geniessen dieses Privileg seit 35 Jahren. «Im Sommer ist das hier unser kleines Paradies», schwärmt Kaba und schaut dabei über das Treppengeländer zur Holzbrücke hinüber. Man glaubt es ihr aufs Wort.
35 Jahre ist es her, als das damals noch unverheiratete Paar mit einem anderen Pärchen eine der fünf Wohnungen des Hauses bezog. Hans schüttelt den Kopf und sagt: «Schon so lange? Unglaublich, wie die Zeit vergeht.» Er erinnert sich: «Ich weiss noch, dass vor allem in Frick über unser unverheiratetes Zusammenwohnen gesprochen und dies nicht wirklich geduldet wurde.» Das kümmerte die beiden aber wenig. Kaba sagt: «Das war eine wilde Zeit. Immer war etwas los bei uns.» Hans lacht und nickt zustimmend.
Kaba ist 61, kommt ursprünglich aus Menziken im Wynental und arbeitet als Sekundarlehrerin in Stein. Ihr Mann Hans ist 58, seit 16 Jahren Operator bei der DSM in Sisseln und ist in Laufenburg aufgewachsen. Die beiden wohnen in einem Haus, das der Novartis gehört und 1874 erbaut wurde. Zuerst geplant als Lagerhaus für Schiffe, wurden die Räumlichkeiten daraufhin als Büroräume und für Mitarbeiter des Konzerns gebraucht. «Noch heute trifft sich die Werkmusik der Novartis jeden Dienstagabend im Untergeschoss in einem Proberaum, um zu musizieren», erklärt Hans. Ansonsten stehen die unteren Räumlichkeiten des Hauses aber seit zwei Jahren leer. Dies nachdem sie über Jahre hinweg von unterschiedlichen Leuten genutzt worden waren.
Bessere und günstigere Lebensmittel
Die Aufschrift «Lindt Schweizer Schokolade» prangt in grossen weissen Buchstaben und gut leserlich hoch oben auf dem Dach und erinnert noch bestens daran, dass es unten einen Laden gab. Der Ladeninhaber verkaufte neben Schokolade, vor allem Teigwaren und Zigaretten. «Damals kamen viele Deutsche über die Holzbrücke, um in diesem kleinen Laden einzukaufen», erinnert sich Hans. Denn die hier erhältlichen Lebensmittel waren besser und günstiger als in Deutschland.
Mit der Zeit schloss der Laden, weil er nicht mehr rentierte und nach einer Zwischennutzung öffnete ein Sommercafé seine Pforten. «Während zehn Jahren bis im Jahre 2014 war da am Samstag jeweils Betrieb», sagt Hans. Auch sie seien da gerne mal zu Gast gewesen und hätten neben einem Café auch mal einen Sekt oder ein Bier getrunken. Bis es dann vor zwei Jahren auch mit dem Café vorbei war.
So schön die Umgebung ist, so veraltet ist die Wohnung der Familie Müller. «Besonders nachdem unsere beiden Töchter Anja (1986) und Romina (1989) auf die Welt gekommen sind, mussten wir in der Wohnung einiges modernisieren», erklärt Hans. Ein Um- und Ausbau der Küche, die Isolierung der Wände und viele weitere Arbeiten waren nötig, um sich selber und den Kindern mehr Komfort zu bieten.
Die uralten Öl-Heizungen sind aber über all die Jahre erhalten geblieben und damit auch der Nachteil, dass sich die davon erzeugte Wärme in den Räumlichkeiten nur schlecht verteilte. «So oft wir im Sommer geschwärmt haben, so haben wir im Winter auch manchmal etwas gemotzt», sagt Kaba lächelnd. Die Vorteile überwiegen aber. «Für uns wichtig ist die Sicht aufs Wasser und eine grosse Terrasse - und beides haben wir hier», erklärt sie.
