Bauer findet vergrabenen Münzschatz in Ueken
19.11.2015 Aargau, Kurioses, Wissenschaft, Oberes Fricktal, Kultur, Brennpunkt, Ueken, FinanzenEin Landwirt machte in seiner Kirschbaumplantage auf dem Chornberg in Ueken einen spektakulären Fund: Er entdeckt auf einem Maulwurfshügel einige grün schimmernde Münzen, die so gar nicht nach Schweizer Franken aussehen. Sind diese Münzen alt? Vielleicht sogar sehr alt?
Weil im nahe gelegenen Frick wenige Monate zuvor Teile einer römischen Siedlung ausgegraben wurden, vermutete die Familie, dass es sich um römische Münzen handeln könnte. Gemäss den gesetzlichen Vorschriften gehören archäologische Bodenfunde der Allgemeinheit. So wendete sie sich an die Kantonsarchäologie Aargau. Dort bestätigte sich die Vermutung: Die aussergewöhnlich gut erhaltenen, fast prägefrischen Münzen sind tatsächlich römisch.
Die Archäologen machten sich sofort daran, die Fundstelle zu sichern und genauer unter die Lupe zu nehmen. Unterstützt wurden sie dabei von freiwilligen Bodenforschern. Unter strenger Geheimhaltung beraumte der Kantonsarchäologe Georg Matter im September eine Ausgrabung an, die Klarheit bringen sollte. «Was wir dann innerhalb von drei Tagen freilegen, dokumentieren und bergen konnten, übertrifft alle Erwartungen bei Weitem – so etwas erlebt man als Archäologe selten mehr als einmal im Berufsleben», freut sich Matter auch Wochen nach der Entdeckung noch.
Ein Münzschatz aus der Zeit um 295 nach Christus
Wovon viele Menschen träumen, wurde in Ueken zur Realität: Zum Vorschein kam ein regelrechter Schatz – und zwar ein ziemlich grosser. Immer mehr Münzen präparierten die Archäologen aus dem Ackerboden. Als die Forscher den Fundort verlassen, haben sie auf einer Fläche von wenigen Quadratmetern insgesamt 4\'166 römische Münzen geborgen und zur weiteren Untersuchung in die Kantonsarchäologie nach Brugg gebracht. Der Fund von Ueken zählt damit zu den grössten bisher in der Schweiz entdeckten Münzschätzen.
Der Münzexperte Hugo Doppler übernahm die erste Bestimmung von gut 200 Münzen und entdeckte dabei Erstaunliches. Anhand der bestens lesbaren Prägungen auf der Vorder- und Rückseite der Münzen stellte der Numismatiker fest, dass es sich um so genannte Antoniniane aus der Zeit nach 274 nach Christus handelt. Der Experte identifizierte unter anderem Prägungen der Kaiser Aurelianus (270-275), Tacitus (275-276), Probus (276-282), Carinus (283-285), Diocletianus (284-305) Maximianus (286-305). Die jüngsten Exemplare stammen aus dem Jahr 294 nach Christus.
Eine spätantike Vermögensanlage?
Es fällt auf, dass es sich um besonders hochwertige Bronzemünzen handelt, die einen ungewöhnlich hohen Silbergehalt von fünf Prozent aufweisen. Hugo Doppler vermutet: «Die Münzen sind so gut erhalten, weil sie unmittelbar nach ihrer Prägung aus dem Verkehr gezogen wurden. Der Besitzer muss diese Münzen gezielt ausgesucht haben, um sie zu horten, denn das in ihnen enthaltene Silber garantierte in der damals wirtschaftlich unsicheren Zeit wohl einen gewissen Werterhalt.»
Vermutlich hat der damalige Besitzer seinen Schatz über mehrere Jahre zusammengetragen und kurz nach 294 nach Christus im Erdboden vergraben. Das regt die Fantasie an: Wer war dieser Mensch? Warum hat er ausgerechnet hier eine so beträchtliche Summe deponiert? Warum hat er seinen Schatz nicht wieder abgeholt? Handelt es sich um die Barschaft eines durchreisenden Kaufmanns oder um das Vermögen eines Gutshofbesitzers aus dem Fricktal, der es in den wirtschaftlich und politisch schwierigen Jahren nach 294 in Sicherheit wissen wollte?
Über den damaligen Wert der rund 4000 Münzen können die Archäologen bisher nur Vermutungen anstellen. Im letzten Drittel des Dritten Jahrhunderts nach Christus war die Inflation beträchtlich, so dass sich der reale Wert der Antoniniane kaum sicher festlegen lässt. Klar ist, dass es sich um ein beträchtliches Vermögen in der Grössenordnung von einem bis zwei durchschnittlichen Jahreseinkommen gehandelt haben muss.
In den kommenden Monaten erwarten die Aargauer Archäologen weitere Erkenntnisse. So rechnet Hugo Doppler damit, dass sich unter den Münzen bisher noch völlig unbekannte Typen und Prägestätten befinden. Für die Forschung zur wirtschaftlichen Entwicklung des römischen Reiches wären das wichtige neue Grundlagen. (mgt)