Schön unberechenbar, unberechenbar schön

  07.05.2015 Aargau, Rheinfelden, Möhlin, Kommende Events, Wallbach, Sport, Wassersport, Brennpunkt, Unteres Fricktal, Wallbach/Mumpf

Man hat es ja kommen sehen, dieses Hochwasser. Denn Hochwasser ist Programm, fast schon alle Jahre wieder schwillt der Rhein irgendwo im Aargau an, und dann gehören die Niederungen des Fricktals mit schierer Logik zu den besonders sensiblen Gebieten. Eine Lotterie ist es dann jeweils in Wallbach und Mumpf, Zentimeter entscheiden: Tritt er über die Ufer, oder tritt er nicht?

In den letzten Tagen und Stunden war es permanentes Auf und Ab mit diesen Wasserstandsmeldungen. Die Bulletins, jeweils vom Kantonalen Führungsstab KFS versandt, offenbarten mal kritische Momente, dann gaben sie tendenziell wieder Entwarnung, und was am Morgen noch galt, hatte am Nachmittag bereits wieder an Gültigkeit verloren; am Abend war sowieso nochmals alles anders. Diese konstante Inkonstanz in der Bewertung liegt nicht etwa am Kantonalen Führungsstab, sondern schlichtweg am Gewässer selber, das den Einsatzkräften das Leben jeweils schwer macht. Der Rhein ist nur bedingt zähmbar. Noch keine zwölf Monate ist es her, da stand Andy Bussinger, Kommandant Feuerwehr Unteres Fischingertal, direkt vor den mobilen Hochwassersperren in Wallbach und sagte, man könne «solche Ereignisse und ihre Entwicklung nie auf den Liter genau abschätzen», sondern man müsse sich auf Erfahrungswerte und einen gesunden Menschenverstand berufen. Das war in der Nacht vom Dienstagabend, 22. Juli, 2014. Es blieb trocken. Im Jahr davor, im Juni 2013, war der Rhein an selber Stelle massiv über die Ufer getreten.

Und jetzt, während am Montagnachmittag an der Rheinstrasse in Wallbach erneut die mobilen Hochwassersperren aufgebaut wurden, da waren nur ein paar hundert Meter weiter oben in Mumpf Armeeangehörige und Pontoniere damit beschäftigt, den Schaden in Grenzen zu halten. Am anderen Morgen, vorgestern Dienstag, sagte Jürg Müller, zur NFZ: «Wir sind nochmals knapp an einer Katastrophe vorbeigekommen.» Müller ist Co-Präsident für das Ende Juni hier stattfindende Eidgenössische Wettfahren der Pontoniere. In der Tat, viel hat nicht mehr gefehlt, und die zunehmende Kraft des ansteigenden Wassers hätte die in tagelanger Arbeit entstandenen Bauten fürs Eidgenössische mitgerissen. Eine Katastrophe, das weiss auch Müller, eine Katastrophe gottlob längst nicht menschlicher, aber doch infrastruktureller Natur wäre es gewesen. Diverse Bauten und Steganlagen mussten nun wieder neu verankert beziehungsweise stabilisiert werden. Der Druck des Wassers ist enorm. Nervös macht Müller das alles aber noch lange nicht. Immerhin, wenn man so will, vorstellbar ist das Unvorhersehbare hier jederzeit: «Als wir mit dem Bau der Wettkampfanlage begonnen haben, hatten wir ein mögliches Hochwasserszenario immer im Hinterkopf. Damit müssen wir leben.» Die Sachlage ist aber unmissverständlich: Bei Verhältnissen wie sie jüngst herrschten, wäre an einen Wettkampf auf dem Rhein nicht zu denken. Ein Ausweichdatum für das Eidgenössische gibt es keines. «In unserem Sport ist eben nicht alles vorhersehbar. Das ist kein Laborsport», sagt Müller aus Mumpf am Telefon, während sich der Rhein beruhigt, nur langsam zwar, aber merklich, und weiter unten, in Wallbach, ist das Gewässer an diesen Tagen nicht über die Ufer getreten. Es fehlte nur wenig. Der Rhein. Ganz schön unberechenbar. Doch je nach Perspektive macht ihn sogar dieses Unberechenbare ein Stück weit schön.


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