«Schöner Ort, an dem wir wohnen»
Im Rhein hätten ihre beiden Töchter Schwimmen gelernt und an sommerlichen Tagen seien sie oft ans Ufer runter gegangen, um ein Picknick zu veranstalten. Noch heute kommen viele Bekannte und Freunde für einen Schwatz vorbei und geniessen dabei auf der Terrasse einen Kaffee. «Jedes Mal bekommen wir aufs Neue das Gefühl, dass es wirklich ein ganz besonders schöner Ort ist, an dem wir wohnen», sagt Hans. Und neben dem Rhein sind da natürlich noch die längste gedeckte Holzbrücke Europas und das schöne Bad-Säckingen. «Wir sind stolz auf die Holzbrücke und wenn wir in Säckingen Einkaufen oder Essen gehen, fühlt es sich ein bisschen an wie Ferien», sagt Kaba.
Aber nicht nur Freunde und Bekannte fühlen sich vom Haus an der attraktiven Lage nahe der Holzbrücke angezogen. Nicht selten kommt es vor, dass es lustige, kuriose und spannende Begegnungen mit Touristen gibt. Kaba lächelt und sagt: «Ja, da gibt es definitiv so einige Geschichten zu erzählen.»
Oft werden die beiden mit der Frage: «Wo ist denn hier die Altstadt?» konfrontiert. Dabei wird, von den aus Deutschland kommenden Touristen aus, Stein mit dem in Schaffhausen liegenden Stein am Rhein verwechselt, welches eine berühmte Altstadt hat. «Da müssen wir dann erklären, dass unsere Ortschaft zwar am Rhein liegt aber einfach nur Stein heisst», sagt Kaba.
Auch tauche unter Touristen, aufgrund der Aufschrift auf dem Dach, die Frage auf, ob das denn hier eine Schokoladenfabrik sei und es Schweizer Schokolade zu kaufen gäbe. «Wenn wir dann erklären, dass unten früher mal ein Laden war, nun aber nicht mehr und somit keine Schokolade mehr verkauft wird, sind die Leute manchmal schon etwas enttäuscht», sagt Kaba.
Hans erinnert sich an ein anderes Erlebnis: «Einmal, als wir mit Freunden auf der Terrasse sassen, kam ein Mann herauf und lief direkt auf unsere offene Wohnungstüre zu. Als er dann bereits auf der Schwelle stand und wir ihn anstarrten, meinte er: Das Café hat schon geöffnet, oder?»
In bester Erinnerung ist den beiden auch noch ein Besuch von zwei St. Gallerinnen, die in Todtmoos im Schwarzwald Kurferien machten und auf der Suche nach einem guten Kaffee über die Holzbrücke in die Schweiz rüber kamen. Auch wenn Kaba und Hans ihnen erklären mussten, dass ihre Terrasse nicht diejenige eines Cafés sei, bekamen die beiden St. Gallerinnen trotzdem ihren Kaffee und es entwickelte sich ein interessantes Gespräch.
Zurück in der Gegenwart müssen Kaba und Hans lachen und sagen: «Es ist auch spannend und gut fürs Gedächtnis diese Geschichten nach vielen Jahren wieder zu erzählen. Es kommt uns alles wieder so real vor.»
Neuorientierung ist auch eine Chance
In der Zwischenzeit haben sich die Wolken verzogen und die Sonne scheint direkt auf die Terrasse. Kaba geniesst es und sagt: «Bei diesem Anblick geht einem das Herz schon auf.» Etwas Wehmut kommt dann aber doch noch auf. Seit ein paar wenigen Monaten ist klar, dass die Novartis das Haus verkaufen will. «Wir haben schon zwei, drei Mal leer geschluckt, als die Verwaltung uns schriftlich mitteilte, dass die Liegenschaft verkauft werden soll. Dass da nicht mit uns Mietern persönlich gesprochen wurde, hinterlässt bei mir einen etwas faden Beigeschmack», erklärt Hans. Trotzdem sehen die beiden die Neuorientierung auch als Chance.
Denn sie seien offen für Veränderungen. «Interessant wäre auch mal eine topmoderne Wohnung – das klare Gegenteil zu unserem jetzigen Zuhause», erklärt Kaba. Vor allem aber wichtig und wie bereits bekannt ist: Ein Gewässer in der Nähe und eine grosse Terrasse – diese beiden Dinge sind für Kaba und Hans ein Muss.